Ein Jahr Wegovy in Deutschland

Semaglutid: vom Antidiabetikum zum Lifestyle-Arzneimittel

Stuttgart - 12.07.2024, 17:50 Uhr

Wie stark der gewichtsreduzierende Effekt von Inkretinmimetika ist, wurde insbesondere durch die Zulassungsstudien mit Semaglutid als Antidiabetikum deutlich. (Foto: Natalia/AdobeStock)

Wie stark der gewichtsreduzierende Effekt von Inkretinmimetika ist, wurde insbesondere durch die Zulassungsstudien mit Semaglutid als Antidiabetikum deutlich. (Foto: Natalia/AdobeStock)


Kein anderes Arzneimittel sorgte im Jahr 2023 für mehr Furore als das Antidiabetikum Semaglutid. Die Hintergründe dafür sind bekannt: Nicht die seit Jahren genutzte antidiabetische Wirkung des Inkretinmimetikums, sondern eine gewichtsreduzierende Aktivität, und die daraus resultierende Indikationserweiterung als Antiadipositum haben diese immense Aufmerksamkeit verursacht. Das entsprechende Fertigarzneimittel wurde vor gut einem Jahr zugelassen. 

Adipositas und starkes Übergewicht sind bekanntermaßen Risikofaktoren für vielfältige Pathologien. Das Körpergewicht und somit ebenfalls ein gefühltes Übergewicht besitzen aber auch eine starke psychosoziale Dimension. Vor dem Hintergrund eines immer stärker verbreiteten Übergewichts in der Bevölkerung einerseits und eines auf Idealformen und Dynamik gerichteten Normenbilds der Menschen in der Gesellschaft andererseits, ist es logisch nachvollziehbar, dass Semaglutid für viele als ein lang ersehntes Wundermittel erscheint, denn die Studiendaten zur Gewichtsreduktion der adipösen Patienten sind überzeugend. Stellt sich doch die Frage, warum dann nicht Semaglutid für alle, die ab­nehmen wollen?

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Erst Semaglutid-Hype, dann Engpass

Die negativen Auswirkungen dieser Bestrebungen haben im Jahr 2023 für Schlagzeilen gesorgt, dem Hype in den sozialen Medien folgten Engpässe in der Versorgung von Typ-2-Diabetikern mit Semaglutid sowie Fälschungen der Präparate und massive Off-label-Anwendungen. Dieser Hype erklärt sich aber auch mit einem Blick in das Indikationsgebiet der Antiadiposita. Denn als Appetitzügler (Anorektika) stehen für die Zusatzbehandlung zu veränderten Lebens- und Essgewohnheiten nur wenige Arzneistoffe zur Verfügung. Und diese sind auch noch mit unerwünschten Wirkungen verbunden oder wegen der Nebenwirkungen wieder vom Markt verschwunden, man erinnert sich an den Canna­binoid-Antagonisten Rimonabant. Semaglutid erscheint in diesem Kontext als Lichtblick, oder ist dies doch bloß eine vom Wunschdenken getriggerte Übertreibung? Die Tatsache, dass das renommierte Wissenschaftsjournal Science Semaglutid zum „Breakthrough of the Year 2023“ ernannte, deutet darauf hin, dass hinter Semaglutid aus pharmakologischer Sicht mehr als ein Hype in den sozialen Medien steckt. Dadurch wird ein neuer und zweiter Blick auf diesen Wirkstoff notwendig, und auf das riesige Potenzial der Inkretinmimetika überhaupt, das über die Diabetes- und Adipositasbehandlung hinausgeht.

Geschichte der Inkretinmimetika

Als Semaglutid im November 2018 von der EMA die Zulassung als Antidiabetikum (Ozempic®) erhielt (seit Januar 2020 in Deutschland auf dem Markt), war es nicht das erste Inkretinmimetikum in dieser Indikation. Bereits seit 2005 wurde dieses Prinzip therapeutisch verfolgt, und mit Liraglutid (Victoza®), Lixisenatid (Lyxumia®) sowie Dulaglutid (Trulicity®) befanden sich schon andere rekombinante Analoga des Glucagon-like Peptid 1 (GLP-1) auf dem Markt. Letzteres hatte dabei aufgrund seiner langen, dem Sema­glutid ähnlichen, Halbwertzeit, die eine einmal wöchent­liche subkutane Applikation ermöglicht, bereits eine große therapeutische Bedeutung in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2.

Rückblickend lässt sich resümieren, dass erst in Zeiten der rekombinanten Proteinarzneistoffe (2000er-Jahre) eine Idee therapeutisch verwirklicht werden konnte, deren Grundlagen schon vor ca. 60 Jahren aufgedeckt wurden. Bereits 1964 wurde die Erkenntnis publiziert, dass eine orale Glucose-Einnahme gegenüber einer gleichen Menge intravenös applizierter Glucose eine deutlich stärkere Insulin-Freisetzung bewirkt [1]. Postuliert wurden alimentäre Faktoren (Inkretine), die in den 1970er-Jahren in Form der beiden im Darm gebildeten Peptidhormone Glucose-abhängiges insulinotropes (Poly)-Peptid (GIP) sowie Glucagon-like-Peptid 1 (GLP-1) bewiesen wurden. Beide Peptide nehmen starken Einfluss auf den Kohlenhydratstoffwechsel und kontrollieren auf verschiedenen Ebenen die Glucose-Spiegel im Blut. Die Peptide sind aber extrem instabil und hydrolyseempfindlich und können daher selbst nicht als Arzneistoffe verwendet werden. Die rekombinante Herstellung stabilerer Peptidanaloga ‒ also der Inkretinmimetika ‒ eröffnete somit ein neues Prinzip insulinotroper Antidiabetika.

Betrachtet man die Wirkungen der Inkretinmimetika (s. Abb.) wird deutlich, dass neben verschiedenen Effekten zur Kontrolle und Normalisierung des Glucose-Haushalts (Steigerung der Insulin-Produktion in β-Zellen des Pankreas sowie deren erhöhte Proliferation, gesteigerte Insulin-Sensitivität und Glucose-Aufnahme in der Peripherie, Senkung der Gluconeogenese in der Leber), durch eine verlängerte Magenverweilzeit der Nahrung und durch eine zentrale Appetithemmung auch gewichtsreduzierende Effekte resultieren. Dies sind Effekte aller Inkretinmimetika, die nicht auf Semaglutid beschränkt sind. Auch Liraglutid (Saxenda®) wurde durch die EMA 2015 als ein Antiadipositum zugelassen.

Hinweis: Dieser Artikel ist ursprünglich am 29.4.2024 erschienen und wurde aktualisiert. 

Abb.: GLP-1-Analoga stimulieren glucoseabhängig die Insulin-Bildung und -Freisetzung in der Beta-Zelle des Pankreas. Über diese Wirkung bei Typ-2-Diabetes hinaus beeinflussen sie indirekt über die Zunahme der Insulin-Sekretion und die Abnahme der Glukagon-Sekretion den Stoffwechsel. Zusätzlich zu ihrer kardioprotektiven Aktivität verursachen die Inkretin-Mimetika durch neurale Effekte eine zentrale Hemmung des Appetits, welche durch eine Verlängerung der Magenverweilzeit der Nahrung zu Gewichtsverlusten führen kann.

Wie stark der gewichtsreduzierende Effekt von Inkretinmimetika ist, wurde insbesondere durch die Zulassungsstudien mit Semaglutid als Antidiabetikum deutlich. In einer Serie von Phase-III-Studien (SUSTAIN 1 bis 11), in denen Semaglutid gegenüber verschiedenen Vergleichspräparaten ([2], als Übersicht) die signifikante Wirksamkeit und Überlegenheit zur Senkung der HbA1c-Werte um bis zu absolut 1,8% bewies [3], verloren die Patienten gleichzeitig bei den gewählten wöchentlichen Dosierungen des Peptids von 0,5 mg bzw. 1 mg um bis zu 4,3 kg oder 6,4 kg an Körper­gewicht.

Phase-II-Studien mit Nichtdiabetikern

Es war also nur logisch, diesen Effekt jenseits der Diabetesbehandlung in den Vordergrund zu schieben. In verschiedenen Phase-III-Studien (STEP 1 bis 5) ließ Novo Nordisk Semaglutid in einer höheren Dosierung von 2,4 mg wöchentlich als Zusatz zu einer Lebensstiländerung (Bewegung und niederkalorische Ernährung) auf die Gewichtsreduktion an adipösen Patienten (BMI > 30 kg/m2) oder stark Übergewichtigen (BMI > 27 kg/m2) mit mindestens einer gewichtsabhängigen Risikoerkrankung (Hypertonie, Hyperlipämie, kardiovaskuläre Erkrankungen, obstruktive Schlafapnoe) untersuchen. In diesen Studien waren alle Probanden Nichtdiabetiker. In einem Zeitrahmen von 68 Wochen verloren die Studienteilnehmer um bis zu 16% ihres Gewichts, im Mittel 14,5% [4], während die Lebensstiländerung alleine nur ca. 2,4% Reduktion erbrachte. Dieses Ergebnis ist mit einem vergleichenden Blick in den pharmakologisch schwierigen, teilweise fragilen Sektor der Appetitzügler bemerkenswert und beflügelte daher die Ideen für weitere Erwartungen. Interessanterweise verbleibt die maximale Gewichtsreduktion, die bei Woche 68 erreicht wurde, bei Fortführung der Therapie bis zu Woche 104 auf dem gleichen Niveau (STEP-5-Studie), was zwar die Verträglichkeit und Wirkung dieser Anwendung über längere Zeiträume bestätigt, aber auch Limitationen offenbart [5].

Zulassung von Semaglutid als Antidiabetikum

Auf dieser Basis erhielt Semaglutid als Wegovy® (wöchentlich s.c. 2,4 mg) durch die EMA im Sommer 2022 die Zulassung als Antiadipositum zur Therapie der oben genannten Patientenpopulationen, explizit als Zusatz zum veränderten Lebensstil hinsichtlich Bewegung und Ernährung. Im Juli 2023 kam Wegovy® dann auf den deutschen Arzneimittelmarkt. Aber bereits vorher nahm die Off-label-Anwendung von Semaglutid zur Gewichtsoptimierung Normalgewichtiger oder gefühlt Übergewichtiger aus Lifestyle-Gründen richtig Fahrt auf. Da Wegovy® einen höheren Preis gegenüber einer vergleichbaren Dosis an Semaglutid in Ozempic® aufweist, wurde also auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Mitteln verstärkt auf Ozempic® zurückgegriffen, die Auswirkungen davon sind bekannt und sollen hier nicht noch einmal kriminalistisch adressiert werden. Den medizinischen Auswirkungen einer Semaglutid-­Anwendung außerhalb der in den Zulassungsstudien beschriebenen Patientenpopulationen wurde dabei allerdings wenig Beachtung geschenkt.

Ein Blick auf die Limitationen von Semaglutid

Es erscheint anhand der Studiendaten des STEP-Programms verlockend, die Gewichtsreduktion durch Semaglutid für alle zu fordern. Streng genommen gibt es bisher aber keinen klinischen Beweis zur Gewichtsabnahme von faktisch Gesunden, die in den Studien nicht eingeschlossen waren. Beweise gibt es aus individuellen Beschreibungen, die in den sozialen Medien natürlich für Furore sorgten. Semaglutid war in den Studien faktisch aber eine Ergänzungstherapie. Auch wenn man weiß (und die Studiendaten dies bestätigen), dass die Lebensstil-Änderung alleine deutlich weniger Gewichtsreduktion bewirkt, müssen beide Aspekte zusammen betrachtet werden.

Grundsätzlich muss erst einmal festgehalten werden, dass die Anwendung von Semaglutid zur Gewichtsreduktion eine Dauertherapie darstellt. In der STEP-4-Studie wurde untersucht, inwieweit sich das Unterbrechen einer Therapie auf den Gewichtsverlauf äußert. Wurde nach Therapiestart mit 2,4 mg Wegovy® in Woche 20 die Gabe unterbrochen, resultierte eine kontinuierliche Wieder-Zunahme an verlorenem Gewicht [6]. Dadurch wird die Wunschvorstellung zerstreut, Semaglutid nur bis zum Erreichen des „Traumgewichtes“ anzuwenden. Das heißt, eine begonnene Gewichtsreduktion muss mit einer dauerhaften Therapie sowie beibehaltener Lebensstiländerung fortgeführt werden.

Semaglutid ist wie alle aktiven Arzneistoffe mit einer Anzahl unerwünschter Wirkungen assoziiert, diese sind aus der Anwendung als Antidiabetikum hinlänglich bekannt. Hierzu zählen einerseits gastrointestinale Nebenwirkungen, aber auch die Gefahr des Auftretens einer Gallenblasenentzündung oder einer Pankreatitis. Schwerwiegende Fälle an Nebenwirkungen umfassen Darmverschlüsse sowie eine Gastro­parese. Ebenfalls wurden erhöhte Fallzahlen einer Retinopathie in den STEP-Studien gegenüber Placebo beschrieben.

Hinsichtlich aufgekommener Warnungen, dass unter Inkretinmimetika verstärkt Schilddrüsentumore auftreten könnten, wurde nach einer Überprüfung durch den Pharmakovigilanz-Ausschuss der EMA (PRAC) im Oktober 2023 Entwarnung gegeben. Der PRAC hat jedoch im Juli 2023 ein Überprüfungsverfahren gestartet, inwieweit Semaglutid in seiner Anwendung als Antiadipositum suizidale Tendenzen forciert. Eine US-amerikanische retrospektive Studie unter Einbeziehung von ca. 240.000 Patienten widerlegt jedoch einen solchen Zusammenhang [7].

Effekte auf die Pharmakokinetik anderer Arzneistoffe

Eines der Wirkprinzipien zur Gewichtsreduktion, die längere Verweildauer der Nahrung im Magen, kann auch für die Pharmakokinetik anderer Arzneistoffe massive Auswirkungen bedingen, sodass durch verminderte oder verzögerte Resorption, eine verstärkte Degradation von Arzneistoffen weitere Therapien beeinflusst werden. In diesem Kontext wird auch in einer aktuellen Studie auf die Gefahr der Aspiration von Mageninhalt bei operativen Eingriffen verwiesen [8], weswegen Patienten unter Inkretinmimetika längere Latenzzeiten vor OP-Eingriffen einhalten sollen.

Dieses ausgewählte Spektrum an Argumenten führt eindringlich vor Augen, dass die Anwendung von Semaglutid nicht in den Off-label-Bereich zur Lifestyle Gewichtsreduzierung ohne ärztliche Kontrolle und pharmazeutische Beratung gehört, da eine solche „Therapie“ mit schwerwiegenden Gesundheitskonsequenzen einhergehen kann.

Potenzial von Inkretinmimetika

Die vielfältigen Diskussionen und der Hype um Semaglutid haben im positiven Sinne dazu geführt, einen neuen Blick auf das immense Potenzial der Inkretinmimetika zu werfen.

Ein Impuls kommt vom Semaglutid selbst. Dieses konnte in einer weiteren Studie auch dadurch überzeugen, dass es bei übergewichtigen oder adipösen Nichtdiabetikern, die mit einem Alter > 45 Jahren kardiovaskuläre Vorerkrankungen aufwiesen, signifikant das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse um bis zu 20% senken kann [9]. Der Hersteller Novo Nordisk hat diesbezüglich einen Antrag bei der europä­ischen (EMA) und amerikanischen Zulassungsbehörde (FDA) für eine Indikationserweiterung von Wegovy® zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse bei atherosklerotischen Krankheiten gestellt. Die diesbezügliche Zulassungserweiterung ist in den USA (März 2024) bereits erfolgt, die Entscheidung für Europa steht noch aus und könnte dann auch Konsequenzen für die Erstattungsfähigkeit von Wegovy® mit sich bringen, die ja für die gewichtsreduzierende Therapie mit Wegovy® nicht besteht.

Die gleichzeitige Agonisierung von sowohl GIP als auch GLP-1 als ein sogenanntes Twinkretin verspricht noch effektivere Inkretinmimetika und wurde erstmals in Form von Tirzepatid (Mounjaro®) auf dem Markt eingeführt. Tirzepatid stellte seine antidiabetische Wirksamkeit im Phase-III-Studienprogramm SURPASS unter Beweis und zeigte dabei auch im Head-to-head-Vergleich mit Semaglutid eine signifikante Überlegenheit bei der Senkung der HbA1c-Werte der Patienten [10]. Tirzepatid erhielt im Oktober 2022 von der EMA die Zulassung als Antidiabetikum, in Deutschland ist Mounjaro® in dieser Indikation seit November 2023 auf dem Markt. Tirzepatid wird in einer Dosierung von bis zu 15 mg wöchentlich s.c. appliziert.

Wenig überraschend überzeugte Tirzepatid dann auch in den Studien zur Gewichtsreduktion in einem, dem oben genannten analogen Patientenkollektiv an Nichtdiabetikern. Im SURMOUNT-Studienprogramm konnten dosisabhängig Gewichtsabnahmen von bis zu 22% erzielt und damit Effekte des Semaglutids sogar übertroffen werden [11]. Aber analog zu diesem führt auch die Unterbrechung der Tirzepatid-Therapie (SURMOUNT-4-Studie) zu einem erneuten Wiederansteigen des reduzierten Körpergewichtes [12]. Nach Zulassung durch die EMA ist Mounjaro® seit Anfang 2024 auch in dieser Indikation in Deutschland verfügbar. Ein Blick in die Studiendaten verrät, dass durch Tirzepatid nahezu alle Parameter des deregulierten Lipidstoffwechsels der Patienten wieder verbessert werden. Man erreicht damit eine umfassende Normalisierung des Stoffwechsels, die man äußerlich „nur“ als Gewichtsabnahme erkennt, aber weitreichende Konsequenzen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat.

Diese Daten führen eindringlich vor Augen, dass die Inkretinmimetika – und nicht nur Semaglutid – sehr effizient und sogar kausal einem drängenden Gesundheitsproblem unserer Zeit, dem metabolischen Syndrom, in bisher nie gesehenen Art und Komplexität entgegenwirken können. Das Zusammenspiel eines deregulierten Glucose- und Lipid­stoffwechsels mit den Konsequenzen für das Herz-Kreislauf-System kann durch Inkretinmimetika umfassend adressiert werden, wie von bisher keiner anderen Arzneistoffgruppe.Dieses große Zukunftspotenzial der Inkretinmimetika zeichnet sich auch in den Bestrebungen ab, oral wirksame Mimetika zu entwickeln, die sich teilweise in weit voran­geschrittenen Untersuchungen befinden, wie z. B. der Wirkstoff Orforglipron in Phase-II-Studien zur Gewichts­reduktion [13].

Semaglutid ist kein Lifestyle-Arzneimittel

Semaglutid ist kein Lifestyle-Arzneimittel und sollte es auch nicht werden. Unser pharmazeutischer Sachverstand und insbesondere die pharmazeutische Beratung müssen dazu beitragen, dieses entstandene Zerrbild wieder etwas geradezurücken. Der Hype um Semaglutid hat aber auch eine Chance eröffnet, in der pharmazeutischen Beratung zur Gewichtsreduktion die Themen der Lebensstilveränderung als notwendigen Bestandteil einer solchen Therapie wieder stärker in das Bewusstsein zu rufen.

Ohne Zweifel aber hat uns das Beispiel Semaglutid das immense Potenzial der Inkretinmimetika als zukunftsträchtige Arzneistoffgruppe vor Augen geführt, die als Antidiabetika gestartet in umfassender Art den drängendsten Gesundheitsproblemen unserer Gesellschaft komplex begegnen können.

Nimmt man die Schlagzeile der Überschrift auf, wäre „Semaglutid – vom Antidiabetikum zum Lösungs­ansatz des metabolischen Syndroms“ richtiger, zumindest optimistischer. |

 

Literatur

 [1] Elrick H, Stimmler L, Hlad CJ, Arai Y. Plasma insulin response to oral and intravenous glucose administration. J Clin Endocrinol Metab 1964;24:1076-1082

 [2] A quick guide to the SUSTAIN trials. Übersicht des SUSTAIN-Studienprogramms, Springer Nature, https://diabetes.medicinematters.com/semaglutide/type-2-diabetes/a-quick-guide-to-the-sustain-trials/12206922

 [3] Aroda VR, Bain SC, Cariou B et al. Efficacy and safety of once-weekly semaglutide versus once-daily insulin glargine as add-on to metformin (with or without sulfonylureas) in insulin-naive patients with type 2 diabetes (SUSTAIN 4): a randomised, open-label, parallel-group, multicentre, multinational, phase 3a trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2017;5:355–366

 [4] Wilding JPH, Batterham RL, Calanna S et al. Once-Weekly Semaglutide in Adults with Overweight or Obesity. N Engl J Med 2021;384:11

 [5] Garvey WT, Batterham RL, Bhatta M et al. Two-year effects of semaglutide in adults with overweight or obesity: the STEP 5 trial. Nature Medicine 2022;28:2083-2091

 [6] Rubino D, Abrahamsson N, Davies M et al. Effect of Continued Weekly Subcutaneous Semaglutide vs Placebo on Weight Loss Maintenance in Adults With Overweight or Obesity. The STEP 4 Randomized Clinical Trial. JAMA 2021;325:1414-1425

 [7] Wang W, Volkow ND, Berger NA et al. Association of semaglutide with risk of suicidal ideation in a real-world cohort. Nature Medicine 2023;30:168-176

 [8] Sen S, Potnuru PP, Hernandez N et al. Glucagon-Like Peptide-1 Receptor Agonist Use and Residual Gastric Content Before Anesthesia. JAMA Surg 2024, publ. online doi:10.1001/jamasurg.2024.0111

 [9] Lincoff AM, Brown‑Frandsen K, Colhoun HM et al. Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes. N Engl J Med 2023;389:2221-2232

[10] Frías JP, Davies MJ, Rosenstock J et al. Tirzepatide versus Semaglutide Once Weekly in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2021;385:503-515

[11] Jastreboff AM, Aronne LJ, Ahmad NN et al. Tirzepatide Once Weekly for the Treatment of Obesity. N Engl J Med 2022;387:205-216

[12] Aronne LJ, Sattar N, Horn DB et al. Continued Treatment with Tirzepatide for Maintenance of Weight Reduction in Adults with Obesity. The SURMOUNT-4 Randomized Clinical Trial. JAMA 2024;331:38-48

[13] Wharton S, Blevins T, Connery L et al. Daily Oral GLP-1 Receptor Agonist Orforglipron for Adults with Obesity. N Engl J Med 2023;389:877-888


Prof. Dr. Gerd Bendas, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn
redaktion@daz.online


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