Funktion und Erkrankungen des Lymphsystems

Lymphsystem: unermüdlicher Transport

06.06.2024, 07:00 Uhr

Verteilung, Umverteilung, Entsorgung und Abwehr: Das Lymphsystem hat wichtige physiologische Funktionen. (Foto: Joshua Lopez/Adobe Stock)

Verteilung, Umverteilung, Entsorgung und Abwehr: Das Lymphsystem hat wichtige physiologische Funktionen. (Foto: Joshua Lopez/Adobe Stock)


Das Lymphsystem ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems, fungiert aber auch als Regulator des Flüssigkeitsvolumens und als Transportsystem für Nahrungsfette. Wie das Lymphsystem auf­gebaut ist, welche Funktionen es im Einzelnen hat und wie die Lymphangiogenese abläuft, erfahren Sie hier. Mit dem Lymphsystem können verschiedene Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. 

Das lymphatische System ist ein weit verzweigtes Netzwerk aus Lymphgefäßen, den dazwischen geschalteten Lymphknoten und weiteren lymphatischen Organen (s. Abb. 1). Es fungiert ‒ neben dem Blutkreislauf ‒ als zweites großes Transportsystem im menschlichen Körper [1, 2]. Dabei übernehmen die einzelnen Bestandteile des Lymphsystems unterschiedliche Aufgaben (s. Abb. 1):

  • Lymphgefäße: Während das Blutgefäßsystem einen geschlossenen Kreislauf bildet, ist das Lymphsystem ein offenes System, das im Gewebe mit dünnwandigen Lymphkapillaren beginnt, die im Zwischenzellraum (interstitiellen Raum) der Organe die dort anfallende überschüssige Zwischengewebsflüssigkeit über die Gefäßwand aufnehmen und als Lymphflüssigkeit (Lymphe) weitertransportieren. Die Lymphkapillaren vereinen sich zu größeren Lymph­gefäßen und diese zu Lymphstämmen, die sich wiederum zu den beiden Hauptlymphgängen „Ductus lymphaticus dexter“ und „Ductus thoracicus“ zusammenschließen. Am unteren Ende des Ductus thoracicus befindet sich die Cisterna chyli ‒ eine sackförmige Erweiterung der Lymphgefäße, die Lymphe aus dem Bauchraum und den unteren Extremitäten sammelt. Die beiden Hauptlymphgänge münden in den rechten bzw. linken Venenwinkel ein und geben die Lymphflüssigkeit dort in den Blutkreislauf ab. Die Lymphe wird durch aktive Kontraktion der größeren Lymphgefäße, durch die Muskelpumpe in Beinen und Armen, durch Pulsation der Arterien und durch Atembewegungen transportiert, wobei die Lymphgefäße Klappen haben, die ein Zurückfließen der Lymphe verhindern [1].
  • Lymphknoten: Neben den verschiedenen Lymphgefäßen gehören auch etwa 600 Lymphknoten zum Lymphsystem [1, 4]. Diese haben eine ovale Form bei einer Größe von 5 bis 25 mm und sind im Körper teils einzeln, teils in Gruppen oder als Ketten entlang der Lymphgefäße verteilt. Die Lymphknoten fungieren als eine Art „Filterstation“ im Lymphsystem. Sie kontrollieren die Lymphflüssigkeit auf Krankheitserreger, Zelltrümmer, Tumorzellen sowie andere Fremd- bzw. Schadstoffe und scheiden diese direkt aus oder leiten mithilfe der Lymphozyten deren Zerstörung ein. Außerdem differenzieren sich in den Lymph­knoten ‒ wie in anderen lymphatischen Organen auch ‒ die Lympho­zyten zu Effektor- und Gedächtniszellen.

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Was ist eigentlich das glymphatische System?

  • lymphatische Organe: Als primäre Lymphorgane werden Knochenmark und Thymus bezeichnet, in denen die für das Immunsystem wichtigen B- und T-Lymphozyten gebildet werden beziehungsweise reifen. Auch die sekundären lymphatischen Organe, in denen die Immunreaktionen, also der Antigenkontakt, die klonale Vermehrung und die Differenzierung der Lymphozyten stattfinden, sind Teil des Lymphsystems. Hierzu gehören ‒ neben den Lymphknoten ‒ die Milz sowie das Mukosa-assoziierte Lymphgewebe (MALT). Dies ist in verschiedenen Schleimhäuten zu finden, unter anderem im Nasen-Rachen-Bereich (Waldeyer-Rachenring mit Rachen-, Gaumen- und Zungenmandeln bzw. Tonsilla pharyngea, Tonsilla palatina und Tonsilla lingualis), in den Bronchien, im Urogenitaltrakt und im Darm (z. B. Peyer-Plaques im Dünndarm, Wurmfortsatz bzw. Appendix). Das MALT wiederum besteht aus einer Ansammlung von sogenannten Lymphfollikeln, die aus Kolonien von B-Lymphozyten gebildet werden [5, 6].
Abb. 1: Aufbau des Lymphsystems (nach [2]). Das Lymphsystem besteht aus den Lymphgefäßen, den Lymphknoten und den lymphatischen Organen.

Glymphatisches System im ZNS

Das Lymphsystem durchzieht alle Körperregionen. Im Gehirn oder genauer gesagt im Bereich der Gliazellen des zentralen Nervensystems wurde im Jahr 2013 das glymphatische Lymphsystem (glymphatisch: Kombination aus glial und lymphatisch) entdeckt. Bis zu diesem Zeitpunkt ging man davon aus, dass ab der harten Hirnhaut (Dura mater) kein Lymphsystem existiert, da die Blut-Hirn-Schranke und die Blut-Liquor-Schranke eine unüberwindliche Grenze darstellen, die nur für wenige Stoffe durchgängig ist [7].

Zentrale Bedeutung für die Immunabwehr

Das Lymphsystem ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems und ist für die Bildung und den Transport von Immunzellen zuständig, wie in Abbildung 2 dargestellt wird [8]. Im roten Knochenmark entstehen aus hämatopoetischen Stammzellen Vorläuferzellen der B- und T-Lymphozyten (Pro-Lymphozyten) sowie die sogenannten natürlichen Killerzellen. Die Pro-B-Lymphozyten reifen im Knochenmark zu B-Lymphozyten und gelangen dann über Blut und Lymphe in die sekundären lymphatischen Organe (s. Abb. 2A). Dort werden sie bei Kontakt mit Antigenen, die über die Lymph- oder Blutbahn transportiert werden, aktiviert und differenzieren sich in Effektor-B-Zellen (Plasmazellen), die gegen das Antigen gerichtete Immunglobuline produzieren und freisetzen (s. Abb. 2B), und in Gedächtnis-B-Zellen, die bei entsprechendem Antigenkontakt rasch in Plasmazellen umgewandelt werden können.

Die Pro-T-Lymphozyten wandern vom roten Knochenmark zunächst in den Thymus, wo sie reifen, und gelangen dann zu den sekundären lymphatischen Organen (s. Abb. 2A). Dort differenzieren sie sich nach ihrer Aktivierung durch Antigenkontakt zu Effektor-T-Lymphozyten (z. B. CD4+-Helferzellen und CD8+ zytotoxische Zellen, s. Abb. 2B) oder Gedächtnis-T-Zellen. Die natürlichen Killerzellen differenzieren sich hingegen nicht, da sie Teil der angeborenen unspezifischen Immun­abwehr sind. Die primären und sekundären lymphatischen Organe sind also Orte der Produktion, Reifung, Aktivierung und Differenzierung von B- und T-Lymphozyten. Die ausdifferenzierten Immunzellen und die gebildeten Antikörper verteilen sich dann über das Blut und die Lymphe im Körper.

Abb. 2. Produktion und Reifung (A) sowie Aktivierung bzw. Differenzierung (B) der B- und T-Lymphozyten (nach [8]).

Flüssigkeitshomöostase und Lipidtransport

Eine weitere wesentliche Funktion des Lymphsystems besteht darin, die Flüssigkeit, die infolge des Blutdrucks aus den Blutkapillaren in den Zwischenzellraum austritt, wieder in den Blutkreislauf zurückzuleiten. So werden täglich etwa 20 Liter Plasma in den interstitiellen Raum freigesetzt. Davon resorbieren die Blutgefäße 17 Liter direkt. Die übrigen drei Liter werden über das Lymphsystem an den Blutkreislauf zurückgeleitet [5].

Die Lymphflüssigkeit transportiert auch einen Großteil der Fette und fettlöslichen Vitamine, die mit der Nahrung aus dem Darm aufgenommen werden, in Form von Lipoproteinpartikeln mit einer sehr geringen Dichte von unter 1 g/ml (Chylomikronen) in die Blutbahn. Von dort gelangen sie dann zu den Körperzellen. Spezielle Lymphkapillaren in den Dünndarmzotten erleichtern diesen Transport. Lymphe aus dem Verdauungstrakt wird aufgrund des milchigen Aussehens infolge des hohen Fettgehalts auch Chylus (altgriechisch: Saft) genannt [9].

Nach einer Schädigung: Lymphangiogenese

Der Prozess, bei dem neue Lymphgefäße aus bereits bestehenden gebildet werden, wird ‒ analog zur Angiogenese bei Blutgefäßen ‒ als Lymphangiogenese bezeichnet. Bei einer Schädigung des Lymphsystems, z. B. infolge von Verletzungen, werden entzündungsfördernde Zytokine und Wachstumsfaktoren produziert und freigesetzt. Eine entscheidende Rolle spielen hier vor allem der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor C (VEGFC), aber auch der Wachstumsfaktor D (VEGFD). Diese binden dann an den VEGF-Rezeptor 3 (VEGFR3) auf der Oberfläche von Endothelzellen, welche die innerste Schicht der Lymphgefäße auskleiden. Dadurch werden die Zellen angeregt, sich zu vermehren und neue Lymphgefäße zu bilden, die wiederum helfen, überschüssige Gewebsflüssigkeit und Entzündungsprodukte abzutransportieren. Eine Reihe von weiteren Proteinen wie Angiopoietin, epidermaler Wachstumsfaktor, Fibroblasten-Wachstums­faktor, Hepatozyten-Wachstumsfaktor, Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor, Thrombozyten-abgeleiteter Wachstumsfaktor oder der Wachstumsfaktor WNT sind an der Lymphangiogenese beteiligt. Die Lymphangiogenese unterstützt also die Heilung und Genesung nach einer Verletzung des Lymphsystems [10, 11].

Lymphödem: Flüssigkeit im Gewebe

Das Lymphödem, die häufigste Störung des lymphatischen Systems, ist eine durch Flüssigkeitseinlagerung bedingte Schwellung des Körpergewebes aufgrund einer eingeschränkten Transportkapazität des Lymphsystems. Dabei sammelt sich mehr Flüssigkeit im Gewebe an, als abtransportiert werden kann. Lymphödeme können verschiedene Ursachen haben. Genetisch bedingte Fehlbildungen des Lymphsystems infolge einer Störung der Lymphangiogenese, die sich bereits im Säuglingsalter oder auch erst im späteren Leben manifestieren kann, führen zu einem primären Lymphödem. Sehr viel häufiger sind jedoch sekundäre Lymphödeme als Folge anderer Erkrankungen (z. B. Übergewicht, maligner Tumoren wie Brustkrebs, Verletzungen) oder deren Behandlung (Operation, Bestrahlung). Auch Infektionen wie die Wundrose (Erysipel) oder die durch tropische Parasiten verursachte Filariose können ein sekundäres Lymphödem verursachen [12]. Anhand ihres Schweregrades werden Lymphödeme ich vier Stadien eingeteilt (s. Tabelle).

In einigen Fällen lässt sich die Ursache eines sekundären Lymphödems beseitigen, so dass das geschädigte Lymphsystem unter Beteiligung der Lymphangiogenese repariert und die eingelagerte Flüssigkeit abtransportiert werden kann [11]. So können sich Lymphödeme bis Stadium 1 wieder zurückbilden [13]. Wo dies nicht möglich ist, kommt die komplexe physikalische Entstauungstherapie zum Einsatz [3, 14]. Diese beinhaltet manuelle Lymphdrainage, Kompressionstherapie mit entsprechenden Verbänden und Strümpfen, Entstauungsgymnastik und Hautpflegemaßnahmen. Dabei ist auch das Selbstmanagement wichtig, also die konsequente Umsetzung der Maßnahmen im Alltag. Eine medikamentöse Therapie steht bisher noch nicht zur Verfügung. Die Gabe von Diuretika ist kontraindiziert. Es gibt jedoch Untersuchungen zum Einsatz des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors C, der sub­kutan injiziert, mittels gentechnischer Methoden ver­abreicht oder auch topisch gegeben wird, um so die Lymphangio­genese zu fördern und dadurch letztlich die Gewebeschwellung zu reduzieren. Weitere Forschungen betreffen den Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zur Entzündungshemmung und von antifibrotisch wirkenden Substanzen [10, 15]. Wenn sich mit konserva­tiven Maßnahmen keine Besserung erzielen lässt, können bei schwer erkrankten Patienten chirurgische Maßnahmen wie das Anlegen eines Lymphgefäßbypasses oder ein Lymphknotentransfer infrage kommen [12].

Antibiotika gegen entzündete Lymphgefäße

Eine Entzündung der Lymphgefäße wird als Lymphangitis bezeichnet, wobei man akute und chronische Formen unterscheidet. Verursacht wird die Erkrankung entweder durch entzündetes Gewebe in unmittelbarer Nähe oder durch Krankheitserreger, vor allem Staphylokokken und Streptokokken, seltener Parasiten oder Pilze. Schädliche Substanzen wie Insekten- und Schlangengifte, die direkt in das Lymphsystem eindringen, können ebenfalls eine Lymph­angitis hervorrufen. Häufig entsteht eine akute Lymphangitis infolge von Verletzungen, aber auch nach lokalen Infektionen wie einer Entzündung der Haarfollikel (Follikulitis) oder einem Abszess. Eine paravenöse Injektion zytotoxischer Medikamente kann ebenfalls zu einer Entzündung der Lymphgefäße führen. Eine chronische Lymphangitis ent­wickelt sich als Folge einer nicht ausgeheilten akuten Lymphangitis oder durch Defekte im Lymphsystem, z. B. Stauungen und Ödeme, sowie nach chirurgischen Ein­griffen, bei denen Teile des Lymphsystems entfernt werden, z. B. bei Brustkrebsoperationen.

Zu Beginn der Lymphangitis leiden die Betroffenen unter einem lokalen Spannungsgefühl sowie einer leichten Schwellung, Schmerzen und Rötung. Einige Patientinnen und Patienten entwickeln auch Schüttelfrost und Fieber. Darüber hinaus kann es zur Lymphknotenschwellung, Lymphödemen, Hautrötungen, Ekzemen und Juckreiz kommen. Typisch für ein entzündetes Lymphgefäß ist ein unscharf begrenzter, schmerzhafter roter Streifen, der innerhalb weniger Stunden von der Wunde in Richtung der lokalen Lymphknoten fortschreitet. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Blutvergiftung (Sepsis), die sich jedoch infolge einer unbehandelten Lymphangitis entwickeln kann.

Die Behandlung einer Lymphangitis erfolgt meist mit Antibiotika. Gleichzeitig sollte der betroffene Körperteil ruhig gelagert und gekühlt werden. Auch desinfizierende Umschläge und antiphlogistische Salben können zum Einsatz kommen. Gleichzeitig ist es wichtig, gegebenenfalls eine Wunde, die als Eintrittspforte dienen kann, adäquat zu versorgen. Kommt es im Rahmen einer chronischen Lymphangitis zu Lymphödemen, sollten diese rasch behandelt werden [16].

Viren oder Bakterien als Ursache entzündeter Lymphknoten

Als Lymphadenitis wird eine Entzündung eines oder mehrerer Lymphknoten bezeichnet, wobei man auch hier zwischen akuten und chronischen Formen differenzieren kann. Je nach Lokalisation werden auch eine lokal begrenzte Lymphadenitis, die nur die Lymphknoten einer bestimmten Region betrifft, und eine generalisierte Lymphadenitis, bei der die Entzündung in zwei oder mehr Lymphknotengruppen auftritt, voneinander unterschieden [17]. Ursache einer Lymphadenitis ist meist eine Infektion mit Bakterien, z. B. Streptokokken, Staphylokokken, Haemophilus influenzae oder Chlamydien, oder mit Viren wie Rhinoviren, Influenzaviren, Adenoviren, Coronaviren oder Epstein-Barr-Viren [18]. Seltener wird die Lymphknotenentzündung durch Infektionen mit Pilzen oder Protozoen verursacht [17]. In der Regel hat die Infektion an einer anderen Stelle des Körpers begonnen und sich dann auf die Lymphknoten ausgebreitet. So kann eine Lymphadenitis auch die Folge einer Lymphangitis sein. In seltenen Fällen können sich Lymphknoten aufgrund einer Krebserkrankung entzünden, da sich die Tumorzellen dann so verändert haben, dass sie nicht mehr als körper­eigene Zellen erkannt werden und eine Immunreaktion auslösen [18]. Eine rheumatoide Erkrankung kann ebenfalls zu einer Lymphknotenentzündung führen, wobei sich das Abwehrsystem dann infolge der Autoimmunreaktion gegen körpereigene Zellen richtet.

Typische Beschwerden bei einer Lymphadenitis sind (Druck-)Schmerzen und eine Vergrößerung der Lymphknoten [19]. In einigen Fällen ist die darüber liegende Haut entzündet, wobei gelegentlich auch eine Cellulitis auftritt. In schweren Fällen können sich Abszesse mit ableitenden Fistelgängen bilden. Häufig leiden die Betroffenen auch unter allgemeinen Symptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber.

Die Therapie einer Lymphadenitis ist abhängig von der Ursache. Bakterielle Entzündungen werden mit Antibiotika behandelt. Bei viralen Infektionen ist eine wirksame Therapie oft nicht möglich, so dass sie von selbst abheilen müssen. Zusätzlich können Medikamente zur Schmerz- und Fieberkontrolle und zum Abschwellen gegeben werden. In schweren Fällen kann auch ein chirurgischer Eingriff notwendig werden wie eine Abszessspaltung oder ‒ bei einer malignen Tumorerkrankung als Ursache ‒ die Entnahme eines oder mehrerer Lymphknoten [17].

Maligne Lymphome: unterschiedlich aggressiv

Bei den auch als Lymphdrüsenkrebs bezeichneten malignen Lymphomen handelt es sich um bösartige Erkrankungen, die von den Zellen des lymphatischen Systems ausgehen [29]. Man unterscheidet das Hodgkin-Lymphom und die sogenannten Non-Hodgkin-Lymphome ‒ eine Gruppe von mindestens 50 ganz unterschiedlich verlaufenden Krebs­erkrankungen. Hierzu gehören die niedrig-malignen, weniger aggressiv verlaufenden (indolenten) Formen wie die chro­nische lymphatische Leukämie (CLL), das follikuläre Lymphom, die Haarzell-Leukämie, das Multiple Myelom und das MALT-Lymphom sowie die hoch-malignen aggressiven Lymphome wie das diffuse großzellige Lymphom und das Burkitt-Lymphom [21].

Bei malignen Lymphomen entarten die B- oder T-Lymphozyten und beginnen dann, unkontrolliert zu wachsen und sich zu vermehren [22]. Ein direkter Auslöser lässt sich meist nicht feststellen. Zu den bekannten Risikofaktoren gehören eine zuvor durchgeführte Strahlen- und/oder Chemotherapie, ein stark bzw. dauerhaft geschwächtes Immunsystem, bestimmte Infektionen, beispielsweise mit dem Epstein-Barr-Virus (Burkitt-Lymphom) oder mit Helicobacter pylori (MALT-Lymphome im Magen), sowie einige seltene Auto­immunerkrankungen [21]. Nicht zu verwechseln sind maligne Lymphome mit Lymphknotenmetastasen, also Absied­lungen eines anderen Tumors wie Brustkrebs oder Darmkrebs in den Lymphknoten.

Auf einen Blick

  • Das Lymphsystem ist ein weit verzweigtes Netzwerk aus Lymphgefäßen, den dazwischen geschalteten Lymphknoten und weiteren lymphatischen Organen.
  • Wichtige Funktionen des Lymphsystems im menschlichen Körper sind die Immunabwehr, die Aufrechterhaltung der Flüssigkeitshomöostase und der Lipidtransport.
  • Bei der Lymphangiogenese werden neue Lymphgefäße aus bereits bestehenden gebildet.
  • Störungen des Lymphsystems können zu verschiedenen Erkrankungen wie Lymphödem, Lymphangitis, Lymphadenitis und malignen Lymphomen führen.

Geschwollene Lymphknoten ernst nehmen

Ein typisches Warnzeichen für viele Lymphome sind schmerzlose Lymphknotenschwellungen über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen oder länger. Lymphome können auch zu allgemeinen Krankheitszeichen wie Fieber, starkem Nachtschweiß und ungewolltem Gewichtsverlust führen. Je nachdem, in welchem Organ sich die malignen Lymphozyten befinden, kann es auch zu Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen, Husten und Atembeschwerden oder Knochen- und Gelenkschmerzen kommen. Eine ein­fache Möglichkeit zur Früherkennung eines Lymphoms gibt es bisher nicht [21].

Je nach Art des Lymphoms kommen verschiedene Therapieoptionen in Betracht. Hierzu gehören Abwarten und Beobachten („watch and wait“) bei langsam wachsenden, niedrig malignen Lymphomen sowie Chemotherapien, Radiotherapien und zielgerichtete Therapien bzw. Immuntherapien. Häufig werden Kombinationstherapien zur Behandlung eines Lymphoms eingesetzt, die zum Beispiel aus einer Chemotherapie und einer Immuntherapie (Chemoimmuntherapie) oder einer Radiotherapie plus Chemo- beziehungsweise Chemoimmuntherapie (Radio-Chemo­therapie bzw. Radio-Chemoimmuntherapie) bestehen [21]. In einigen Fällen kann auch eine Stammzelltransplantation in Kombination mit einer Hochdosis-Chemotherapie in Betracht kommen. Die Prognose hängt von der Art des Lymphoms ab, wobei in den letzten Jahren durch die Entwicklung neuer Medikamente zum Teil deutliche Fortschritte bei der Therapie erzielt wurden [20].

Literatur

 [1] Das Lymphsystem. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie (DGPL), www.phlebology.de/patienten/wissen/lymphsystem/

 [2] Schünke M. et al. Prometheus Lernatlas der Anatomie. Illustrationen von M. Voll und K. Wesker. Stuttgart: Thieme

 [3] S2k Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Lymphödeme“ der Gesellschaft deutschsprachiger Lymphologen e. V., AWMF-Reg.Nr. 058 – 001, Stand 23. Mai 2017 (in Überarbeitung)

 [4] Hinghofer-Szalkay H. Lymphoidale Organe und Lymphozyten-trafficking. physiologie.cc/XVII.6.htm

 [5] Betts JG et al. Anatomy and Physiology 2e, 21.1 Anatomy of the Lymphatic and Immune Systems. OpenStax. openstax.org/books/anatomy-and-physiology-2e/pages/21-1-anatomy-of-the-lymphatic-and-immune-systems

 [6] Kompe S. Lymphatische Organe. Stand 12. Oktober 2023, www.kenhub.com/de/library/anatomie/immunsystem

 [7] Dick-Wallace SF. Das glymphatische System. Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2020; 18:32–38, www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-1084-8564.pdf

 [8] Hinghofer-Szalkay H. Adaptive Immunität, B-Zellen, Antikörper. physiologie.cc/XVII.3.htm

 [9] Oiseth S et al. Lymphsystem. Lecturio, Stand 22. Mai 2023, www.lecturio.de/artikel/medizin/lymphdrainagesystem/

[10] Hu Z et al. Lymphatic vessel: origin, heterogeneity, biological functions, and therapeutic targets. Signal Transduct Target Ther 2024;9(1):9, doi: 10.1038/s41392-023-01723-x

[11] Lymphangiogenese und VEGF Proteine. Informationen der Lymphödem Vereinigung (LV) Schweiz, Stand 21. Oktober 2023, www.lv-schweiz.ch/data/protokolle/Lymphangiogenese-VEGF-C-v2-30-09-2023.pdf

[12] Lymphödem. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Phlebo­logie und Lymphologie (DGPL), www.phlebology.de/patienten/venenkrankheiten/lymphoedem/

[13] Lymphödem. Informationen des Universitätsspitals Zürich (USZ), www.usz.ch/krankheit/lymphoedem

[14] Komplexe physikalische Entstauungstherapie. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie (DGPL), www.phlebology.de/patienten/behandlung/komplexe-physikalische-entstauungstherapie/

[15] Brown S et al. The Future of Lymphedema: Potential Therapeutic Targets for Treatment. Curr Breast Cancer Rep 2023:1-9, doi: 10.1007/s12609-023-00491-5

[16] Lymphangitis. Informationen des Gesundheitsportals des Österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Stand 6. September 2018, www.gesundheit.gv.at/krankheiten/herz-kreislauf/lymphe/lymphangitis.html#wie-erfolgt-die-behandlung-einer-lymphangitis

[17] Lymphadenitis. Informationen der Johns Hopkins Medicine, www.hopkinsmedicine.org/health/conditions-and-diseases/lymphadenitis

[18] S1-Leitlinie „Lymphknotenvergrößerung” der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH), AWMF-Reg.Nr. 025 – 020, Stand 30. April 2020

[19] Rehmus WE. Lymphadenitis. MSD Manual Ausgabe für medizinische Fachkreise, Stand Juni 2023, www.msdmanuals.com/de-de/profi/erkrankungen-der-haut/bakterielle-hautinfektionen/lymphadenitis#v963876_de

[20] Lymphom. Informationen des Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU) des Universitätsklinikums Ulm. www.uniklinik-ulm.de/comprehensive-cancer-center-ulm-cccu/fuer-patienten-und-angehoerige/krebserkrankungen/lymphom.html

[21] Lymphome: Symptome, Einteilung, Behandlung. Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Stand 31. Januar 2024, www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/lymphome

[22] Lymphome. Informationen des Universitätsspitals Zürich (USZ), www.usz.ch/krankheit/lymphome


Stefan Oetzel


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