Unter Verdacht: Therapeutika, die den pH-Wert des Magensafts erhöhen

Migräne durch Antazida?

11.06.2024, 07:00 Uhr

Magenschmerzen therapieren und dadurch Kopfschmerzen bekommen? Eine neue Studie legt einen Zusammenhang nahe. (Foto: Graphicroyalty / AdobeStock)

Magenschmerzen therapieren und dadurch Kopfschmerzen bekommen? Eine neue Studie legt einen Zusammenhang nahe. (Foto: Graphicroyalty / AdobeStock)


Kopfschmerzen werden in den Fachinformationen von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) als häufige Nebenwirkung aufgeführt. Kürzlich wurde außerdem Migräne als eine potenzielle Nebenwirkung von PPI identifiziert. Eine Querschnitts­analyse wertete nun die Daten von über 11.000 US-Bürgern in Bezug auf diese Nebenwirkung aus. Hierbei zeigte sich, dass nicht nur die PPI-Einnahme mit einem erhöhten Risiko für Migräne und starke Kopfschmerzen assoziiert ist.

Eine säuresupprimierende Therapie wird häufig angewendet, um säure­assoziierte gastrointestinale Er­krankungen wie Magengeschwüre, gastrointestinale Refluxkrankheit oder Barrett-Ösophagus vorzubeugen. Neben Protonenpumpeninhibitoren wie Omeprazol kommen H2-Rezeptorantagonisten wie Ranitidin und Antazida zum Einsatz.

Anhebung des pH-Werts

Protonenpumpeninhibitoren haben von den drei Substanzklassen die stärkste Wirkung auf den pH-Wert des Magensafts. Sie hemmen das Enzym H+/K+-ATPase (die Protonenpumpe) und somit den letzten Schritt in der Magensäurebildung. Dadurch vermindern sie sowohl die basale als auch die stimulierbare Säuresekretion. Als häufigste Nebenwirkungen werden gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall und Blähungen aufgeführt. Eine weitere häufige Nebenwirkung sind Kopfschmerzen. Ansonsten werden PPI gut vertragen, stehen jedoch auch immer wieder im Verdacht, dass sie zu häufig verordnet werden.

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H2-Rezeptorantagonisten reduzieren die Magensäureproduktion, indem sie an den Belegzellen die Wirkung von Histamin kompetitiv hemmen. Histamin stimuliert normalerweise durch Bindung an H2-Rezeptoren der Belegzellen die Sekretion von Salzsäure im Magen. Bei H2-Rezeptorantagonisten sind Kopfschmerzen als gelegentliche Nebenwirkungen in der Fachinformation aufgeführt.

Bei Antazida, die Magensäure neutralisieren oder binden und so säurebedingte Beschwerden lindern, führen die Fachinformationen Kopfschmerzen bislang nicht als Nebenwirkung auf.

Nahrungsabhängige Migräne

Weiterhin mehren sich die Hinweise, dass Migräne mit der Ernährung zusammenhängen kann. So wurde beispielsweise in Studien gezeigt, dass eine inadäquate Magnesiumzufuhr mit einem erhöhten Migränerisiko einhergeht.

Da eine säuresupprimierende Therapie auch die Verdauung und das gastrointestinale Mikrobiom beeinflusst, stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Therapie auf das Migränerisiko hat. Dieser Fragestellung wurde in einer amerikanischen Querschnittsanalyse nachgegangen. Hierfür wurden die Daten von 11.818 Personen, welche zwischen 1999 und 2004 an der Nationalen Gesundheits- und Ernährungsbefragung (National Health and Nutrition Examination Survey, NHANES) teilgenommen hatten, ausgewertet. Die Analyse schloss alle Personen ab 20 Jahren ein, wobei Schwangere, Stillende und Alkoholiker ausgeschlossen wurden.

Die Daten wurden in persönlichen Interviews erfasst. Als Migräne- bzw. Kopfschmerzpatient galt jeder, der die Frage „Hatten Sie in den letzten drei Monaten schwere Kopfschmerzen oder Migräne?“ mit „Ja“ beantwortete. Des Weiteren wurde die Einnahme von Medikamenten und Supplementen erfasst. Ein 24-Stunden-Erinnerungsprotokoll der Ernährung gab außerdem Aufschluss über die Magnesiumzufuhr mit der Nahrung.

In der Studie gaben mit 2.340 Personen knapp 20.% der Befragten an, dass sie in den letzten drei Monaten starke Kopfschmerzen oder Migräne hatten. Die betroffenen Personen waren häufiger weiblich und tendenziell jünger.

Weniger Säure – höheres Risiko

Insgesamt zeigte sich ein höheres Risiko für Migräne und starke Kopfschmerzen bei einer säuresupprimierenden Therapie. Hierbei war das Risiko im Vergleich zu Personen ohne säuresupprimierende Therapie 

  • unter Protonenpumpenhemmern um 70 %, 
  • unter H2-Rezeptorantagonisten um 40 % und 
  • unter Antazida um 30 % erhöht. 

Obwohl PPI-Nutzer deutlich häufiger betroffen waren, war der Unterschied zwischen den drei Gruppen mit säuresupprimierender Therapie nicht signifikant. Es konnte außerdem kein Zusammenhang mit der Magnesiumaufnahme und dem Migräne- bzw. Kopfschmerzrisiko festgestellt werden.

Allerdings zeigte sich eine nicht plausible Korrelation zwischen einer hohen Magnesiumzufuhr, der Einnahme von H2-Rezeptorantagonisten und einem höheren Migränerisiko. Dies könnte jedoch der geringen Fallzahl (n = 75) in der Subgruppe geschuldet sein.

Aufgrund der retrospektiven Analyse haben die Ergebnisse mehrere Limitationen. So wurde beispielsweise in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass Personen mit gastrointestinalen Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom, Zöliakie oder Magengeschwüren ein erhöhtes Risiko für Migräne haben. Andererseits konnte in einer Längsschnittstudie gezeigt werden, dass die Neuverordnung eines PPI mit dem neuen Auftreten von Migräne assoziiert ist.

Folglich sind weitere prospektive Studien notwendig, um das Risiko von Migräne und starken Kopfschmerzen durch eine säuresupprimierende Therapie besser beurteilen zu können.

Beratung: Medikation abfragen

Aufgrund der potenziellen Assoziation ist es sinnvoll, bei der Beratung in der Apotheke insbesondere beim erstmaligen Auftreten von starken Kopfschmerzen oder Migräne nach der Medikationshistorie zu fragen. Auch sollte bei Medikationsanalysen die Notwendigkeit einer dauerhaften säuresupprimierenden Therapie stets hinterfragt werden.

Literatur

[1] Slavin M et al. Use of Acid-Suppression Therapy and Odds of Migraine and Severe Headache in the National Health and Nutrition Examination Survey. Neurol Clin Pract 2024;14(3):e200302, doi: 10.1212/CPJ.0000000000200302

[2] Fachinformationen der Hersteller


Dr. Karin Schmiedel, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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