Erste Fälle in Deutschland

Was wir über das Oropouche-Virus wissen

05.08.2024, 17:50 Uhr

Das Oropouche-Virus wurde erstmals 1955 in Trinidad und Tobago identifiziert. (Foto: LMspencer/AdobeStock)  

Das Oropouche-Virus wurde erstmals 1955 in Trinidad und Tobago identifiziert. (Foto: LMspencer/AdobeStock) 
 


Das RKI berichtet von den ersten beiden an Oropouche-Fieber Erkrankten in Deutschland. Vor allem für Schwangere könnte das Virus gefährlich sein. Könnte sich das Oropouche-Virus auch hierzulande ausbreiten? Und kann man sich mehrmals infizieren? Wir haben die wichtigsten Fakten zum Oropouche-Virus zusammengestellt.

Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet von zwei ersten an Oropouche-Fieber Erkrankten in Deutschland: zwei (voneinander unabhängige) Reiserückkehrer von Kuba aus Baden-Württemberg und Sachsen. Laut dem Epidemiologischen Bulletin 31|2024 entwickelten die Reisenden noch in der Karibik die für die Viruserkrankung typischen Symptome – Fieber, Kopf-, Gelenk-, Glieder- und Muskelschmerzen –, ein Patient zeigte zudem einen „stammbetonten viralen Hautausschlag“ [1]. Bei beiden Patienten verlief die Erkrankung klinisch unkompliziert. Erste Fälle in Europa hatten Italien und Spanien bei Reiserückkehrenden aus Brasilien und Kuba im Juni dieses Jahres gemeldet [2]. Dem RKI zufolge gibt es seit Ende 2022 in Süd- und Mittelamerika gehäuft Oropouche-Virus-Ausbrüche. Brasilien berichtet allein für das laufende Jahr 2024 bislang von mehr als 7.000 laborbestätigten Fällen – verglichen mit 836 in 2023 [1, 3]. Auch in Bolivien, Kolumbien und Peru steigen die Infiziertenzahlen, Kuba meldete den ersten Fall erst im Mai dieses Jahres [1, 3].

Warum gibt es plötzlich so viele Fälle? Ist es denkbar, dass Infizierte auch hierzulande über heimische Mücken das Virus an andere Menschen weitergeben? Die Deutsche Apotheker Zeitung hat recherchiert und wichtige Fragen zum Oropouche-Virus beantwortet.

Was für ein Virus ist das ­Oropouche-Virus?

Das Oropouche-Virus, benannt nach dem Oropouche-Fluss in Trinidad und Tobago, an dem es 1955 erstmals  identifiziert wurde, gehört zur Familie der Peribunyaviridae (Art Orthobunyavirus oropoucheense). Es ist ein behülltes Virus mit negativsträngiger RNA [(-)ssRNA-Virus], wie die meisten Virusspezies. Aufgrund der (-)-Polarität muss das Oropouche-Virus folglich eine RNA-Polymerase besitzen, die bei Virusvermehrung zunächst einen komplementären RNA-Strang bildet, der als mRNA dient und an dem Proteine translatiert werden können. 
 

Wie wird das Oropouche-Virus übertragen?

Die natürlichen Wirte des Oropouche-Virus sind Wildsäuger, wie Faultiere, und Vögel. Mittlerweile hat sich das Virus so angepasst, dass es auch auf Menschen übertragen werden kann, dies geschieht über Stechmücken oder Gnitzen (Bartmücken, Ceratopogonidae). Damit gehört Oropouche zu den Arboviren – Viren, die sich in Wirbeltieren vermehren und durch Moskitos, Sandfliegen, Zecken übertragen werden. Laut Sofia Moutinho, einer Journalistin, die sich in „Science“ ausführlich mit dem Virus, der Verbreitung und der verursachten Erkrankung beschäftigt hat, ist unklar, welche Insekten das Virus zwischen Primaten, Faultieren und Vögeln verbreiten, in städtischen Gebieten übertage jedoch Culicoides paraensis (Gnitze) die Krankheit von „Mensch zu Mensch“ [3]. Diese in Süd- und Mittelamerika für die Übertragung verantwortlichen Vektoren gibt es dem RKI zufolge in Europa nicht [1]. Eine Oropouche-Virus-Übertragung in Europa sei bislang nicht beobachtet, auch sei unklar, ob das das Virus durch einen europäischen Vektor übertragen werden könne, ergänzt das RKI.  
Auch wenn mit weiteren infizierten Reisekückkehrern aus süd- und mittelamerikanischen Ländern zu rechnen sei, hält das Robert Koch-Institut – zumindest momentan – es für „sehr unwahrscheinlich“, dass sich das Oropouche-Virus in Deutschland weiterverbreitet. Das RKI rät jedoch, dass Reiserückkehrende aus Risikogebieten sich mindestens zwei Wochen lang vor Insektenstichen schützen sollten, um die Möglichkeit einer Ausbreitung der tropischen Viren hierzulande zu reduzieren [1].

Welche Symptome sind typisch für Oropouche-Fieber? 

Das RKI beschreibt die Symptome bei einer klinischen Infektion mit dem Oropouche-Fieber „Dengue-ähnlich“ mit Fieber sowie Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Selten könne sich eine aseptische Meningitis oder Meningoenzephalitis entwickeln. In der Regel beginnen die Symptome vier bis acht Tage nach dem Stich und bleiben für fünf bis sieben Tage, bei schwerem Verlauf kann die Erholung mehrere Wochen dauern [4].

Oropouche-Virus: gefährlich für Schwangere? 

Im Juli 2024 kamen aus Brasilien Berichte über zwei schwangere Frauen, bei denen das Oropouche-Virus „mutmaßlich“ vertikal – das heißt auf das Baby – übertragen wurde: Beide Frauen erlitten Fehlgeburten (in Woche 8 und Woche 30 der Schwangerschaft) [5], genetisches Material des Oropouche-Virus lies sich mittels RT-PCR sowohl im Nabelschnurblut sowie in fetalen Gewebe (Gehirn, Leber, Nieren, Lungen, Herz, Milz) bei einem der beiden Babys (Fehlgeburt in SSW 30) nachweisen (bei dem anderen war eine Gewebeprobe nicht möglich, Fehlgeburt in SSW 8). Derzeit gibt es auch keinen nachweislich kausalen Zusammenhang zwischen einer mütterlichen Oropouche-Infektion und Fehlbildungen, jedoch Hinweise aus einer retrospektiven Analyse von Serum- und Liquorproben im Rahmen der Arbovirus-Forschung, bei der Wissenschaftler bei vier Neugeborenen mit Mikrozephalie IgM-Antikörper gegen das Oropouche-Virus im Serum und teilweise im Liquor gefunden haben [6]. Das RKI rät Schwangeren davon ab, in Infektionsgebiete zu reisen [1].

Kann man sich vor einer ­Oropouche-Infektion schützen? 

Derzeit gibt es weder spezielle antivirale Arzneimittel noch schützende Impfstoffe. Neben Ruhe und Flüssigkeitszufuhr können die Patienten symptomatisch fiebersenkende und schmerzhemmende Arzneimittel erhalten [4]. Der beste Rat aktuell ist ein konsequenter Mückenschutz: feinmaschige Moskitonetze an Türen, Fenstern, Betten sowie die Arme und Beine bedeckende Kleidung und Repellenzien mit DEET (Diethyltoluamid), Icaridin oder IR3535 (Ethylbutylacetylaminopropionat). Die Pan America Health Organization (PAHO) betont die erforderliche Feinmaschigkeit von Moskitonetzen, da die übertragenden Mücken sehr klein seien [4].

Kann man mehrmals an Oropouche-Fieber erkranken? 

Es gibt vier Genotypen, die beim Oropouche-Virus derzeit bekannt sind. Die PAHO geht davon aus, dass „bei einer Infektion mit einem beliebigen Genotyp Antikörper gebildet werden sollten, die vor einer erneuten Infektion schützen“ [4].

Abholzung und Klimawandel 

Eine Erklärung für den Vormarsch des „wenig bekannten Virus“, das in Südamerika die Gesundheitssysteme überfordern könnte, wie Sofia Moutinho im Fachjournal „Science“ schreibt, könnte die „Entwaldung sein, die die tierischen Wirte des Virus verdrängt und die dazu führen könnte, dass sich die Mücken von Menschen statt von Tieren ernähren“, erklärt die Journalistin weiter [3]. Es gebe „an mehreren Orten, an denen das Virus in Südamerika nachgewiesen wurde, … durchweg Muster der Abholzung“, kommt ein Epidemiologe von der Internationalen Universität SEK in Quito, Ecuador, Daniel Romero-Álvarez, zur Wort. Der Klimawandel mit höheren Temperaturen beschleunige zudem die Reifung der Mücken, und vermehrte Regenfälle mit Überschwemmungen sorgten für mehr stehende Gewässer, die Insekten für die Vermehrung nutzten [3]. Das RKI ergänzt, dass außerdem bessere Laborkapazitäten sowie eine erhöhte Aufmerksamkeit Infektionswellen und deren Erreger umfassender erkennen lassen [1]. 

Literatur 
[1] Lachmann R, Meincke M, Grünewald T, Brockmann S, Frank C, Schmidt-Chanasit J, Wilking H. Erste Oropouche-Fieber-Fälle in Deutschland unter Reiserückkehrenden aus Kuba. Epid Bull 2024;31:12-14, DOI 10.25646/12471 
[2]  Sacrocuore Confermato dall‘IRCCS di Negrar il primo caso importato in Europa di febbre di Oropouche (17. Juni 2024). Abruf: 5. August 2024, www.sacrocuore.it/news/diagnosticato-dallirccs-di-negrar-il-primo-caso-in-europa-di-febbre-di-oropouche/ ;
[3] Moutinho S. A little-known virus on the rise in South America could overwhelm health systems (5. Juni 2024), Abruf am 5. August 2024, www.science.org/content/article/little-known-virus-rise-south-america-could-overwhelm-health-systems ;
[4] PAHO: Pan America Health Organization: Q&A – Oropouche fever (24.07.2024), Abruf am 5. August 2024, www.paho.org/en/news/24-7-2024-qa-oropouche-fever ;
[5] ECDC: European Centre for Disease Prevention and Control: Communication Disease Threats Report, Week 30 (20.-26. Juli 2024), www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/2024-WCP-0039 Final.pdf 
[6] PAHO: Pan America Health Organization: Epidemiological Alert Oropouche in the Region of the Americas: vertical transmission event under investigation in Brazil - 17. Juli 2024, www.paho.org/en/documents/epidemiological-alert-oropouche-region-americas-vertical-transmission-event-under ;


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.