RKI-Leaks

Vollständige Protokolle des Corona-Krisenstabs veröffentlicht

Berlin - 26.07.2024, 16:45 Uhr

Flächendeckende Testungen in der Pandemie wurden offenbar nicht von allen Experten des RKI-Krisenstabs befürwortet. (Foto: IMAGO / Panthermedia)

Flächendeckende Testungen in der Pandemie wurden offenbar nicht von allen Experten des RKI-Krisenstabs befürwortet. (Foto: IMAGO / Panthermedia)


Die Protokolle des Corona-Krisenstabs wurden erstmals vollständig und komplett ungeschwärzt veröffentlicht. In einigen Passagen wird deutlich, dass das Bundesgesundheitsministerium versucht hatte, die Entscheidungen der Expert*innen zu beeinflussen. Dennoch: Für den großen Skandal liefern auch die neuesten Veröffentlichungen keine Grundlage.

Die Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) aus den Jahren 2020 bis 2023 wurden an diesem Dienstag vollkommen ungeschwärzt veröffentlicht. Das RKI äußerte Kritik an der Veröffentlichung. Die Dokumente seien ungeprüft, ob es sich um die authentischen Protokolle handle, sei nicht geklärt. Zudem würden die persönlichen Rechte von Dritten verletzt, gemeint sind Mitarbeiter*innen des Instituts und sonstige Sitzungsteilnehmer*innen, deren persönliche Daten, sowie „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ in den bisherigen Veröffentlichungen der Protokolle geschwärzt geblieben waren.

Das RKI plane weiterhin eine eigene Veröffentlichung der noch ausstehenden Protokolle, sobald die Drittbeteiligung der beteiligten Personen abgeschlossen ist, teilte das Institut mit. Ende Mai hatte das RKI selbst bereits Protokolle des Krisenstabs aus der Zeit von Januar 2020 bis April 2021 veröffentlicht, allerdings waren hier noch persönliche Daten von Beteiligten geschwärzt. Die Protokolle der folgenden Monate bis zum Pandemie-Ende sollten später ebenfalls veröffentlicht werden, sobald die Drittbeteiligung der involvierten Personen abgeschlossen sei, teilte das RKI damals mit.

Politische Einflussnahme auf das RKI

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte infolge der ersten Veröffentlichung von Teilen der RKI-Protokolle im März dieses Jahres bekundet, dass es keine politische Einflussnahme auf die Entscheidungen des RKI während der Pandemie gegeben habe. Zumindest in diesem Punkt wirft die aktuelle Veröffentlichung ein anderes Schlaglicht: Laut der „Zeit“ belegt ein Protokoll vom 10. September 2021, dass auf „ministerielle Weisung“ Anpassungen bei den Vorgaben zu Antigen-Testungen durch das RKI vorgenommen worden seien. Die Einflussnahme wurde seitens des Protokollanten als „ungewöhnlich“ vermerkt, deren Legitimation sei seitens der RKI-Mitarbeiter*innen hinterfragt worden. Man sei zu dem Ergebnis gekommen, dass „einer ministeriellen Weisung zur Ergänzung dieser Empfehlung nachgekommen werden muss, da das BMG die Fachaufsicht über das RKI hat und sich als Institut nicht auf Freiheit der Wissenschaft berufen kann. Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“ Auch an weiteren Stellen sei eine zumindest versuchte Einflussnahme durch das BMG belegbar. Allerdings machten die Dokumente auch deutlich, dass die RKI-Mitglieder das als Problem wahrnahmen und auch versuchten sich der Bevormundung zu entziehen.

In der „Zeit“ wird auf die Aussagen eines ehemaligen Mitglieds des RKI-Krisenstabs verwiesen: Demzufolge habe eine politische Beeinflussung vor allem auf der „Arbeitsebene“, bei Mitarbeiter*innen unterhalb des Führungsstabs stattgefunden. Doch auch hier habe es Widerstand gegeben. Unterm Strich seien die Empfehlungen des RKI auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen worden „und nicht, weil es jemand im Bundesgesundheitsministerium so wollte“, so der Insider.

„Pandemie der Ungeimpften“

Weiteren Raum für Spekulationen eröffneten Aussagen des Virologen Christian Drosten aus den Protokollen: Angeblich hatte er ein wissenschaftliches Statement zurückgehalten, da dieses den Aussagen der Regierung widersprochen habe. Dabei ging es um wiederholte Aussagen des damaligen Gesundheitsministers Spahn (CDU), der behauptet hatte, das Infektionsgeschehen werde vor allem von den Ungeimpften vorangetrieben. Dem widersprach Drosten am 5. November 2021: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei“, heißt es in den Protokollen. Auch in Bezug auf die flächendeckenden Testungen zeigte sich Drosten damals kritisch, wie „tagesschau.de“ am Donnertag berichtete.

Allerdings ist es wohl nicht so, dass Drostens dissonante Äußerungen verschwiegen wurden, was infolge der Veröffentlichung behauptet wurde. Vielmehr hatte er selbst in einem Gastbeitrag bei der „Zeit“ vom 5. August 2020 seine Ansichten und die punktuelle Kritik an den Maßnahmen geäußert.

Lauterbach verteidigt Spahn

Die Vorwürfe, Spahn habe entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen die Ungeimpften als Pandemietreiber beschuldigt, versuchten sowohl der ehemalige Gesundheitsminister als auch sein Nachfolger Lauterbach zu entkräften. Über einen Sprecher ließ Spahn der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ mitteilen, er halte die Widersprüche für „konstruiert“. Die Aussage habe den Umstand im Blick gehabt, dass während der ersten Corona-Wellen ungeimpfte Personen vermehrt auf den Intensivstationen gelandet waren: „Herr Spahn hat dabei stets betont, dass Impfen eine persönliche und freie Entscheidung ist, aber auch Konsequenzen für andere hat, unter anderem durch eine Überlastung des Gesundheitssystems“, heißt es.

Das sieht auch Lauterbach so. Er schrieb am Mittwoch auf dem Nachrichtenportal „X“: „Pandemie der Ungeimpften [...]. Die Formulierung war zugespitzt. Aber vor Omicron belegten eben besonders die Ungeimpften die Intensivstationen…“

Veröffentlichung durch Verschwörungsideologen

Veröffentlicht wurden die RKI-Protokolle von einer Gruppe um die Journalistin Aya Velázquez. Nach eigener Angabe hatte sie die Dokumente von „eine:r Whistleblower:in“ des RKI erhalten. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sie die getroffenen Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung kritisiert, und sah hier gezielte psychische Manipulation der Bevölkerung durch die Mächtigen. Über die versuchte Stürmung des Reichstags durch Querdenker und Rechtsextremisten am 29. August 2020 hatte sie einen Film veröffentlicht, der belegen sollte, dass diese vom Verfassungsschutz und den Medien „inszeniert“ worden sei.

Auch der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg gehört zu der Gruppe, die für die aktuelle Veröffentlichung verantwortlich sind. Er war während der Pandemie im Rahmen von Demonstration im Umfeld der „Querdenker“ aufgetreten. Auf einer dieser Veranstaltungen hatte er behauptet, es gebe deutliche historische Parallelen zwischen den Anti-Corona-Maßnahmen und der Machtergreifung der Nationalsozialisten, wie die Süddeutsche Zeitung am 14. Mai 2020 berichtete. Die „Eliten“ hätten gewusst, dass der Virus völlig ungefährlich sei, eigentlich ging es um die bewusste Einrichtung einer „Diktatur“, behauptete Homburg damals.

Für derartige Behauptungen liefern auch die nun vollends entschwärzten Protokolle keine Belege.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Coronamaßnahmen

von Christoph Griessner am 30.07.2024 um 17:19 Uhr

Die Coronazeit hat vieles offenbart. Viele haben sich als Duckmäuser und Pseudoexperten entlarvt. Weiterhin auf falschen Standpunkten zu verharren und Maßnahmen und Präparate zu verteidigen, die unzähligen Menschen geschadet haben, ist ein umso deutlicherer Beweis für Mangel an fachlichem Wissen (und eine Weigerung sich dieses Wissen in den letzten vier Jahren anzueignen) oder eine (aus welchen Gründen auch immer) bewußte Herbei- und Fortführung menschlichen Leids. Übertragung konnte durch die "Impfung" nie verhindert werden, das hat Pfizer im Europaparlament zugegeben. Alle auf einem behaupteten, aber nie vorhandenem Schutz vor Ansteckung durchgeführten Maßnahmen waren daher bewußt willkürlich, ungerechtfertigt und die sich daraus ergebenden Schäden aller Art können nicht als zum Schutz der Gesundheit gerechtfertigt werden. Man muß nicht an eine Verschwörung glauben, um unwissenschaftliches Handeln zu erkennen. Man muß schlicht und einfach die jeweilige Materie verstanden haben. In dieser Hinsicht hat ein großer Teil der sogenannten Experten kläglich versagt. Schon aus den Zulassungsstudien war ersichtlich, daß mehr Schaden als Nutzen resultieren würde. Die mit einer anderen Methode hergestellten Präparate, die ausgeliefert wurden, haben ein noch schlechteres Nebenwirkungsspektrum. Die Aussetzung der Qualitätskontrolle und die unwissenschaftliche und ungenügende Erfassung der Schäden sollten jeden, dem die Gesundheit seiner Mitmenschen am Herzen liegt, hellhörig werden lassen. Jeder Mensch kann sich irren, im Irrtum zu verharren und Menschen, die einem vertrauen und auf einen angewiesen sind, weiterhin zu schaden bzw. einen Risiko auszusetzen, kann man nur als verbrecherisch bezeichnen. In einem kurzen Kommentar kann man nicht alle der zahlreichen und offenbar bewußt getroffenen Fehlentscheidungen durchbesprechen. Jemand, der für die Apithekerzeitung schreibt, sollte das Wohl der Menschen vor speichelleckerischer Anbiederung an Minister und Pharmaindustrie stellen. Anstatt die relevanten Punkte einen nach dem anderen durchzugehen, wird über "Stürmung des Reichtstages" geschrieben. Wenn der Herr Redakteur schon die Nationalsozialisten ins Spiel bringen will, dann sollte er auch erwähnen, daß eine derart umfassende und existenzzerstörerische Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Möglichkeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen in Friedenszeiten nicht stattgefunden hat. Rechtsextremismus unterstellt meines Wissens nach Gewalt und bisher sind mir eigentlich nur Beispiele für Gewaltanwendung (und zwar oft unnötig stark oder ungerechtfertigt) im Auftrag der Regierung bekannt. Bitte verlinken sie entsprechende Aufnahmen auf denen Beispiele für gewalttätige "Querdenker und Rechtsextremisten" zu sehen sind.
Da "während der ersten Coronawellen" alle Patienten ungeimpft waren, stellt diese Tatsache keine Rechtfertigung für eine behauptete "Pandemie der Ungeimpften" dar.
Im RKI war bekannt, daß es für Masken keine wissenschaftliche Rechtfertigung im "Community setting" gibt. Ebenso war bekannt, daß zum Zeitpunkt der Verhängung des Lockdowns im Grippenetzwerk praktisch keine PCR-Test-positiven Coronafälle gab. Es gab keine ausreichende Begründung für die Hochstufung des Risikos und die Erlassung der Maßnahmen. Es gibt keine Evidenz für Wirksamkeit der Impfung und keine ausreichenden Daten zur Sicherheit der Impfung. Das ergibt sich u. a. aus den Dokumenten des RKI. Das Niederknüppeln von Demonstranten, das Hetzen gegen Leute, die mit der totalitären Politik der Regierung nicht einverstanden waren, Geld-und Gefängnisstrafen, Impfopfer etc. etc. stellen sehr wohl Gründe dar, die Veranlasser dieser Maßnahmen zur Verantwortung zu ziehen.
Unrecht bleibt Unrecht und ob Leute, die die Unrecht anprangern, dahinter eine Verschwörung vermuten oder nicht, ist zunächst unerheblich, wenn es um die Ahndung geht. Falls sich Hinweise auf Absprachen o. ä. finden, kann dem nachgegangen werden. Dir RKI-Protokolle bestätigen jedoch die Kritiker in allen wesentlichen Punkten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Coronamaßnahmen

von Michael Weigand am 01.08.2024 um 12:43 Uhr

Da Ihr Artikel sehr lang ist und doch recht viele Aussagen enthält, mlöchte ich mich nur auf ein paar Aussagen konzentrieren.
1. Da Sie die Experten kritisieren, wäre es schön, wenn Sie selbst Ihre eigene Qualifikation zur Beurteilung IHRER Kompetenz erwähnen würden
2. Ich verweise mal am einfqachsten auf Zeitungsartikel aus einer Zeit, in der ich als kleiner Apotheker noch keinen Impfanspruch hatte. Jedem Experten war klar (und das steht im verlinkten Artikel, dass auch Geimpfte Patienten anstecken können. Um das Klarzustellen...was Lauterbach und CO für Unsinn erzählen, mag hier unerwähnt bleiben. Fakt ist aber, dass es öffentlich nachzulesen war, dass auch Geimpfte die Krankheit übertragen können....was hätten Sie gerne als nächstes widerlegt?

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/die-zweite-generation-122878/

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