Thüringen

Protest gegen Lauterbach: Zusammen auf der Titanic

Erfurt - 28.08.2024, 19:35 Uhr


Mehrere hundert Teilnehmer versammelten sich an diesem Mittwoch in Erfurt, um gegen die Apothekenreformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu demonstrieren. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Lokalpolitikern und Apothekenteams aus anderen Bundesländern.

Brütende Hitze in der Erfurter Innenstadt, die Menschen flüchten sich in den Schatten, sitzen an diesem Mittwoch in Cafés und trinken Limonade, einen Cappuccino oder auch ein Bier. Aber auf dem Platz vor der Staatskanzlei in der Hauptstadt Thüringens haben sich Apothekenteams aus dem Bundesland versammelt, stehen bei Temperaturen um die 30 Grad da, halten Plakate hoch, machen Krach mit ihren Trillerpfeifen – sie demonstrieren gegen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Apothekenreform.

„Setzen wir ein Zeichen“, ruft der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbands, Stefan Fink, der Menge zu. „Wir kämpfen gemeinsam weiter, und zwar so lange, bis wir die Reform bekommen, die die Menschen in unseren beiden Freistaaten brauchen!“ Parallel wird in Dresden protestiert, über eine Leinwand wird die dortige Kundgebung übertragen.

Gekommen ist beispielsweise ein Team aus der Weimarer Atrium-Nord-Apotheke, die wegen des Protestes an diesem Mittwoch geschlossen ist. Sie wollen gegen die Apothekenreform und die Sparmaßnahmen demonstrieren, sagen sie.

Aber nicht nur Thüringer Apothekenteams demonstrieren in Erfurt. Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte eigens einen Shuttlebusservice eingerichtet. Der Bayerische Apothekerverband kündigte an, die Fahrtkosten seiner Mitglieder zu übernehmen, wenn sie nach Erfurt kommen.

Platz im Schatten

Auch aus Sachsen-Anhalt sind die Apothekenteams gekommen, auch hier hatte der Verband zur Teilnahme aufgerufen. „Die Apothekenreform darf so nicht verabschiedet werden“, sagt die Inhaberin der Westernplan-Apotheke in Magdeburg, Maja Michael. Sie und ihr Team haben sich einen etwas schattigeren Platz gesucht. Apotheke ohne Apotheker geht nicht, sagt Michael, und für eine bessere Wirtschaftlichkeit der Apotheken halte die Reform auch nichts bereit.

Laut Polizei sind etwa 600 Menschen bei der Demo, wie es vom Thüringer Apothekerverband gegenüber der DAZ heißt. Vielleicht ist das etwas großzügig geschätzt. Wie auch immer, die Magdeburgerinnen sagen, es hätten ruhig mehr sein können. So „verplätschert“ die Veranstaltung etwas, sagen sie, die Menschen in der Innenstadt würden nicht viel von dem Protest mitbekommen.

Zierath: „Wir wollen unsere Apotheker*innen nicht ersetzen!“

Auf der Bühne macht sich die Vorsitzende des Bundesverbands PTA, Anja Zierath, bereit. Auch sie erteilt den Plänen einer Apotheke ohne Apotheker eine Absage. PTA würden so reduziert auf Apothekeneinsparungen. „Wir wollen unsere Apotheker*innen nicht ersetzen“, ruft sie. „Wir brauchen Euch!“ Apotheken ohne Apotheker*innen seien wie Thüringen ohne Bratwurst. 

Sie macht deutlich: Nur mit einer Honorarerhöhung können auch PTA besser vergütet werden. Sie fürchtet, dass die Pläne Lauterbachs auf eine Zwei-Klassen-Apothekenlandschaft hinauslaufen.

Der Eisberg ist schon zu sehen

Vor einigen Wochen hatte sie gemeinsam mit HAV-Chef Holger Seyfarth erklärt, man sitze in einem Boot. Nun baut sie das Bild aus: Man sei zusammen auf der Titanic – und der Eisberg sei schon zu sehen. Nur im Zusammenschluss könne man versuchen, den Eisberg zu umschiffen.

Ramelow: Auf Apotheke vor Ort ist Verlass

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Partei die Linke) richtet ein Grußwort an die Versammelten. Er erinnert daran, dass man sich immer auf die Versorgung durch die Apotheke vor Ort verlassen könne – er nennt die Zeit der Corona-Pandemie als Beispiel. Die Apotheken seien ein „unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens“. Bei dem Versandhandel habe er da seine Zweifel.

Werner: „Sie sind da!“

Es folgt Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (ebenfalls die Linke). Auch sie schießt sich auf die Versender ein, sagt, Arzneimittelversorgung sei mehr als eine E-Mail-Adresse. „Sie sind da!“, ruft sie den demonstrierenden Apothekenteams zu. „Sie sind da, auch in schlechten Zeiten“.

Zwischendurch wird ihre Rede immer wieder unterbrochen. Die Verbindung mit Dresden macht Probleme.

Werner weist noch einmal darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber eine Pflicht gegenüber den Apothekerinnen und Apothekern habe. Er übergab ihnen mit der Arzneimittelversorgung eine hoheitliche Aufgabe und müsse nun für die vernünftigen Rahmenbedingungen sorgen. Zum Schluss fordert sie Lauterbach auf, diejenigen, die von seinen Gesetzen betroffen sind, auch in deren Ausarbeitung miteinzubeziehen.

Montag: FDP hat „vermurkste“ Reform aufgehalten

Auch ein Vertreter der FDP-Thüringen ist in Erfurt mit dabei. Robert-Martin Montag betritt die Bühne. Er hatte in den vergangenen Monaten mit einem alternativen Vorschlag zur Apothekenvergütung auf sich aufmerksam gemacht. Auch in Erfurt kommt er auf ihn zu sprechen.

Mit Blick auf den ausgebliebenen Kabinettsbeschluss erklärt, dass die FDP dafür gesorgt habe, dass die „vermurkste“ Reform aufgehalten wurde. Dem Bundesgesundheitsminister wirft er vor, es fehle ihm der „Praxisbezug“. Er verspricht: „Mit der FDP wird es keine Apotheke Light geben!“

Zum Schluss übergibt er Fink noch 150 Unterschriften für die vom THAV gestartete Petition, in der die kommende Landesregierung aufgefordert wird, sich gegen die Reformpläne Lauterbachs zu wenden. Die Unterschriften hat er auf dem FDP-Landesparteitag gesammelt, es seien auch welche von Bundestagsabgeordneten dabei, sagt er.

Nicht die letzte Veranstaltung

Unter den Zuhörern befindet sich auch Jan-Niklas Francke, der Vorsitzende des Apothekerverbands Rheinland-Pfalz. Es gibt also auch Unterstützung aus Bundesländern, die nicht direkt an Thüringen angrenzen. Er schätze die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in Thüringen und Sachsen, deswegen sei er da. Eine konstruktive Debatte mit der Politik könne es nur geben, wenn es eine deutliche Öffentlichkeit für die Apothekenthemen gebe.

Es werde nicht die letzte Veranstaltung sein, bei der man so zusammenkomme, ist sich Francke sicher. Die Aufgaben, die vor den Apotheken stehen, könnten unter den gegebenen Bedingungen nicht erfüllt werden. Er denkt unter anderem an die elektronische Patientenakte, das E-Rezept. Digitalisierung müsse auch für die Patienten erlebbar werden. Das gehe nur, wenn es in der Apothekenlandschaft nicht nur ein paar Leuchttürme, sondern eben eine flächendeckende Versorgung gebe.

Drei Stunden Heimweg

Die Veranstaltung neigt sich dem Ende zu, es ist bereits nach 17 Uhr. Das Schlusswort von Thomas Dittrich, dem Vorsitzenden des Sächsischen Apothekerverbands wurde ohne weitere Probleme übertragen und ist verklungen. Langsam machen sich die Apothekenteams auf den Weg. Auch das Team der Schwanen-Apotheke in Offenbach. Sie haben das Shuttlebus-Angebot des angenommen und sind zu zehnt in die Hauptstadt Thüringens gereist, weil sie unzufrieden mit der Situation der Apotheken sind, wie sie sagen. Drei Stunden dauerte ihre Reise nach Thüringen. Ihr Heimweg wird nicht sehr viel kürzer sein.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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