Proteste in Hessen

Keine Befreiung von der Dienstbereitschaft erforderlich

24.06.2024, 12:15 Uhr

Wer sich am Protest in Hessen beteiligen will, braucht keine Befreiung von der Dienstbereitschaft. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)

Wer sich am Protest in Hessen beteiligen will, braucht keine Befreiung von der Dienstbereitschaft. (Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)


Der Hessische Apothekerverband will nicht nur auf Dialog setzen, um die Apothekenreform abzuwenden. Der Verband hat für Donnerstag und Freitag zu Apothekenschließungen aufgerufen. Eine Befreiung von der Dienstbereitschaft ist laut Info der Kammer dafür nicht erforderlich.

Am Donnerstag, den 27. Juni und Freitag, 28. Juni sollen in Hessen die Apotheken geschlossen bleiben. Zudem soll am Donnerstag auf dem Frankfurter Opernplatz eine Großkundgebung stattfinden. Hinter dem Aufruf steckt der Hessische Apothekerverband (HAV) und dessen Unmut über die geplante Apothekenreform. Der Verband will mit dem Protest einerseits ein Zeichen der Entschlossenheit setzen, sich gegen „diesen Todesstoß für einen ganzen Berufsstand entschieden“ wehren und andererseits soll es auch ein „deutlicher Appell an die Regierungskoalition in Berlin sein, dieses Vorhaben des Gesundheitsministers umgehend zu stoppen“.

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Aufgrund von Nachfragen einzelner Mitglieder hat sich nun die Kammer am vergangenen Freitag zur rechtlichen Einordnung der möglichen Teilnahme eines Apothekeninhabers geäußert. Aus Sicht der Kammer wäre die temporäre Schließung der nicht zum Notdienst eingeteilten Apotheken zum Zwecke der Teilnahme an einer Demonstration rechtlich nicht zu beanstanden – unter der Voraussetzung, dass die Versorgung der Bevölkerung während der dezentralen Demonstration wie im Notdienst gewährleistet sein muss. Die dienstbereiten Apotheken könnten also nur durch Reduzierung der Versorgung auf das im Notdienst zu gewährleistende Maß teilnehmen, heißt es in dem Schreiben. Anträge auf Befreiung von der Dienstbereitschaft seien, sofern eine Beteiligung an den Protestmaßnahmen beabsichtigt ist, für den 27. und 28. Juni 2024 nicht erforderlich. 

Demonstrationsrecht eines der zentralen Grundrechte

Begründet wird dies damit, dass nach Ansicht der Kammer „die (nicht genehmigte) Schließung einer öffentlichen Apotheke, soweit sie der Teilnahme an abgestimmten, zeit- und inhaltsgleichen Protesten diene, die an verschiedenen Orten, nämlich den Betriebsstätten, stattfinden, die gemeinsame, wenn auch dezentrale Kundgabe eines gemeinsamen Willens darstelle, also eine dezentrale Demonstration. Das Demonstrationsrecht sei eines der zentralen Grundrechte. Das werde lediglich eingeschränkt, durch die Grundrechte Dritter, sofern diese von überragender Bedeutung seien, schreibt die Kammer. Dies betreffe insbesondere Leib, Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen. Damit müsse die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch während der Demonstration ausreichend, nicht aber bequem gewährleistet sein. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts während des Notdienstes der Fall, so die Landesapothekerkammer.

Die Tatsache, dass die Apotheken zwei Tage geschlossen bleiben sollen, ändere angesichts des Ausmaßes der Änderungen, die das Bundesgesundheitsministerium am Apothekensystem plant, und deren schwerwiegender Konsequenzen, nichts an dieser Einschätzung.

Beim letzten Alleingang des HAV hatte die Kammer auf die Bremse gedrückt – am 2. Oktober 2023 hatte der Verband in Hessen bereits zu Apothekenschließungen und einer Kundgebung aufgerufen. Damals hieß es: Bliebe die Apotheke aber am Montag, den 2. Oktober geschlossen, wäre die Bevölkerung wegen des gesetzlichen Feiertags am Dienstag, den 3. Oktober von Samstag, 12 Uhr bis Mittwoch, 9 Uhr – also 3,5 Tage – auf eine Notversorgung angewiesen. Würde man die Grundrechte aller Beteiligten nun abwägen, überwiege in diesem Fall laut der Kammer das Versorgungsinteresse der Bevölkerung, hieß es damals. 

 

 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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