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Demonstration in Frankfurt
Hessen stellt sich gegen Lauterbachs Reformpläne
Zahlreiche Apothekenteams waren trotz sengender Hitze der Einladung des Hessischen Apothekerverbandes (HAV) nach Frankfurt gefolgt, um dort auf dem Opernplatz gegen die Reformpläne von Minister Karl Lauterbach zu protestieren. Unterstützung gab aus der Landespolitik. Am Schluss standen die Apothekenteams trotzdem im Regen, im ganz wörtlichen Sinne.
Entgegen der ABDA-Linie, auf Dialog zu setzen, stehen beim Hessischen Apothekerverband die Zeichen auf Protest. So sind die Apotheken im Land aufgerufen, heute und morgen ihre Türen geschlossen zu lassen. Zudem fand am heutigen Donnerstag eine Protestveranstaltung auf dem Frankfurter Opernplatz statt. Apothekenteams aus ganz Hessen waren dem Aufruf zur Beteiligung gefolgt, darunter auch die Kammerpräsidentin Ursula Funke. Erster Redner war der Verbandsvorsitzende Holger Seyfarth, dessen Apotheke im Frankfurter Hauptbahnhof übrigens nicht geschlossen war. Er begründete dies mit Betreiberpflichten, während der Fußball-EM habe sein Vermieter, die Deutsche Bahn, einer Schließung nicht zugestimmt. Eine weitere seiner insgesamt vier Apotheken habe überdies Notdienst.
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Ihm sei unklar, was durch Apotheken ohne Apotheker, ohne Notdienst und ohne Rezeptur denn nun besser werden solle, sagte Seyfarth, dessen Rede immer wieder von Applaus und Rufen unterbrochen wurde. Zudem gibt es in seinen Augen noch viele Fragen. Zum Beispiel auf welcher Rechengrundlage das BMG auf die im Entwurf genannten 100 Zweigapotheken kommt, wo die sein sollen und wer die betreiben soll. Eine Antwort habe man darauf noch nicht erhalten. „Das zeigt,“ so Seyfarth, „dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.“
Der HAV-Vorsitzende machte dann einen „Schwenk“ ins Jahr 2019. Damals habe die große Koalition unter anderem für Fliesenleger und Rolladenbauer die Meisterpflicht eingeführt – aus Sicherheitsgründen. Dass es jetzt Apotheken ohne Apotheker geben soll, passt in seinen Augen nicht dazu. „Dagegen werden wir uns drastisch wehren“, so Seyfarth. Heut mache man in Frankfurt den Anfang. Er verwies auf die Bedeutung der Apotheker als letzte Kontrollinstanz. Diese letzte Sicherheitsstufe solle leichtfertig abgeschafft werden.
Auch der Ansatz am Personal zu sparen, gleichzeitig, aber neue Leistungen zu erbringen, ist für Seyfarth nicht schlüssig. Die geplanten Umverteilungen führten nämlich dazu, dass massenhaft qualifiziertes Personal freigesetzt werden müsste. „Das rechnet sich nicht mehr, mit der Absenkung des Fixums von zwei auf drei Prozent“, so der HAV-Vorsitzende. Es sei immer die Rede von einer Senkung um ein Prozent, in Wahrheit seien es aber 33 Prozent, die wegfallen, und das werde sich bemerkbar machen. „Hier muss der Minister nachbessern.“ Eine Antwort auf welcher Datengrundlage die Entscheidung für die Umverteilung getroffen wurde, sei das Ministerium noch schuldig. „Das ist ein sozialistischer Gedanke der Umverteilung, der Qualität und Arbeitsplätze kostet.“
Grundsätzlich könnten Apotheken die von Lauterbach vorgeschlagenen zusätzlichen Leistungen erbringen, dafür brauche es aber qualifiziertes Personal und das müsse man vernünftig bezahlen. Er ist sich sicher, dass alle Chefs oder Chefinnen die Teams an einer Honorarerhöhung, wenn es sie denn gibt, teilhaben lassen werden. „Die Mitarbeiter haben lange genug gewartet“, sagte er. Dabei verwies er auf Vorschläge, eine entsprechende Regelung ins Gesetz zu schreiben – unter anderem Schleswig-Holsteins Kammer-Präsident Christiansen und die Adexa hatten dies ins Spiel gebracht. Das könne man machen, man müsse es nur wollen. Angesichts der Steuereinnahmen von fast einer Billion Euro könne niemand erzählen, dass nicht ein paar 100 Millionen fürs Gesundheitssystem übrig seien, so Seyfarth weiter. Zudem könne er sich nicht vorstellen, dass alle Minister für das Gehalt von 2004 arbeiten.
„Der Minister muss nochmal gründlich über seinen Entwurf nachdenken“, schloss Seyfarth, „wir werden unseren Teil dazu beitragen und weiterkämpfen.“ Der „Kristallisationskeim“ sei gesetzt, sagte er, „um im pharmazeutischen Sprachgebrauch" zu bleiben.
Auf der Rednerliste standen dann Politiker*innen aus der Landespolitik, unter anderem die Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion im hessischen Landtag, Ines Claus, die die uneingeschränkte Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Gesundheitsministerin zusagte. Sie berichtete zudem von einem Brief, an Lauterbach. Darin habe sie erläutert, dass die 1400 Apotheken in Hessen ein unersetzbarer Bestandteil des Gesundheitssystems seien. Sie rief dazu auf, gemeinsam dafür so sorgen, dass das Gesetz in Berlin gestoppt werde. Aber auch Politiker*innen von den Grünen, FDP und der SPD stellten sich hinter die Apothekerschaft.
So sagte beispielsweise der gesundheitspolitische Sprecher der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, Yanki Pürsün: „Eine Apotheke ohne anwesenden Apotheker, also eine ‚Apotheke light‘, darf es nicht geben. Wir Freie Demokraten lehnen die Apothekenreform in der aktuell diskutierten Form ab, denn das Vorhaben des Bundesgesundheitsministeriums sichert weder die pharmazeutische Versorgung, noch stärkt es die Freien Berufe. Die vorgelegte Reform würde diese sogar schwächen und den Apotheker-Beruf entwerten. Dem Apothekermangel muss mit nachhaltigen und sinnvollen Lösungen begegnet werden, mit der jetzt diskutierten Form macht das Bundesgesundheitsministerium es sich zu leicht. Eine Absenkung der Versorgungsqualität darf nicht die Antwort auf das Problem sein.“
Nach etwas mehr als einer Stunde, als Matthias Körner, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, die Bühne betrat, brach ein Gewitter los. So standen die Apothekenteams im wörtlichen Sinne im Regen, obwohl auch er ihnen Unterstützung zusagte.
2 Kommentare
Protest
von Gregor Nelles am 29.06.2024 um 22:41 Uhr
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Apothekenschließungen in Hessen aus Protest
von Joachim Schulz am 28.06.2024 um 12:52 Uhr
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