Interview zum Lieferengpass von Bicanorm und Nephrotrans

„Kein lebensnotwendiges Medikament“

28.08.2024, 07:00 Uhr

Prof. Julia Weinmann-Menke rät von der Einnahme von Bullrich Salz oder ähnlichen Produkten zur Überbrückung des Lieferengpasses von Bicanorm und Nephrotrans ab. (Symbolfoto: Pixelot / AdobeStock)

Prof. Julia Weinmann-Menke rät von der Einnahme von Bullrich Salz oder ähnlichen Produkten zur Überbrückung des Lieferengpasses von Bicanorm und Nephrotrans ab. (Symbolfoto: Pixelot / AdobeStock)


Mancherorts werden nicht magensaftresistente Arzneimittel als Überbrückung in der Behandlung einer metabolischen Azidose empfohlen. Prof. Julia Weinmann-Menke, Nephrologin und Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), sieht dies kritisch.

DAZ: Welchen Stellenwert haben die Präparate Bicanorm® und Nephrotrans® derzeit in der nephrologischen Praxis?
Weinmann-Menke: Man versucht damit, den Säure-Basen-Haushalt bei nierenkranken Patienten stabil zu halten. Aber die Evidenz ist nicht ausreichend, um eine allgemein gültige Empfehlung auszusprechen. In der Regel werden damit Patient­innen und Patienten behandelt, deren Nierenfunktion stark eingeschränkt ist, bei denen aber die Dialysepflicht noch hinausgezögert werden soll. Oder bei Patienten, die zwischen den Dialysesitzungen schlechte Werte haben.

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DAZ: Die Lieferschwierigkeiten halten an. Die Patienten haben große Angst vor einer Entgleisung. Wann wird diese Gefahr real?
Weinmann-Menke: Es handelt sich hierbei um keine lebensnotwendige Medikation. Chronisch nierenkranke Patienten, die stabil sind, könnten mehrere Wochen ohne Bicarbonat auskommen. Bei Lieferschwierigkeiten muss der Arzt priorisieren und vorrangig kritische Patienten versorgen, bei denen es eine Dialysepflicht zu verhindern gilt. Bei Patienten, deren Säure-Base-Haushalt drastisch entgleist ist, ist sowieso eine Krankenhausbehandlung oder gegebenenfalls eine Dialyseeinleitung notwendig. Dies würde durch diese Medikamente alleine nicht behandelt werden.

DAZ: Was halten Sie von der Empfehlung, vorübergehend traditionelle Arzneimittel wie Bullrich Salz® einzunehmen, falls keine magensaftresistente Formulierung zu beschaffen ist?
Weinmann-Menke: Bullrich Salz® oder Ähnliches zur Überbrückung einzunehmen, ist keine offizielle Empfehlung, denn es gibt dazu keine Daten. Ich würde davon abraten. Die Patienten würden ja auch kein Backpulver schlucken.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

Prof. Dr. med. Julia Weinmann-Menke von der Universitätsmedizin Mainz

Foto: Rimbach Mainz

ist Nephrologin und Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). Für sie stellen traditionell angewendete Arzneimittel keine Alternative zu Bicanorm® und Nephrotrans® bei einem Lieferengpass dar.


Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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