Vorübergehend kann der Menstruationszyklus verändert sein

Beeinflusst die COVID-19-Impfung die Periode?

30.08.2024, 07:00 Uhr

Zyklusveränderungen nach einer Impfung sind nicht nur bei Impfungen gegen COVID-19 zu beobachten. (Foto: Studio Romantic / AdobeStock)

Zyklusveränderungen nach einer Impfung sind nicht nur bei Impfungen gegen COVID-19 zu beobachten. (Foto: Studio Romantic / AdobeStock)


Seit der Einführung der Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 häufen sich Berichte über Zyklusunregelmäßigkeiten nach der Impfung. Daher sollte der Menstruationszyklus zukünftig in der Impfforschung stärker berücksichtigt werden. In einer US-amerikanischen Übersichtsarbeit haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die aktuelle Datenlage untersucht.

Der Menstruationszyklus beschreibt die zyklischen, hormonell beeinflussten Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut, die Reifung einer Eizelle im Eierstock und die damit verbundenen Veränderungen im Körper. Im Durchschnitt dauert ein Menstruationszyklus zwischen 25 und 35 Tagen. Er beginnt mit dem ersten Tag der letzten Periodenblutung und endet mit dem Tag vor der nächsten Blutung. Schwankungen sind keine Seltenheit und kommen in etwa 80% der Zyklen vor [1, 2, 4]. Der Menstruationszyklus gliedert sich in die Follikelphase, in der eine Eizelle heranreift, anschließend kommt es zum Eisprung, auch Ovulation genannt, bei dem die reife Eizelle aus dem Eierstock freigesetzt wird. Die Lutealphase beschreibt den Zeitraum nach dem Eisprung bis zum Einsetzen der Menstruation. Findet nach dem Eisprung keine Befruchtung statt, kommt es am Ende der Lutealphase zur Ablösung der Gebärmutterschleimhaut und zum Ein­setzen der Menstruationsblutung. Diese Blutung dauert im Durchschnitt drei bis sieben Tage, wobei Abweichungen möglich sind. Grundsätzlich gilt der Menstruationszyklus als Indikator für Gesundheit und Fruchtbarkeit [1, 2].

Neue Übersichtsarbeit schafft mehr Klarheit

Anekdotische Berichte, dass sich der Menstruationszyklus verändert, haben sich seit der Einführung der COVID-19-Impfstoffe gehäuft. So wurden Veränderungen der Blutungsdauer, der Blutungshäufigkeit, der Regelmäßigkeit und der Blutungsmenge beschrieben. Auch über atypische Blutungen, beispielsweise bei Personen in der Postmenopause, wurde berichtet. Die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema war jedoch zum Teil widersprüchlich und kausale Zusammenhänge waren oft schwer nachzuweisen [3].

Im Rahmen einer US-amerikanischen Übersichtsarbeit werteten Forschende die aktuelle Literatur aus, ob Veränderungen im Menstruationszyklus mit COVID-19-Impfungen zusammenhängen. Insgesamt schloss die Autorengruppe 53 Studien in ihre Auswertung ein. Dabei handelte es sich um elf prospektive Kohortenstudien, elf retrospektive Kohortenstudien und 31 Querschnitts- oder retrospektive Fall-Kontroll-Studien. Sowohl mRNA- als auch nicht-mRNA-Impfstoffe waren in den Studien vertreten.

Zykluslänge kann sich kurzfristig verändern

Die COVID-19-Impfung kann bei Erwachsenen vorübergehend zu einem längeren Menstruationszyklus führen. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob ein mRNA-Impfstoff oder ein Impfstoff auf Basis attenuierter Viren verwendet wurde. Dagegen scheint der Zeitpunkt der Impfung von bedeutend zu sein. Wird die Impfung in der Follikelphase, also vor dem Eisprung, verabreicht, ist es wahrscheinlicher, dass die Länge des aktuellen Zyklus beeinflusst wird. Eine Impfung, während der Lutealphase, also nach dem Eisprung, ist mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für Veränderungen der Zykluslänge assoziiert. Außerdem scheinen Personen mit einem längeren Zyklus anfälliger für impfbedingte Zyklusveränderungen zu sein. Obwohl vorübergehende und geringfügige Veränderungen der Zykluslänge für die medizinische und wissenschaftliche Fachwelt von geringer klinischer Bedeutung sind und keinen Handlungsbedarf nach sich ziehen, können sie Betroffene verun­sichern und das Impfverhalten beeinflussen [4].

Kein Einfluss auf Zyklus und Zwischenblutungen

Ein kausaler Zusammenhang zwischen der COVID-19-Impfung und einem unregelmäßigen Zyklus sowie Zwischenblutungen lässt sich aus den vorliegenden Studien jedoch nicht ableiten. Weder in einer schwedischen Kohortenstudie noch in amerikanischen oder britischen Studien konnte ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden.

Verstärkte Periodenblutung als Nebenwirkung

Wie Personen die Intensität und Menge der Periodenblutung bewerten ist subjektiv und kann variieren. Ein persönlicher Ausgangswert dient daher dazu, eine Veränderung zu be­urteilen. Einige Studien beschreiben nach einer COVID-19-Impfung stärker ausgeprägte Periodenblutungen, während andere Studien keine nachweisen konnten. Obgleich die Literatur insgesamt widersprüchliche Ergebnisse liefert, haben einige Hersteller eine starke Menstruationsblutung als mögliche Nebenwirkung ihrer mRNA-COVID-19-Impfung aufgeführt.

Menstruationsbedingte Schmerzen und Endometriose

Menstruationsbedingte Schmerzen treten im Bereich des Beckens auf und beginnen in der Regel um die Zeit der Periode. In der Literatur finden sich zum Thema Menstruationsschmerzen und COVID-19-Impfung zum Teil widersprüchliche Aussagen. Einige Studien beschreiben, dass Schmerzen mit der COVID-19-Impfung zusammenhängen, während andere dies nicht bestätigen können. Insbesondere scheinen Personen mit Endometriose nach der COVID-19-Impfung häufiger von Zyklusanomalien wie Schmerzen, Müdigkeit oder Zyklusunregelmäßigkeiten betroffen zu sein. Endometriose ist eine relativ häufige gynäkologische Erkrankung, bei der die Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter vorkommt und mit entzündlichen Prozessen einhergeht. Beschwerden wie Unterleibsschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen können im Rahmen einer Endometriose auftreten. Es gibt Hinweise darauf, dass Personen, die wegen einer Endometriose hormonell behandelt werden, nach einer COVID-19-Impfung weniger anfällig für Menstruationsbeschwerden sind. Dies deutet auf einen möglichen protektiven Effekt von Östrogen oder Gestagen hin.

Datenlage bei Jugendlichen, bei hormoneller Verhütung und nach den Wechseljahren

Insgesamt gibt es wenige Daten, wie eine COVID-19-Impfung sich auf den Zyklus von Jugendlichen auswirkt. Zwar deuten zwei Studien darauf hin, dass auch Jugendliche von bestimmten Zyklusveränderungen nach einer COVID-19-Impfung betroffen sein könnten, jedoch ist der Zyklus in dieser Population recht häufig unregelmäßig, sodass eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist. Menschen, die hormonell verhüten, scheinen insgesamt weniger von Zyklusveränderungen nach einer Impfung betroffen zu sein. Die hormonelle Kontrazeption kann unterschiedlich aussehen. Sie kann in der alleinigen Verabreichung von Gestagenen bestehen, aber auch in einer Kombination von Gestagen und Östrogen.

Obwohl die jeweiligen Arten nicht einzeln untersucht wurden, scheint eine Verhütung nur mit Gestagen mit einer erhöhten Blutungsmenge nach der Impfung verbunden zu sein. Östrogen-haltige Kontrazeptiva scheinen hingegen einen schützenden Effekt gegen Zyklusschwankungen nach der COVID-19-Impfung vorzuweisen.

Nach der Menopause, wenn die letzte Menstruation mindestens zwölf Monate zurückliegt, scheint ein erhöhtes Risiko für vaginale Blutungen nach einer COVID-19-Impfung vorzuliegen. Diese Information ist für postmenopausale Personen wichtig, um ein solches Ereignis als mögliche Nebenwirkung richtig interpretieren zu können [4].

Einfluss auf mögliche Schwangerschaften?

In einer Studie wurde untersucht, ob mRNA-Impfstoffe die Einnistung von Embryonen beeinflussen können. Unabhängig von der Anzahl der verabreichten Impfdosen konnte kein negativer Effekt auf die Embryoimplantation nachgewiesen werden. Die Rate erfolgreicher Implantationen und klinisch bestätigter Schwangerschaften war bei den mit mRNA-Impfstoffen geimpften und den nicht geimpften Kontrollgruppen gleich. Die Empfänglichkeit des Endometriums für die Einnistung einer Schwangerschaft scheint also durch die Impfung nicht beeinträchtigt zu werden [5].

Was sagt die Ständige Impfkommission?

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt Frauen mit Kinderwunsch sich gegen COVID-19 zu impfen, um einen schweren Verlauf während der Schwangerschaft vorzubeugen. Für ungeimpfte Schwangere sieht die STIKO eine Basisimmunität vor, die aus dreimaligem Kontakt mit dem Erreger selbst (Infektion) oder Bestandteilen des Erregers (Impfung) besteht, aber mindestens einer Impfung. Der optimale Impfzeitpunkt ist das zweite Trimenon. Auch wenn die erste Impfung vor der Schwangerschaft erfolgt ist, sollte die zweite Impfung in diesem Zeitfenster stattfinden. Alle zugelassenen mRNA- und Protein-basierten Impfstoffe, die auf die von der WHO empfohlenen Varianten angepasst wurden, können verwendet werden. Bisher waren das u. a. Omikron XBB.1.5 Impfstoffe. Zukünftig werden diese durch an JN.1 angepasste Impfstoffe abgelöst. Auch enge Kontaktpersonen können Schwangere mit einer Impfung vor Ansteckung schützen. Bei Stillenden gelten laut STIKO, unter Berücksichtigung vorliegender Erkrankungen, die gleichen Empfehlungen wie für die Allgemeinbevölkerung [7, 8].

Wie sieht es bei anderen Impfungen aus?

Zyklusveränderungen nach einer Impfung sind nicht nur bei Impfungen gegen COVID-19 zu beobachten. Bereits 1913 wurde ein Zusammenhang zwischen Zyklusveränderungen und der Typhusimpfung beschrieben. Auch Impfungen gegen das humane Papillomavirus (HPV-Impfung) und die Hepatitis-B-Impfung sollen den Menstruationszyklus beeinflussen. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Impfung das Immunsystem aktiviert und in der Folge zu Veränderungen im Zyklus führt. Die aktivierten Immunzellen im Endometrium können sowohl den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut als auch die Sekretion des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und des luteinisierenden Hormons (LH) beeinflussen und damit in den Zyklus eingreifen [6].

Konsequenzen für die zukünftige Forschung

Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 kann laut aktuellen Daten den Menstruationszyklus kurzfristig und vorübergehend verändern. Der Menstruationszyklus sollte in Zukunft als wichtiger Indikator in der Forschung berücksichtigt werden. Voraussetzung dafür sind standardisierte Messwerte, um den Mens­truationszyklus zu beurteilen. Derzeit werden Studien, die sich mit Impfungen und dem Menstruationszyklus beschäftigen, hauptsächlich in gynäkologischen Fachzeitschriften veröffentlicht und somit von nicht-gynäkologischem Fachpersonal oft übersehen. Solche Arbeiten sollten breiter und interdisziplinärer veröffentlicht werden, damit das Wissen über den Zusammenhang zwischen COVID-19-Impfung und Veränderungen des Menstruationszyklus breiter gestreut ist. Ein umfassender Kenntnisstand zu diesem Thema kommt schlussendlich allen Patientinnen zugute, die entsprechend beraten und aufgeklärt werden können [4].

Literatur

[1] Valet A, Doubek K und Ärzte im Netz GmbH (äin-red). Zyklus und Hormone. Monatszyklus, Informationen des Berufsverbands der Frauenärzte e. V. (BVF), www.frauenaerzte-im-netz.de/koerper-sexualitaet/zyklus-hormone, Stand: 26. März 2018

[2] Scharrel D und Ärzte im Netz GmbH (äin-red). Weiblicher Zyklus – Wann sind die fruchtbaren Tage? Informationen des Berufsverbands der Frauenärzte e. V. (BVF), www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/natuerliche-familienplanung/weiblicher-zyklus-wann-sind-die-fruchtbaren-tage, Stand: 9. Juli 2018

[3] Wesselink AK, Lovett SM, Weinberg J, Geller RJ et al. COVID-19 vaccination and menstrual cycle characteristics: A prospective cohort study. Vaccine 2023;41(29):4327-4334, doi: 10.1016/j.vaccine.2023.06.012, Epub 5. Juni 2023

[4] Payne LA, Wise LA, Wesselink AK et al. BMJ Sex Reprod Health Published Online First: 10. Juni 2024 doi:10.1136/ bmjsrh-2024-202274

[5] Brandão P, Pellicer A, Meseguer M, Remohí J et al. COVID-19 mRNA vaccines have no effect on endometrial receptivity after euploid embryo transfer. Reprod Biomed Online. 2022 Oktober;45(4):688-695. doi: 10.1016/j.rbmo.2022.05.017, Epub 29. Mai 2022

[6] Bar-Joseph H, Raz Y, Eldar-Boock A et al. The direct effect of SARS-CoV-2 virus vaccination on human ovarian granulosa cells explains menstrual irregularities. npj Vaccines 2024;9:117, https://doi.org/10.1038/s41541-024-00911-2

[7] Impfung bei Schwangeren, Stillenden und bei Kinderwunsch. Informationen der Ständigen Impfkommission, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Liste_Impfung_Schwangere_Stillende.html, Stand: 31. Januar 2024

[8] Fachinformation von Comirnaty JN.1 30 Mikrogramm/Dosis Injek­tionsdispersion, Comirnaty JN.1 30 Mikrogramm/Dosis Injektions­dispersion in einer Fertigspritze, COVID-19-mRNA-Impfstoff. Stand: Juli 2024


Magdalena Geretto, Ärztin und freie Autorin


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