WHO überprüft datenlage

Erneuter Gesundheitsnotstand durch Affenpocken-Virus?

Stuttgart - 09.08.2024, 17:59 Uhr

Von Reisen in die Demokratische Republik Kongo und angrenzende Länder rät die WHO ab, da dort derzeit eine Mpox-Epidemie herrscht. (Foto: zelwanka/AdobeStock)

Von Reisen in die Demokratische Republik Kongo und angrenzende Länder rät die WHO ab, da dort derzeit eine Mpox-Epidemie herrscht. (Foto: zelwanka/AdobeStock)


Der Direktor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, hat in einer Videopressekonferenz aus dem Hauptquartier der WHO in Genf mitgeteilt, dass er wegen der in der Demokratischen Republik Kongo grassierenden Mpox-Epidemie (Monkeypox, deutsch: Affenpocken) den Ausschuss für die Feststellung eines „Public Health Emergency of International Concern“ einberuft.

Außer eher vagen Aussagen zu einer möglichen Ausbreitung des Mpox-Virus über das zentralafrikanische Land hinaus, wurden keine konkreten Gründe für die Einberufung des Expertengremiums genannt. Die einzige Aufgabe des Gremiums besteht darin zu überprüfen, ob es die Datenlage rechtfertigt, eine „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ festzustellen. Wird diese höchste Alarmstufe für Gesundheitsrisiken festgestellt, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Recht, Seuchenkontrollmaßnahmen in den betreffenden Ländern anzuordnen und deren Einhaltung zu überprüfen. Zur Bekämpfung einer durch einen hochinfektiösen Erreger verursachten Epidemie kann beispielsweise die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung durch einen Cordon sanitair (zu deutsch etwa "Gesundheitsband") eingeschränkt werden. 

Blick zurück 

Zur Erinnerung: Der erste nachgewiesene Fall einer Infektion mit dem Mpox-Virus Ib trat Ende 2023 bei einer Goldminenarbeiterin in der Region Süd-Kivu auf. Bis März 2024 betrug die Zahl der mittels PCR nachgewiesenen Mpox-Fälle 241. Die Epidemie war bis dahin auf den äußersten Osten des Kongo beschränkt. Da viele der Minenarbeiterinnen aus dem benachbarten Burundi stammten und regelmäßig zwischen ihren Heimatdörfern und den Minen hin- und herwanderten, schätzten Experten schon damals das Risiko einer regionalen Ausbreitung der Epidemie hoch ein (siehe Feldmeier H. "Mutierte Mpox-Viren lassen Fallzahlen steigen: Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo betrifft verstärkt Frauen". DAZ 2024, Nr. 20, S. 49). 
Da die Variante Ib nicht nur über Haut-zu-Haut-Kontakt, sondern auch bei Sex übertragen wird, hat der Erreger ein deutlich größeres Ausbreitungspotenzial als das ursprüngliche Mpox-Virus. Studien deuten zudem darauf hin, dass die Mpox-Variante Ib eine hohe krankmachende Eigenschaft besitzt. Eine leichte Übertragbarkeit zusammen mit einer hohen krankmachenden Wirkung sind die entscheidenden Faktoren, um eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite festzustellen.

Steigende Zahlen im Kongo 

Daten des Gesundheitsministeriums der Demokratischen Republik Kongo und der WHO zeigen, dass ab Mai die Zahl der Neuerkrankungen dramatisch zugenommen hat [1, 2]. In der ersten Maiwoche wurden 755 Erkrankungen labordiagnostisch bestätigt. Die Todesfallrate betrug 5,3%. Mpox-Fälle sind mittlerweile in 23 der 26 Provinzen dokumentiert. Zwischenzeitlich hat sich der Erreger auf die Nachbarländer der Demokratischen Republik Kongo ausgebreitet. Auch West- und Südafrika hat die Virusvariante bereits erreicht. Im 1500 Km entfernten In Nigeria sind bislang 858 Fälle dokumentiert. 
Nach dem durch die Mpox-Variante II verursachten Ausbruch in 2022 mit mehr als 90.000 gesicherten Erkrankungen in 117 Ländern hatte die WHO einen strategischen Rahmenplan zur Mpox-Bekämpfung entwickelt, der für alle Mitgliedsländer bindend ist. Dort wird auf 48 Seiten akribisch aufgelistet, welche Maßnahmen die nationalen Gesundheitsbehörden durchführen müssen, um Ausbrüche zu verhindern. 
Die erneute Mpox-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo zeigt, dass dort – und vermutlich auch in anderen zentralafrikanischen Ländern – der Masterplan gar nicht oder nur unzureichend umgesetzt wurde. Wohl deshalb sah sich jetzt die WHO gezwungen, das Expertenteam für die Ausrufung der „gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite“ erneut einzuberufen. 
Von Reisen in die Demokratische Republik Kongo und die angrenzenden Länder ist dringend abzuraten. Bei Reisen in andere afrikanische Länder mit Mpox-Erkrankungen – derzeit Benin, Ghana, Liberia, Kamerun, Kenia, Mosambik, Nigeria, Südafrika und Uganda – ist Vorsicht geraten.

Literatur 
[1] DR Congo: Rapport de la situation épidémiologiue de la variole simienne - sitrep no 1, 5-11 février 2024. United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), https://reliefweb.int/report/democratic-republic-congo/dr-congo-rapport-de-la-situation-epidemiologiue-de-la-variole-simienne-sitrep-no-1-5-11-fevrier-2024 ;
[2] Multi-country outbreak of mpox, External situation report#34- 28. Juni 2024. Informationen der World Health Organzatiojn (WHO), www.who.int/publications/m/item/multi-country-outbreak-of-mpox--external-situation-report-34--28-june-2024 ;
[3] Strategic framework for enhancing prevention and control of mpox- 2024-2027. Informationen der World Health Organzatiojn (WHO) 24. Mai 2024, www.who.int/publications/i/item/9789240092907 ;
 


Prof. Dr. Hermann Feldmeier


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