Trimetazidin

Chinesische Schwimmer mit Herzbeschwerden bei Olympia?

29.07.2024, 15:30 Uhr

Doping ist bei den olympischen Schwimmwettbewerben ein Thema. (Foto: IMAGO / Xinhua)

Doping ist bei den olympischen Schwimmwettbewerben ein Thema. (Foto: IMAGO / Xinhua)


Am vergangenen Freitag wurden die olympischen Spiele in Paris eröffnet. Und Doping ist bereits wieder ein Thema. Hintergrund ist die Starterlaubnis für elf chinesische Schwimmer, die 2021 im Vorfeld der Spiele in Tokyo positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet wurden und nun trotzdem starten dürfen. Üblich sind vier Jahre Sperre. Doch was ist Trimetazidin eigentlich für ein Wirkstoff und warum wird er zu Dopingzwecken eingesetzt?

Trimetazidin wird als Zusatztherapie zur symptomatischen Behandlung von stabiler Angina pectoris eingesetzt bei Patienten, die durch eine antianginöse First-Line-Therapie nicht ausreichend eingestellt sind oder diese nicht vertragen. Es ist beispielsweise in Österreich unter dem Handelsnamen Vastarel® erhältlich. Man nimmt an, dass es vor Myokardischämie schützt, indem es die Geschwindigkeit des Glucoseabbaus erhöht. Es wird daher als „metabolic Agent“ bezeichnet. Laut Amino-Datenbank der Landesapothekerkammer Hessen besteht hinsichtlich der anti-ischämischen Effekte ein großer Unterschied zu den sonst im Notfall eingesetzten Stoffen wie Glyceroltrinitrat (reine Gefäß-Effekte). Am ehesten vergleichbar sei der Wirkstoff mit Ranolazin (Ranexa®), welches zur Ergänzungstherapie bei Angina pectoris zugelassen ist. 

Die antiischämische Wirkung beruht darauf, dass Trimetazidin eine Langketten-3-ketoacyl-CoA-Thiolase hemmt. Dadurch wird die Fettsäureverwertung verringert und, um das auszugleichen, der Glucoseverbrauch in den Zellen erhöht. Eine hohe Fettsäureverwertung im Herzen soll sich durch Natrium- und Kalzium-Überladung, die bei Ischämie ohnehin schon besteht, negativ auf die Durchblutung auswirken. Außerdem soll durch die Hemmung des Enzyms, wenn eine Ischämie vorliegt, ein zellschützender Effekt erreicht werden, und zwar auch in tieferen Gewebeschichten, wie in Muskelzellen.

2012 Indikationsbeschränkung

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hatte den Wirkstoff 2012 unter die Lupe genommen. Die Initiative dafür kam aus Frankreich. Die dortige Arzneimittelbehörde sah aufgrund methodischer Schwächen in den Studien die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt. Außerdem gab es Sicherheitsbedenken, nachdem über Parkinson-Symptome und Restless-Legs nach der Einnahme berichtet worden war und diese Beschwerden sich nach Absetzen gebessert hatten. Die EMA war in ihrem Review zu dem Schluss gekommen, dass beim Einsatz gegen Angina pectoris der Nutzen die Risiken überwiegt. Der sollte jedoch auf die Patienten beschränkt werden, die mit anderen Arzneimitteln ihre Angina pectoris nicht ausreichend kontrolliert bekommen oder andere Wirkstoffe nicht vertragen.

In der Vergangenheit wurde Trimetazidin auch zur Behandlung von Drehschwindel und Tinnitus sowie zur Behandlung von vaskulär bedingter Sehschwäche und Gesichtsfeldstörungen eingesetzt. Bei dieser Indikation kam die EMA zu dem Ergebnis, dass der Nutzen nicht mehr größer ist als die Risiken und das Anwendungsgebiet entsprechend eingeschränkt werden soll.

Seit 2014 im Sport verboten

Seit Januar 2014 wird Trimetazidin bei der Welt-Doping-Agentur WADA als verbotene Substanz gelistet. Neben Trimetazidin selbst können im Urin die Metaboliten wie desmethyliertes Trimetazidin und das entsprechende Sulfokonjugat, Oxo-Trimetazidin und Trimetazidin-N-Oxid nachgewiesen werden. Es wird vor allem im Ausdauer- und Kraftsport angewendet. Wie andere Stoffwechsel-Modulatoren soll Trimetazidin die Energie- und Sauerstoffversorgung der Muskelzellen auch bei intensivem Training gewährleisten und so den Aufbau von Muskelmasse unterstützen. Es gehört wie Meldonium, ein ebenfalls zu Dopingzwecken missbrauchtes Herzmittel, zur Gruppe S4 „Hormone und metabolische Modulatoren“.

Bei den Olympischen Spielen in Peking wurde die russische Eiskunstläuferin und Medaillenhoffnung Kamila Walijewa positiv getestet sowie 2021 im Vorfeld der Spiele von Tokyo 23 chinesische Schwimmer, von denen elf nun in Paris am Start sind. Im Gegensatz zu letzteren war Walijewa von der WADA für vier Jahre gesperrt worden. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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