Quälende Hustenattacken

Anstieg der Keuchhustenfälle mit dramatischen Folgen

12.06.2024, 12:15 Uhr

Keuchhustenattacken verlaufen krampfartig und enden oft mit einem keuchenden Einziehen der Luft. (Foto: Louis-Photo / AdobeStock)

Keuchhustenattacken verlaufen krampfartig und enden oft mit einem keuchenden Einziehen der Luft. (Foto: Louis-Photo / AdobeStock)


Keuchhusten (Pertussis) ist noch immer eine häufige Infektionserkrankung, trotz relativ hoher Impfquoten bei Kindern. Dank der Impfung sind Todesfälle in den industrialisierten Ländern selten geworden, ausgerottet ist die Erkrankung aber nicht. Der zuletzt starke Anstieg der Keuchhustenfälle in vielen europäischen Ländern und insbesondere der Tod von mehreren Babys Anfang des Jahres in den Niederlanden haben erhebliches Aufsehen erregt. Was ist passiert?

Seit Juni 2023 stieg die Zahl der gemeldeten Keuchhustenfälle in den Niederlanden dramatisch an, auf sehr viel höhere Zahlen als in den vergangenen Jahren. Zunehmend waren auch Babys betroffen. Das niederländische Gesundheitsinstitut RIVM (National Institute for Public Health and the Environment) meldete im Februar dieses Jahres zudem einen rasanten Anstieg der Zahl an Neugeborenen, die schwer an Keuchhusten erkrankt waren und gab eine Warnung heraus, dass Menschen mit Husten und Schnupfen den Kontakt mit Schwangeren in der späten Schwangerschaft und mit Neugeborenen unbedingt vermeiden sollten. Etwa 110 bestätigte Keuchhustenfälle wurden zu dieser Zeit wöchentlich bei Kindern diagnostiziert, davon ca. 20 bei Säuglingen. Insgesamt wurden ca. 250 Keuchhustenfälle pro Woche registriert, im Vergleich zu 120 in 2019 und 91 in 2018. Die Behörde ging zudem von einer hohen Dunkelziffer aus, da nicht jeder, der Keuchhustensymptome hat, auch getestet wird. Laut RIVM ereigneten sich die Infektionen vor allem in Gebieten mit geringem Impfschutz wie dem sogenannten Bibelgürtel. In dieser von Südholland bis in den Norden zum IJsselmeer reichenden Region leben viele Menschen, die Impfungen aus religiösen Gründen ablehnen. Mehr als 90% der Babys, bei denen in 2024 Keuchhusten diagnostiziert wurde, hatten keinen Impfschutz.

Mehrere Babys sterben

Mitte März verbreitete sich dann die Nachricht, dass seit Anfang Februar vier Babys in den Niederlanden an Keuchhusten gestorben waren. Normalerweise sterben in den Niederlanden nur ein bis zwei Babys pro Jahr an Keuchhusten. Zuletzt waren 1964 mehr als vier Babys gestorben. Laut RIVM kommen die gemeldeten Keuchhustenfälle inzwischen aus dem ganzen Land. Der einzige Weg Keuchhusten bei Babys zu verhindern, ist die Impfung von Schwangeren und Neugeborenen. In den Niederlanden waren die Impfquoten von Kinderschutzimpfungen einschließlich Keuchhusten aber zuletzt stetig gesunken und liegen nun landesweit unterhalb von 90%. Einige Regionen haben bereits entsprechend reagiert. So hat z. B. die Stadt Den Haag Impfkampagnen gestartet und zahlreiche Impfstationen in der ganzen Stadt aufgebaut, nachdem die Impfraten bei Kindern im gesamten Stadtgebiet gefährlich niedrige Werte erreicht hatten. Auch die an den nordrhein-westfälischen Kreis Kleve angrenzende Region Gelderland-Zuid startete Impfkampagnen gegen Keuchhusten und Masern, wie die lokale Presse berichtete.

Keuchhustenerkrankungen nehmen auch in anderen Ländern Europas zu

Auch aus anderen europäischen Ländern wurde Ende vergangenen Jahres über stark ansteigende Zahlen von Keuchhustenfällen berichtet, unter anderem in Dänemark, Großbritannien, Kroatien und der Schweiz. Eine Pressemeldung des CRM (Centrum für Reisemedizin) von November 2023 machte auf einen Keuchhusten-Ausbruch in Dänemark aufmerksam, wies in dem Zusammenhang auf die Bedeutung eines aktuellen Impfschutzes hin und appellierte, vor Reisen den Impfstatus zu überprüfen. Die dänische Behörde Statens Serum Institut hatte den Ausbruch bereits im September als Epidemie eingestuft. Allein im Oktober lag die Zahl der gemeldeten Fälle in Dänemark bei 1131. Das war mehr als zehnmal so hoch wie üblich. Da vor allem Jugendliche im Alter von 10 bis 19 Jahren betroffen waren, deutet das darauf hin, „dass besonders die Auffrischungsimpfungen oft ausgelassen wurden“, so Prof. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM. Auch in Deutschland sind mittlerweile mehr Erwachsene als Kinder von dieser „Kinderkrankheit“ betroffen. Das liegt nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vor allem an den hohen Impfquoten bei Säuglingen und Kleinkindern.

Neben einer sinkenden Impfrate gibt es aber offenbar auch andere Ursachen, die beim vermehrten Auftreten von Keuchhusten eine Rolle spielen. Die Niederlande verzeichnen bereits seit 1996 einen Anstieg der Keuchhustenfälle, wie das RIVM in seiner Mitteilung vom Februar 2024 mitteilte und als Ursache dafür strukturelle Veränderungen der Bakterien angab. Dadurch können sich Menschen trotz Impfung leichter infizieren. Von April 2020 bis Juni 2023 gab es kaum Keuchhustenfälle, was auf Infektionsschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zurückgeführt wird. In dieser Zeit konnte auch keine natürliche Immunität aufgebaut werden. Nach Einstellung der COVID-19-Infektionsschutzmaßnahmen treffen Keuchhusten-Erreger (wie auch Erreger anderer Infektionskrankheiten) nun auf eine größere Zahl empfänglicher Personen. Kleinkinder haben sich noch nicht mit den Erregern auseinandergesetzt und ältere Menschen haben möglicherweise keine ausreichende Immunität mehr. Das könnte eine Erklärung für den nun beobachteten europaweit starken Anstieg in allen Alters­klassen sein.

Abb.: Zahl der Keuchhustenmeldungen nach Referenzdefinition, Stand: 2. Juni 2024 [Robert Koch-Institut, SurvStat, https://survstat.rki.de, Statista]

Extrem ansteckend für Erwachsene und Kinder

Klassischer Erreger des Keuchhustens ist das gramnegative Bakterium Bordetella pertussis (B. pertussis). Aber auch andere Erreger wie B. holmesii und das eng mit B. pertussis verwandte B. parapertussis rufen keuchhustenähnliche Erkrankungen hervor. Keuchhusten ist den meisten als klassische Kinderkrankheit bekannt. Das ist es aber schon lange nicht mehr. Zwar ist Pertussis weltweit nach wie vor eine der häufigsten Infektionskrankheiten bei Kindern, zunehmend erkranken aber auch Erwachsene. Bei ihnen wird die Krankheit oftmals gar nicht oder erst spät erkannt, da der Verlauf weniger dramatisch ist, und der bellende Husten, das bei Kindern typische Symptom, oftmals ausbleibt. Deshalb wird auch eine hohe Dunkelziffer vermutet. Der klassische Verlauf lässt sich in drei Phasen einteilen. In der Regel fängt Keuchhusten mit dem Stadium catarrhale unauffällig mit Schnupfen und Reizhusten an, ähnlich einer Erkältung. Damit beginnt auch die Ansteckungsfähigkeit, die vor allem in den ersten zwei Wochen sehr hoch ist, wenn Erkrankte noch gar nicht wissen, dass sie an Keuchhusten erkrankt sind. Danach treten in einer zweiten Phase (Stadium convulsivum) die für Keuchhusten typischen Symptome auf – bellende bzw. starke krampfartige Hustenanfälle, häufig nachts, die bis zum Erbrechen führen können, ein pfeifendes Geräusch beim Einatmen sowie Atemnot. Der Husten kann sehr hartnäckig sein und sich in der dritten Phase (Stadium decrementi) über mehrere Wochen bis Monate hinziehen. Im Volksmund wird er deshalb auch als 100-Tage-Husten bezeichnet. Ältere Kinder und Erwachsene haben häufig nur langanhaltenden Husten, insbesondere wenn sie gegen Keuchhusten geimpft sind. Bei jedem Husten, der länger als 14 Tage anhält, sollte man deshalb auch an Keuchhusten denken, so Professor Jelinek vom Centrum für Reisemedizin.

Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion über die Luft z. B. beim Sprechen, Niesen oder Husten oder durch direkten Kontakt mit Infizierten. Keuchhusten ist hochansteckend, und es erkranken bis zu 90% der engen, empfänglichen Kontaktpersonen. Bis zum Auftreten der ersten Sym­ptome dauert es in der Regel sieben bis zehn Tage. Die dann beginnende Ansteckungsfähigkeit hält etwa drei Wochen an. Wenn sich der Patient danach wieder gut fühlt, ist er trotz andauerndem Husten nicht mehr ansteckend. Auch einem Kindergarten-/Schulbesuch oder der Arbeitsaufnahme steht dann nichts mehr entgegen.

Warum Babys besonders gefährdet sind

Gefährlich ist Keuchhusten insbesondere für Neugeborene und Säuglinge in den ersten Lebensmonaten, solange sie noch keinen Impfschutz haben. Vor allem im ersten Lebenshalbjahr sind Säuglinge und Kleinkinder durch schwere Krankheitsverläufe gefährdet. Die zahlreichen Hustenanfälle können zu Lungenüberblähungen, Augenbindehautblutungen, eitriger Bronchitis, Mittelohrentzündung, Lungenentzündung und/oder Asthma führen. Darüber hinaus besteht die Gefahr eines Sauerstoffmangels während der Hustenattacken, die zu Hirnschädigungen, Krämpfen, Blutungen, Bewusstseinsstörungen oder Bewusstlosigkeit führen können. Häufig verweigern die von den anstrengenden Hustenattacken erschöpften Säuglinge das Trinken. Statt der typischen Hustenanfälle kann bei Säuglingen auch ein Atemstillstand eintreten, der dann zum plötzlichen Tod führt. Säuglinge, die jünger als zwei Monate sind, weisen den höchsten Anteil an schweren, mitunter auch tödlichen Verläufen auf. Mehr als die Hälfte der an Keuchhusten erkrankten Säuglinge und Kleinkinder muss im Krankenhaus behandelt werden.

Keuchhusten-Bakterien Farbige rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Abschnitts des menschlichen Luftröhrenepithels, die das stäbchenförmige Bakterium Bordetella pertussis (grün) zeigt, das sich an der Basis und zwischen den Flimmerhärchen in der Mitte befindet. Die Bakterien verursachen einen dramatischen Verlust an Flimmerhärchen, welche die Atemwege vor Staub und Partikeln schützen. Die mikroskopische Aufnahme zeigt im Vordergrund einen Bereich des Epithels, in dem die Flimmerhärchen durch die Bakterien abgeflacht wurden. (Foto: Science Photo Library/NIBSC) 

Impfung aller Schwangeren sowie enger Kontaktpersonen von Neugeborenen

Da die besonders gefährdeten Säuglinge erst ab dem vollendeten zweiten Lebensmonat geimpft werden können und die meisten von ihnen erst nach mindestens zwei Impfstoff­dosen einen ausreichenden Schutz aufbauen, sind sie in ihren ersten Lebensmonaten auf die passive Schutzwirkung von Impfungen angewiesen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des RKI empfiehlt deshalb seit 2020 die Pertussis-Impfung in jeder Schwangerschaft, unabhängig vom Impfstatus der werdenden Mutter. Die Impfung sollte gleich zu Beginn des dritten Trimenons erfolgen, bei einer wahrscheinlichen Frühgeburt bereits im zweiten Trimenon. Dadurch werden von der Mutter gebildete Antikörper während der Schwangerschaft über die Plazenta auf das noch ungeborene Kind übertragen und verleihen diesem einen kurzfristigen Schutz während der ersten Wochen nach der Geburt (Nestschutz). Darüber hinaus sollten auch alle Kontaktpersonen des Säuglings, insbesondere Familienmitglieder (Eltern, Geschwister, Großeltern, Freunde) und Betreuungspersonal (Baby­sitter) ihren Impfstatus überprüfen und sich spätestens vier Wochen vor dem Geburtstermin bzw. dem ersten Kontakt impfen lassen, sofern die letzte Pertussis-Impfung mehr als zehn Jahre zurückliegt. Diese sogenannte Cocooning-Strategie kann Neugeborene vor einer Pertussis-Infektion schützen, bis sie selbst durch aktive Immunisierung eine Immunität aufbauen können.

Empfohlenes Impfschema

Die Grundimmunisierung der Neugeborenen sollte so früh wie möglich, also unmittelbar nach Vollendung des zweiten Lebensmonats begonnen und nach dem aktuell empfohlenen Impfschema (vom 25. Juni 2020) weitergeführt werden. Dazu sind bei Reifgeborenen nur noch drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten erforderlich (2+1-Schema). Für die Langzeitwirkung der Impfung ist es wichtig, dass der Abstand von sechs Monaten zwischen zweiter und dritter Impfung nicht unterschritten wird. Für Frühgeborene (vor der 37. Schwangerschaftswoche) werden aufgrund des noch nicht ausgereiften Immunsystems weiterhin vier Impfungen im Alter von zwei, drei, vier und elf Monaten empfohlen (3+1-Schema). In Deutsch­land wie in den meisten anderen europäischen Ländern sind derzeit ausschließlich sogenannte azelluläre Keuchhustenimpfstoffe zugelassen. Diese enthalten bis zu fünf B.-pertussis-spezifische inaktivierte Antigene, einschließlich Pertussis-Toxoid, und keine lebenden oder vermehrungsfähigen Krankheitserreger. Da ein monovalenter Impfstoff nicht zur Verfügung steht, erfolgt die Impfung mit entsprechenden Kombinationsimpfstoffen. Die Impfung nach dem 2+1-Schema erfolgt zusammen mit Tetanus, Diphtherie, Polio, Hib (Haemophilus influenzae Typ b) und Hepatitis B. Dafür stehen derzeit die sechsfach-Impfstoffe Hexyon, Infanrix hexa und Vaxelis oder der fünffach-Impfstoff Infanrix-IPV+Hib zur Verfügung. Entscheidend für den Impfschutz ist der rechtzeitige Beginn der Impfserie und das Einhalten der empfohlenen Impftermine. Aber eine lebenslange Immunität gibt es nicht. Der Schutz nach einer Impfung beträgt vier bis zwölf Jahre, nach durchgemachter Erkrankung bis zu 20 Jahre. So kann sich jeder mehrmals im Leben infizieren und erkranken. Um den Impfschutz aufrecht zu erhalten, sind Auffrischungsimpfungen erforderlich, die erste im Vorschulalter mit fünf bis sechs Jahren und eine zweite im Jugendalter bis spätestens zum 17. Geburtstag. Erwachsene sollten bei der nächsten fälligen Tetanus- und Diphtherie-Auffrischung einmalig gegen Pertussis geimpft werden. Spezielle Personengruppen wie Mitarbeiter in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen sollten alle zehn Jahre eine Auffrischung erhalten. Einige andere Länder, z. B. Österreich, empfehlen regelmäßige Auffrischimpfungen generell für alle Erwachsenen (alle zehn Jahre, ab 60 Jahren alle fünf Jahre). Die Impfung der Erwachsenen dient primär zur Verhinderung einer Pertussis-Erkrankung der Geimpften selbst, indirekt aber auch zum Schutz von Kontaktpersonen, vor allem von Säuglingen, sowie der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Herden­immunität.

Meldepflicht in Deutschland

Auch in Deutschland ist der Impfschutz in der Bevölkerung nicht ausreichend, um Ausbrüche vollständig zu verhindern, und so kommt es alle vier bis sechs Jahre zu einem epidemischen Anstieg der Infektionszahlen, so Jelinek. Seit 2013 besteht nach § 6 Infektionsschutzgesetz eine bundesweite Meldepflicht, für die Erkrankung, den Krankheitsverdacht und Tod durch Keuchhusten sowie für den labordiagnostischen Nachweis von B. pertussis und B. parapertussis. Nach Angaben der Nationalen Lenkungsgruppe Impfen ist die Umsetzung der Meldepflicht jedoch optimierungsbedürftig. Zum einen wird die Labordiagnostik teilweise nicht nach internationalen Standards durchgeführt, was die Bewertung erschwert, zum anderen fehlen bei den übermittelten Fällen häufig Angaben zum klinischen Bild. Vor der COVID-19-Pandemie wurden in Deutsch­land durchschnittlich etwa 12.000 Fälle pro Jahr an das RKI übermittelt. Die seit 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie deutlich geringeren Fallzahlen stiegen zuletzt auch hierzulande massiv an. Nach Informationen der Website SurvStat@RKI übersteigen die bisher an die Gesundheitsämter gemeldeten Fälle für 2024 (5856; Stichtag 2. Juni 2024) bereits jetzt die Fallzahlen für das gesamte Jahr 2023 (3431).

B. parapertussis vs. B. pertussis

Seit Ende 2022 stieg insbesondere auch der Anteil an Bordetella-parapertussis-Erkrankungen an und die Fallzahlen übertrafen im vergangenen Jahr prä-pandemische Fallzahlen, während B.-pertussis-Fallzahlen auch 2023 noch unter prä-pandemischem Niveau blieben. Dieser Unterschied lässt sich möglicherweise durch die hohe Pertussis-Impfquote bei Säuglingen und Kleinkindern erklären, da die Impfung zwar gegen Bordetella pertussis, nicht aber gegen B. parapertussis gerichtet ist. Es ist also denkbar, dass sich „die B.-pertussis-Fallzahlen aufgrund der wirksamen Impfung im Vergleich zu den B.-parapertussis-Fallzahlen nur mit Verzögerung dem prä-pandemischem Niveau annähern“, so das RKI in seinem Epidemiologischen Bulletin im August 2023. Der starke Anstieg und die Anzahl der momentan gemeldeten B.-pertussis-Fälle scheint diese Theorie zu unterstützen. Infektionen mit B. parapertussis verlaufen in der Regel milder als mit B. pertussis, dennoch kommen auch hier schwere Krankheitsverläufe mit klassischer Keuchhustensymptomatik und Ausbrüche vor. Sehr junge und älter als 60-jährige Patienten mit B. parapertussis werden häufiger hospitalisiert, ähnlich wie bei den B.-pertussis-Fällen. Die in Deutschland hohen Pertussis-Impfquoten im Säuglings- und Kleinkindalter haben dazu geführt, dass im Fall von B. pertussis-Erkrankungen überwiegend Erwachsene betroffen sind. Etwa 70% der B.-pertussis-Fälle zwischen 2013 und 2023 waren 20 Jahre und älter. Dagegen treten durch B. parapertussis verursachte Erkrankungen vor allem im Kindesalter auf.

Auf einen Blick

  • Keuchhusten (Pertussis) ist eine häufige Infektionskrankheit, trotz verfügbarer Impfstoffe.
  • Dauerhafte Immunität gibt es nicht, weder nach Impfung noch nach durchgemachter Erkrankung.
  • Keuchhusten ist keine „Kinderkrankheit“, sondern betrifft zunehmend auch Erwachsene.
  • Im Erwachsenenalter wird Keuchhusten häufig erst spät oder gar nicht erkannt, da typische Symptome oft ausbleiben.
  • Säuglinge und Kleinkinder sind besonders gefährdet, mehr als die Hälfte von ihnen muss im Krankenhaus behandelt werden.
  • Bester Schutz ist die Impfung und Einhaltung der empfohlenen Impftermine.
  • Alle Schwangeren sollten geimpft werden. Enge Kontaktpersonen von Neugeborenen sollen mindestens vier Wochen vor der Geburt eine Auffrischimpfung erhalten, sofern die letzte Keuchhustenimpfung länger als zehn Jahre zurückliegt.
  • Der Krankheitsverlauf lässt sich nur im Anfangsstadium durch Behandlung mit Makrolid­antibiotika beeinflussen. Danach kann eine Behandlung sinnvoll sein, um Infektionsketten zu unterbrechen.

Therapie mit Makrolid-Antibiotika möglichst frühzeitig

Keuchhusten kann mit Antibiotika behandelt werden. Dauer und Heftigkeit der Hustenattacken lassen sich aber nur beeinflussen, wenn die Therapie frühzeitig, d. h. innerhalb der ersten zwei Wochen, begonnen wird. In dieser Zeit wissen jedoch viele noch gar nicht, dass sie an Keuchhusten erkrankt sind. Ein späterer Einsatz hat zwar keinen Effekt mehr auf den Krankheitsverlauf, kann aber dennoch sinnvoll sein (bis zu vier Wochen nach Hustenbeginn), um weitere Übertragungen zu verhindern. Fünf Tage nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie ist eine Weiterverbreitung nicht mehr zu befürchten. Ohne Therapie muss davon ausgegangen werden, dass der Erkrankte bis zu 21 Tage nach Beginn des Hustens ansteckend ist. Für die Therapie werden in der Regel Makrolid-Antibiotika eingesetzt. Langjährige Erfahrungen gibt es mit Erythromycin. Genauso wirksam, aber besser verträglich und einfacher in der Anwendung, sind Azithromycin und Clarithromycin. Während die empfohlene Anwendungsdauer für Erythromycin bei 14 Tagen liegt, sind mit Clarithromycin eine siebentägige und mit Azithromycin eine fünftägige Therapie ausreichend. Alternativ zu den Makrolid-Antibiotika kann Cotrimoxazol eingesetzt werden. Unterstützende therapeutische Maßnahmen sind ausreichende Flüssigkeitszufuhr, häufige kleine Mahlzeiten und das Vermeiden von Trigger-Faktoren, die Hustenanfälle auslösen (z. B. Racheninspektionen). Der Nutzen von Antitussiva, Sedativa, schleimlösenden Arzneimitteln, β-Sympathomimetika, Corticosteroiden und Antihist­aminika ist nicht durch kontrollierte Studien belegt.

Literatur

[1] RIVM, National Institute for Public Health and the Environment. Many serious cases of whooping cough among newborn babies in the Netherlands, 15. Februar 2024

[2] Child vaccination rate in The Hague „dangerously low“. 14. März 2024. www.dutchnews.nl

[3] Oversteegen M. Masern und Keuchhusten in den Niederlanden „Großer Ausbruch steht wirklich bevor, darüber mache ich mir große Sorgen. Rheinische Post, 21. März 2024

[4] Vor Reisen Impfstatus überprüfen. Pressemeldung des CRM ‒ Centrum für Reisemedizin, November 2023

[5] Keuchhusten. RKI-Ratgeber, Robert Koch-Institut, Stand 26. Februar 2024, www.rki.de

[6] Schönfeld V et al. Aktuelle Epidemiologie von Bordetella-parapertussis-Infektionen in Deutschland. Epid Bull 2023;33:3-14

[7] Wirsing von König CH, Riffelmann M. „Bordetella“. in Suerbaum S et al. Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer-Verlag 9. Auflage, 2020

[8] Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut. Epid Bull 2024;4:1-72

[9] Keuchhusten (Pertussis). Informationen des Österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Infektionskrankheiten-A-Z/Keuchhusten-(Pertussis).html

[10] Keuchhusten-Impfung. Informationen des Lungeninformationsdiensts, Abruf 17. April 2024, www.lungeninformationsdienst.de/praevention/impfen/pertussis-impfung

[11] Heininger U. Zertifizierte Fortbildung: Pertussis (Keuchhusten). Monatsschr Kinderheilkd 2020;168:747-759

[12] Keuchhusten (Pertussis) Krankheitsfälle in Deutschland. Nationale Lenkungsgruppe Impfen (NaLI), www.nali-impfen.de/monitoring-daten/krankheitsfaelle-in-deutschland/keuchhusten-pertussis/, Stand 1. Dezember 2023

[13] SURVSTAT@RKI 2.0. Informationen des Robert Koch-Instituts, https://survstat.rki.de/Content/Query/Create.aspx


Dr. Daniela Leopoldt, Apothekerin
redaktion@daz.online


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