BMG-Eckpunkte weiter in der Kritik

Hubmann ruft zu Geschlossenheit auf

07.06.2024, 10:45 Uhr

Beim Wirtschaftsseminar in Warnemünde: Gastgeber Axel Pudimat (links) und DAV-Vorsitzender Dr. Hans-Peter Hubmann. (Foto: DAZ/tmb) 

Beim Wirtschaftsseminar in Warnemünde: Gastgeber Axel Pudimat (links) und DAV-Vorsitzender Dr. Hans-Peter Hubmann. (Foto: DAZ/tmb) 


Der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann ruft die Apotheker zur Geschlossenheit auf. Die Politik müsse erkennen, dass sie ein Problem mit der Versorgung bekommt, wenn sie die Apotheken nicht stärkt. Es geht um mehr Geld für die Apotheken und darum, Apotheken ohne Apotheker zu verhindern.

Beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern am Mittwoch in Rostock-Warnemünde stand die Berufspolitik auf Bundesebene im Mittelpunkt. Denn der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Dr. Hans-Peter Hubmann, war zu Gast.

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 Zunächst erklärte Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die Politik bekräftige die Bedeutung der Apotheken, schaue dem Geschehen aber billigend zu, solange die Basisleistungen der Apotheken nicht knapp sind. Aufgrund der Sonderstellung zwischen Heilberufler und Kaufmann in Verbindung mit der Niederlassungsfreiheit sei vieles nicht einklagbar. Die Apotheken seien auf den Willen des Gesetzgebers angewiesen. Pudimat empfahl daher: „Seien Sie realistisch und bleiben sie kämpferisch.“ Jetzt komme die Änderung der Konditionen nach dem Skontourteil hinzu. Pudimat folgerte: „Das Sterben wird ohne Skonto schneller gehen.“ Als strukturelles Problem sprach Pudimat die Relationen der Ausgaben für das Gesundheitswesen an und erklärte, statt viele Milliarden in zweifelhafte Innovationen zu stecken, könnten auch zwei Milliarden in bewährte Versorgungsstrukturen investiert werden - in die Apotheken. Pudimat spitzte es so zu: „Was nützt das ganze teure Zeug, wenn sich niemand um die richtige Anwendung kümmert.“

Gesundheit sichert Produktivität

Anschließend gab Hubmann einen Überblick über die berufspolitische Lage. Wenn Strukturen permanent auf Verschleiß gefahren werden, gibt es irgendwann einen Kipppunkt, ab dem das System nicht mehr funktioniert. Dies sei bei der Bahn zu erleben, und die Politik sollte zusehen, dass das nicht auch bei den Apotheken so kommt, mahnte Hubmann. Doch in der Politik würden die Leistungen der Apotheken noch immer unzureichend erkannt. Eigentlich müssten die Apothekenberufe die Lieblingsberufe der SPD sein, erklärte Hubmann, denn in Apotheken gebe es viele flexible wohnortnahe Arbeitsplätze für Frauen und die Arbeitgeber würden alles dafür tun, diese zu erhalten. Doch freiberuflich geführte Betriebe ohne Mitbestimmung würden nicht zum Ideal der SPD passen. Außerdem werde das Gesundheitswesen oft als reiner Kostenverursacher gesehen. Doch „an der Gesundheit zu sparen heißt, an der Produktivität zu sparen“, erklärte Hubmann, denn gesunde Arbeitskräfte seien auch wirtschaftlich wichtig.

Nicht zu laut protestieren

Zudem zeigte sich Hubmann frustriert darüber, wie schwer es sei, bei Bundesgesundheitsminister Lauterbach Argumente anzubringen. Insbesondere verfolge Lauterbach weiter konsequent die Idee, Apotheken ohne Apotheker zuzulassen. Hinzu komme das Problem, dass SPD-Politiker nach lautstarken öffentlichkeitswirksamen Apothekerprotesten entgegnen würden, solche Proteste würden rechte Parteien stärken. Angesichts dieses Dilemmas bleibe nur, mit geeigneten Maßnahmen zu zeigen, dass es den Apotheken nicht gut geht, und individuelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Es müsse ein Gefühl der Betroffenheit entstehen. „Die Politik muss erkennen, dass sie ein Problem mit der Versorgung bekommt“, erklärte Hubmann.

Apotheken ohne Apotheker wären das Ende

„Apotheken ohne Apotheker sind das Ende des Berufes“, ist Hubmann überzeugt. Dann würde argumentiert, dass außer den Inhabern nur noch PTA nötig wären, um Apotheken zu betreiben, und das System werde immer weiter ausgehöhlt. Dass bis zur Veranstaltung in Warnemünde noch kein Referentenentwurf für ein neues Gesetz vorlag, wertete Hubmann positiv, denn kein Entwurf sei besser als ein verkorkster Entwurf. Auch weitere der bekannten Eckpunkte aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht Hubmann kritisch. Die Umverteilung vom prozentualen zum festen Rx-Honorar würde die Apotheken langfristig noch weiter von der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppeln.

Verhandlungen als „echter Trojaner“

Auch die angedachten Verhandlungen für das Honorar ab 2027, die die ABDA zunächst noch etwas optimistisch gesehen hatte, bezeichnet Hubmann nun als „echten Trojaner“. Ohne Konsens über Datengrundlagen und Kriterien würde dies immer zur Schiedsstelle führen. Vergleiche mit den Verhandlungen der Ärzte würden hinken, denn die Ärzte würden ein Gesamtbudget verhandeln und dann selbst verteilen. Den Eckpunkten setzte Hubmann die bekannten Forderungen der ABDA entgegen, die auf 2,8 Milliarden Euro mehr für die Apotheken hinauslaufen. Bei der Gestaltung der Erhöhung sei die ABDA hingegen sehr flexibel, erklärte Hubmann und betonte, dass die ABDA damit keineswegs starr in ihrer Position sei.

Ideen für Überzeugungsarbeit gesucht

Zur Prognose, was ohne zusätzliches Honorar droht, verwies Hubmann auf die vom DAV-Wirtschaftsforum bekannten Daten. Das durchschnittliche Betriebsergebnis werde auf unter 135.000 Euro sinken, aber schon 2023 hätten nur 66 Prozent der Apotheken ein Betriebsergebnis von über 75.000 Euro erzielt. Vor diesem Hintergrund rief Hubmann zur Geschlossenheit auf, intern könnten die Apotheker aber gerne diskutieren. Daraufhin kritisierten Veranstaltungsteilnehmer, die ABDA habe 20 Jahre lang beim Honorar nichts erreicht. Die zentralen Argumente waren, es fehle eine Perspektive und: „Man kann doch nicht kampflos untergehen.“ Hubmann entgegnete, man könne die Politik nicht zwingen und es gehe nicht um Verhandlungen wie bei Tarifverträgen. Pudimat ergänzte, Proteste könnten sogar das Gegenteil bewirken, warb aber um Ideen, mit denen die Probleme vor Ort gezeigt werden könnten.

 


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Proteste?!?!

von Tino Schumann am 11.06.2024 um 14:29 Uhr

Proteste würden die rechten Parteien stärken? Was ist den das für eine unhaltbare Stillhalteverordnung!

Das Ignorieren von existenziellen Problemen durch die Politik treibt die Menschen auf der Suche nach Rettung in andere politische Lager. Das völlig unnötige Opfern regionaler funktionierender Versorgungsstrukturen (unter dem Deckmantel europäischer Regelungen) im Interesse globaler Player, die gern deutlich mehr abhaben wollen von unserer Arzneimittelversorgung, bringt die Betroffenen und die an ihnen hängenden Mitarbeiter auf die Idee "weniger Europa" könnte diese Auswüchse eindämmen.

Nicht die Proteste sind die Ursache für die sich verändernde Parteienlandschaft. Wenn Gespräche, Lagebeschreibungen, Hilfeersuchen an die politischen Entscheidungsträger nur noch abprallen, sind Proteste ein völlig legitimes Mittel.
Laut - massiv - unaufhörlich - und für die Verantwortlichen der Stagnation auch unerträglich.

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Hilflos oder ausweglos?

von Ulrich Ströh am 07.06.2024 um 13:13 Uhr

In den Äußerungen der Kollegen Hubmann und Pudimat zeigt sich Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit.
Von Zuversicht keine Spur.

Welcher junge Kollege strebt.danach noch zukünftig in die Offzinapotheke?
Keiner.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Demokratie abschaffen, aus Angst vor der Demokratie...

von Tobias Kast am 07.06.2024 um 11:38 Uhr

"Hinzu komme das Problem, dass SPD-Politiker nach lautstarken öffentlichkeitswirksamen Apothekerprotesten entgegnen würden, solche Proteste würden rechte Parteien stärken."

... no f* words ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Resignation!!!!

von Dr. Radman am 07.06.2024 um 11:30 Uhr

"Pudimat ergänzte, Proteste könnten sogar das Gegenteil bewirken, warb aber um Ideen, mit denen die Probleme vor Ort gezeigt werden könnten".

Wenn die Politik solche Sätze mitliest, dann weiß sie, wie sie uns noch unbedeutender machen. Wir dürfen nur leise betteln, damit wir die Politik nicht verärgern. Was für ein Armutszeugnis.. Was für eine Resignation. Wir schätzen uns wahrscheinlich selbst als unbedeutend ein. Wenn das so wäre, haben wir das Recht auf Existenz des Berufsstandes verwirkt. So was habe ich noch nie erlebt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Notdienstversorgung

von Jörg Wilhelm Nolten am 07.06.2024 um 11:28 Uhr

Wenn man wollte,könnte man, wenn man Rückgrat besitzt , den Notdienst um 21 Uhr beenden. Die Kammer geht dagegen vor und der Verband führt die Musterklage für alle. Das OLG -Urteil, in dem dem Apotheken-Notdienst kein eigener Wert beschieden wurde, liegt vor. Ordnungsgelder der Kammer müssen sich nach Aussage eines Verwaltungsrichters am Wert der Leistung ( Null ) orientieren - also nicht 4-stellig.
UND man fängt in LEVERKUSEN damit an, als nächstes bei den Wahlkreisen der MdB der SPD in den Bundesländern mit Landtagswahl , dann bei denen im Ruhrgebiet. Das nennt man Eskalation.
Lasst die Leverkusener nach Köln fahren !!! Dafür müsste Thomas Preis mal runter von Seite 1 der Tageszeitung hin an die Seite der KollegInnen , die um ihre Apotheken bangen.

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Geschlossen...

von Eimer Langsdorf am 07.06.2024 um 11:16 Uhr

Lieber Herr Hubmann, schließen Sie sich und Frau O. weg - vielleicht noch den Hrn. Benkert dazu - dann wäre uns allen geholfen. Eine erfolglosere Standesvertretung hat es noch nie gegeben - in Meran ausgelassen feiern und in der Zwischenzeit mussten schon wieder 20 Buden schließen. 'Leise protestieren' auf solche Ideen muss man erst einmal kommen. Für solche Leute haben wir im letzten Jahr 2 mal auf der Straße gestanden... beim Verband gibt es zumindest die Möglichkeit auszutreten, das müssten eigentlich ALLE nach diesem Offenbarungseid machen. Wenn danndas Geld fehlt, wacht vielleicht noch jemand auf.

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