Schlecht eingestelltes Asthma

SABA machen 60 Prozent des CO₂-Fußabdrucks aus

11.06.2024, 12:15 Uhr

SABA (β₂-Sympathomimetika) werden meist als Dosieraerosole angewendet, die klimaschädliche Treibhausgase enthalten. (Foto: vectorfusionart / AdobeStock)

SABA (β₂-Sympathomimetika) werden meist als Dosieraerosole angewendet, die klimaschädliche Treibhausgase enthalten. (Foto: vectorfusionart / AdobeStock)


Gut kontrolliertes Asthma hilft nicht nur den Patient:innen, sondern trägt auch zur Reduktion von Treibhausgasemissionen bei. Das belegt eine Studie aus England nun auch mit Zahlen. Die Nutzung von SABA (β₂-Sympathomimetika) bei schlechter Asthmakontrolle erweist sich dabei als besonders klimaschädlich.

Eine aktuelle Studie aus England berichtet darüber, dass im Vereinigten Königreich und in Europa schätzungsweise 50 % der Patient:innen an unkontrolliertem Asthma leiden [1,3]. Das bringt nicht nur ein erhöhtes Risiko an Exazerbationen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen mit sich, sondern schadet auch der Umwelt – in welchem Ausmaß, das stellt die Studie anhand von CO2-Fußabruck-Äquivalenten dar.

Was ist eine schlechte Asthmakontrolle?

Es handelt sich um eine retrospektive Kohortenstudie, welche auf einer älteren Studie (SABINA: SABA (β₂-Sympathomimetika) use IN Asthma) von 2020 basiert [1,4]. Damit wurden in der Studie Patient:innen ab zwölf Jahren berücksichtigt, die zwischen dem 1. Januar 2008 und dem 31. Dezember 2019 im britischen „Clinical Practice Research Datalink“ (CPRD GOLD) als Asthma-Patient:innen registriert waren. Zu Beginn der Studie wurden die Patient:innen entweder in die Gruppe mit einem guten Status der Asthmakontrolle eingeschlossen (keine Exazerbationen und weniger als drei SABA-Patronen pro Jahr) oder in die Gruppe mit einer schlechten Asthmakontrolle (drei oder mehr SABA-Patronen pro Jahr oder mindestens eine Exazerbation pro Jahr). Drei SABA-Patronen entsprechen dabei 600 Sprühstößen.

Treibhausgase in Dosieraerosolen

Im Jahr 2019 waren laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzungsweise 262 Millionen Menschen von Asthma betroffen und 455.000 Menschen starben daran [2].

Asthma kann mit verschiedenen inhalativen Arzneiformen gut behandelt werden. Dabei kommen zwei verschiedene Darreichungsformen zum Einsatz: zum einen Dosieraerosole, mit den klimaschädlichen Treibhausgasen Norfluran (ca. 1.400-mal klimaschädlicher als CO₂) und Apafluran (ca. 3.200-mal klimaschädlicher als CO₂); zum anderen Pulverinhalatoren, die ohne Treibhausgase auskommen und somit eine bessere Klimabilanz aufweisen. 

Um die Treibhausgasemissionen zu quantifizieren, wurden alle verordneten oder erworbenen Asthma-Arzneimittel berücksichtigt – also nicht nur die Inhalativa, sondern auch orale Arzneimittel und Arzneimittel zur Injektion. Für die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks wurden wiederum alle damit verbundenen Emissionen berücksichtigt, also auch Emissionen aus der Herstellung, dem Transport und der Entsorgung der Arzneimittel. Auch die Nutzung weiterer Ressourcen im Gesundheitswesen wurde berücksichtigt.

Emissionen von mehr als 124.000 Häusern in Großbritannien

Von 236.506 analysierten Patient:innen wurden schließlich 47,3 % der Gruppe mit schlecht kontrolliertem Asthma zugeordnet (absolut 111.844). Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden die Treibhausgasemissionen auf ein jährliches Gesamtmaß und pro 10.000 Patientenjahren hochgerechnet, zudem wurden die Werte auf die gesamte britische Asthma-Bevölkerung hochgerechnet (5,4 Millionen). Daraus ergab sich für die gesamte Asthma-Behandlung ein Fußabdruck von 750.540 Tonnen CO₂ pro Jahr. Schlecht kontrolliertes Asthma soll dazu rund 80 % und damit überschüssige Treibhausgasemissionen von 303.874 Tonnen CO₂ pro Jahr beigetragen haben. Das entspricht den Emissionen von mehr als 124.000 Häusern in Großbritannien im Jahr 2020, heißt es [1]. Zur Einordnung: Das Gesundheitswesen sei im öffentlichen Bereich mit einem CO₂-Fußabdruck-Äquivalent von 4,4 % eine der größten Quellen von Treibhausgasemissionen weltweit [1,5].

SABA-Nutzung gilt als Hauptübeltäter

Pro Kopf soll sich daraus für schlecht kontrolliertes Asthma gegenüber gut kontrollierten Asthma ein 3,1-fach höherer CO₂-Fußabdruck ergeben (beziehungsweise ein 8,1-facher Überschuss). Dieser soll interessanterweise vor allem durch den Gebrauch von SABA verursacht werden, während die Nutzung weiterer Ressourcen im Gesundheitswesen weniger ausschlaggebend sein soll (mehr als 60 % der gesamten Treibhausgasemissionen durch Asthma und mehr als 90 % der überschüssigen Treibhausgasemissionen stammen aus der SABA-Nutzung).

Im Zusammenhang mit Exazerbationen sollen Krankenhausaufenthalte am meisten zu den dadurch verursachten Treibhausgasemissionen beigetragen haben. Exazerbationen wurden in der Studie als vorübergehende Verschlechterung des Asthmas definiert, die eine kurze Behandlung mit oralen Glucocorticoiden, einen Besuch in der Notaufnahme oder einen Krankenhausaufenthalt erfordert. Allerdings sollen auch Exazerbationen weniger zu den Treibhausgasemissionen beigetragen haben als die inhalative Therapie [1].

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Angesichts dieses Ergebnisses erinnern die Studien-Autor:innen daran, dass die Globale Initiative für Asthma (GINA) bereits seit 2019 SABA nicht mehr als bevorzugtes Arzneimittel zur Behandlung akuter Asthmasymptome empfiehlt – aufgrund eines erhöhten Risikos für schwere Exazerbationen und für asthmabedingte Sterblichkeit [1,6].

Einschränkend geben die Studien-Autor:innen unter anderem zu bedenken, dass die erhobenen Verschreibungsdaten möglicherweise nicht die tatsächliche Nutzung widerspiegeln könnten. So könnte es zu einer Überschätzung des CO₂-Fußabdrucks kommen. Jedoch sollen die Herstellung und der Transport bereits den größten Teil zu den Treibhausgasemissionen beitragen, unabhängig von der Nutzung des Arzneimittels.

Grundsätzlich kommen die Autor:innen zu dem Schluss, dass ein gut kontrolliertes Asthma zur Reduktion von Treibhausgasemissionen beiträgt [1].

Literatur

[1] Wilkinson AJK, Maslova E, Janson C, et al. Greenhouse gas emissions associated with suboptimal asthma care in the UK: the SABINA healthCARe- Based envirONmental cost of treatment (CARBON) study. Thorax 2024;79:412–421, thorax.bmj.com/content/79/5/412

[2] Internetauftritt der WHO zu Asthma. Stand 6. Mai 2024, www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/asthma#:~:text=It%20was%20estimated%20that%20more,and%20lower%2Dmiddle%20income%20countries.

[3] Menzies-Gow A , Chiu G . Perceptions of asthma control in the United Kingdom: a cross-sectional study comparing patient and healthcare professionals' perceptions of asthma control with validated ACT scores. NPJ Prim Care Respir Med 2017;27:48. doi:10.1038/s41533-017-0050-x

[4] Bloom CI , Cabrera C , Arnetorp S , et al . Asthma-related health outcomes associated with short-acting Β2-agonist Inhaler use: an observational UK study as part of the SABINA global program. Adv Ther 2020;37:4190–208. doi:10.1007/s12325-020-01444-5

[5] Health Care Without Harm Europe. Annual report 2019. Available: noharm-europe.org/documents/annual-report-2019

[6] Global Initiative for Asthma (GINA). Global strategy for asthma management and prevention 2019. Available: ginasthma.org/wp-content/uploads/2019/06/GINA-2019-main-report-June-2019-wms.pdf 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Wo beginnt und endet Gesundheit

von Dr. House am 11.06.2024 um 14:59 Uhr

In der Medizin will man für ein gutes Urteil über (Un-)wirksamkeiten Therapien gut messen können können - fair enough. Doch wer darf eigentlich bestimmen, wie es zur Auswahl und ggf. zur wilden Vermischung (Klimaschutz und Asthma) der messbaren Parameter kommen darf und wie weit dieses Spiel getrieben werden kann? Man könnte ja im Labirinth des Moralismus plötzlich vor einer fiesen Klippe stehen - und das mit ähnrlichen Parametern nur anderen Schlüssen: Atmen ist klimaschädlich, damit auch jede Geburt, jeder Fortpflanzungstrieb, alles Nicht-Nihilistische. Dann bleibt dann nur noch die Frage: Wofür das Ganze? Wozu das Klima überhaupt retten? Wir sagen ja immer gerne "um globale Bürgerkriege um Trinkwasser und Schatten" zu verhindern. Doch das Dogma haben wir geschickt ausgekonntert, als wir unter Beweis stellten, dass wir auch ohne die Auswirkungen des Klimawandels Kriegswillig- und bald auch -fähig sein werden ... Nein Futur 2 passt da besser: gewesen sein werden...

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