IT-Ausfälle bei CGM

„Ohne Facebook und unser Netzwerk wären wir aufgeschmissen gewesen“

22.07.2024, 13:45 Uhr

Mit diesem blauen Bildschirm sahen sich Windows-Nutzer weltweit konfrontiert. (Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire)

Mit diesem blauen Bildschirm sahen sich Windows-Nutzer weltweit konfrontiert. (Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire)


Vergangenen Freitag ging in vielen Apotheken nichts mehr. Rechner, auf denen die Software von CGM Lauer lief, ließen sich nicht hochfahren, lediglich ein blauer Bildschirm mit einer Fehlermeldung war zu sehen. Das Problem bestand weltweit bei allen Nutzern einer bestimmten Software, schuld war ein fehlerhaftes Update. Hilfe gab es für die Apotheken allerdings zumeist nicht vom Software-Haus, sondern aus dem Netzwerk.

„Ich habe Pharmazie studiert und nicht Informatik“, sagt Ingrid Schierle, die gemeinsam mit ihrem Mann die Storchen-Apotheke im bayerischen Gerzen betreibt. Es sei schon ein Ding, auf Admin-Ebene Befehle einzutippen. Sie konnte den Ausfall am vergangenen Freitag gegen 11 Uhr beheben, sagt sie. Allerdings nicht dank der Unterstützung ihres Softwareanbieters CGM Lauer. Sie habe die Anleitung von Marius Holzwarth, Geschäftsführer von Apotune, befolgt, die er in der inoffiziellen Lauer-Fischer-Facebook-Gruppe gepostet hat. Für den allerletzten Schritt habe dann ein Mitarbeiter einer befreundeten Apothekerin über WhatsApp-Video-Call geholfen. Lauer habe gegen halb fünf dann angerufen und erklärt es habe ein Update gegeben, möglicherweise komme es zu Störungen. „Ich habe unsere Ärzte über unser Problem informiert und sie gebeten, rosa Rezepte auszustellen, was sie auch gemacht haben. Darum sind bei uns nicht so viele Patienten wieder weggegangen“, berichtet sie. 20 bis 30 seien es aber schon gewesen, ein Teil sei am Samstag wiedergekommen, viele aber auch nicht. Ein Arzt habe sich zunächst auch geweigert, Papierrezepte auszustellen. Aus Angst vor Regressen. „Nachdem ich ihm erklärt habe, dass Papierrezepte genau für solche Fälle da sind, hat er es dann doch getan", so die Apothekerin. Schierles Fazit: „Ohne Facebook, WhatsApp und unser Netzwerk wären wir aufgeschmissen gewesen. Es war megastressig.“

Auch Sebastian Lugmair, Inhaber der Isen-Apotheke in Ampfing, fand Hilfe im Netzwerk: Er sei ab Freitagmittag wieder funktionsfähig gewesen, dank der Hilfe aus dem Facebook-Forum („Inoffizielle CGM LAUER WINAPO®-64 und UX - Nutzer-Gruppe“). Marius Holzwarth von Apotune habe Mega-Support geleistet. Die Gruppe sei Gold wert. Als CGM dann selbst einen „Workaround“ veröffentlichte, hatten viele das Problem schon gelöst. 

„Für uns war es selbstverständlich zu helfen“

Geschichten wie die von Ingrid Schierle und Sebastian Lugmair finden sich in den sozialen Netzwerken vielfach. Marius Holzwarth selbst sagt gegenüber der DAZ, er habe vor allem eine Lösung gesucht, weil auch seine Kunden Probleme hatten, unter anderem sein Bruder. So habe er relativ schnell einen Workaround entwickelt, den ja später das Cybersicherheitsunternehmen Crowdstrike, das mit einem Update seines Antivirenprogramms Falcon das IT-Problem am Freitag verursacht hatte, auch selbst veröffentlicht habe. Ihm sei wichtig gewesen, dass die Anleitung auch für Laien umsetzbar ist und nicht zu technisch. Etwa 200 Apotheken hat er so geholfen, schätzt er. „Mir hat es ja auch Spaß gemacht und alle waren dankbar“, erklärt er. Viele Kollege*innen haben über Facebook erklärt, sich erkenntlich zeigen zu wollen. Holzwarth ist gespannt, ob sein Team nun von Süßigkeiten überhäuft wird. Für ihn und sein Team sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen zu helfen. „Ein bisschen wie bei einer Flutkatastrophe, wo selbstverständlich alle anpacken“, sagt Holzwarth. Auch der Zusammenhalt unter den Apotheker*innen habe ihn beeindruckt: „Technisch versiertere Apotheker*innen haben anderen per Video-Call geholfen“, erzählt er.

Unglückliches Timing

Ausgelöst wurde der Ausfall durch ein fehlerhaftes Update der US-Sicherheitsfirma Crowdstrike. Das Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Texas hatte im Laufe des Freitag bestätigt, dass es zu Abstürzen des Betriebssystems Microsoft in Zusammenhang mit dem firmeneigenen Antivirenschutz Falcon gekommen sei. Das Ereignis legte nicht nur Apotheken lahm, sondern auch Flughäfen, zum Beispiel den BER, große Konzerne, wie Mercedes, Krankenhäuser, Supermärkte und Fernsehsender. Insgesamt 8,5 Millionen Systeme sollen weltweit betroffen gewesen sein. Zeitgleich wies Microsoft noch auf einen Konfigurationsfehler bei seinen Azure-Servern hin. Ob und wie diese Ereignisse zusammenhängen, ist unklar. Für CGM war das Timing denkbar unglücklich: Das betroffene System wurde erst vor kurzem ausgerollt.

Bei CGM Lauer wurde auch am Montag noch an den Nachwirkungen des Ausfalls gearbeitet. „Ein geringer Anteil der betroffenen Apotheken konnte für einen individualisierten Support durch unser Team auch über das Wochenende noch nicht erreicht werden. Auch hierbei streben wir unter Hochdruck eine schnellstmögliche Lösung an", erklärte Alexander Rackwitz, Kommunikations-Manager der CGM-Gruppe, „unser personell erweitertes Service-Center stand und steht bei der Entstörung zur Seite." 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Selbst Schuld

von Andreas Müller am 26.07.2024 um 16:55 Uhr

Bei einem Standard Windows-Desktop kann man keine Hochverfügbarkeit von 99,99 % erwarten. Die hat CGM Lauer auch sicherlich nicht garantiert. Blockierende Fehler können nicht vollständig ausgeschlossen werden. Wenn man Systeme ohne Hochverfügbarkeit einsetzt, muss man bei schwerwiegenden Fehlern zwangsweise mit mehreren Stunden, wenn nicht Tagen Ausfall rechnen. Höchverfügbarkeit ist mit speziellen Konfigurationen auch mit Windows möglich, nur müsste man dafür halt weitaus tiefer in die Tasche greifen.

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