Petition und Protest

Mehr als 300.000 Unterschriften für Rettung der englischen Apotheken

Berlin - 03.09.2024, 14:00 Uhr

Mit einer Online-Petition sollen die Apotheken in England gerettet werden. (Foto: you.38degrees.org.uk)

Mit einer Online-Petition sollen die Apotheken in England gerettet werden. (Foto: you.38degrees.org.uk)


Knapp zwei Drittel der englischen Apotheken machen derzeit Verlust und müssen deshalb ihr Service-Angebot einschränken. In einer Petition wird deshalb eine bessere Vergütung für die von ihnen geleisteten medizinischen Dienstleistungen gefordert. Mehr als 300.000 Unterschriften wurden gesammelt, um der Schließung weiterer Apotheken im Land entgegen zu wirken. 

Um das rasant fortschreitende Apothekensterben in England zu stoppen, hat die National Pharmacy Association (NPA) eine Petition auf den Weg gebracht. Darin beklagt der Verband, dass die Finanzierung durch den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) seit 2015 um knapp 40 Prozent gekürzt wurde. Um zu verhindern, dass weitere Apotheken schließen müssen, fordert die NPA in ihrer Petition, Dienstleistungen im Rahmen der „Pharmacy First“-Strategie vollständig durch den NHS zu finanzieren, „damit Menschen mit kleineren Krankheiten von ihrer örtlichen Apotheke im Rahmen des NHS behandelt werden können, anstatt auf ein Rezept beim Hausarzt warten zu müssen.“

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Mehr als 300.000 Unterschriften konnten bisher gesammelt werden. Am 19. September soll die Petition an den neuen britischen Premierminister Keir Starmer und seinen Gesundheitsminister Wes Streeting übergeben werden. Für diesen Tag ist ein weiterer Aktionstag der Apotheken in England geplant. Bereits am 20. Juni hatten 6.000 Apotheken zu einem Protesttag ihre Offizinen verdunkelt und schwarze Kleidung getragen, um auf ihre Lage hinzuweisen.

Weniger als 10.000 Apotheken in England

Bis Ende September könnte erstmals seit 2005 die Zahl der Apotheken in England wieder unter die Marke von 10.000 fallen, prognostizierte die NPA Mitte August. Steigende Arzneimittelkosten – auch bedingt durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU – sowie Lieferengpässe, steigende Betriebskosten und eine zunehmende Arbeitsbelastung treiben das Apothekensterben in rasantem Tempo voran. 2023 mussten laut den Zahlen der Company Chemists‘ Association (CCA) 432 Apotheken in England schließen – durchschnittlich etwa acht pro Woche. Der Geschäftsführer der NPA, Paul Rees, forderte die neue Regierung auf, „die Schließungen zu stoppen und zu investieren“, um „den anhaltenden Zusammenbruch der Apotheken zu verhindern.“

Zwei Drittel machten Verlust

Laut einer Erhebung des Branchenverbandes Community Pharmacy England (CPE), die am 25 August veröffentlich wurde, erwirtschaften etwa 65 Prozent der englischen Apotheken einen Verlust. Aufgrund der aktuellen Zahlen sei zu erwarten, dass eine von sechs Apotheken (16 Prozent) im nächsten Jahr schließen könnte, berichtet das Fachportal „chemistanddruggist.co.uk“ (C+D).

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Mehr als 90 Prozent der befragten Apothekenteams gaben an, dass die Betriebskosten deutlich höher lägen als im Jahr zuvor. Die Geschäftsführerin des CPE Janet Morrison zeigte sich sehr besorgt über die Zahlen: „Unsere Ergebnisse sind besorgniserregend und sollten bei jedem, der am Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens der lokalen Gemeinschaften und der Öffentlichkeit interessiert ist, die Alarmglocken läuten lassen.“ Die Apotheken seien zu 90 Prozent abhängig von Zahlungen des NHS. Allerdings seien diese Mittel in den letzten Jahren „erheblich gekürzt“ worden, zudem gestiegene Kosten hätten die Apotheken „an den Rand des Abgrunds gebracht“, sagte Morrison gegenüber C+D.

Apotheken müssen Service-Angebot einschränken

Viele Apotheken in England sind mit wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Die meisten davon reagieren auf finanzielle Engpässe mit der Einschränkung ihres Dienstleistungsangebots. Das geht aus einer Umfrage des Apothekerverbandes CPE hervor. C+D berichtete im August darüber. Demnach gaben 20 Prozent an, keine kostenlose Lieferung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mehr anzubieten. 80 Prozent schränkten nach eigener Angabe ihre Öffnungszeiten ein. Laut der NPA haben seit 2015 63 Prozent der Apothekenbetreiber ihre Öffnungszeiten um mindestens eine Stunde pro Tag reduziert.

Seit der Einführung der „Pharmacy-First-Initiative“, wodurch leichte Erkrankungen direkt in Apotheken behandelt werden können, tue man mehr denn je für die Patient*innen, sagte die Geschäftsführerin von CPE, Janet Morrison. Durch gestiegene Kosten und zu geringe Honorierung hätten „Tausende von Apotheken keine andere Wahl, als die Dienstleistungen, die sie anbieten können, zu reduzieren“, so Morrison. Die öffentlichen Apotheken bräuchten dringend Hilfe.

Bis vor Kurzem musste eine Apotheke im Monat mindestens 20 „Pharmacy-First“-Behandlungen durchführen, um sich für den staatlichen Fördertopf zu qualifizieren. Im August wurde die Mindestgrenze auf 15 gesenkt – was offensichtlich auf die finanziellen Probleme vieler Apotheken zurückzuführen ist. Mit der Förderung der Direktbehandlung bei leichten Erkrankungen sollten eigentlich die vielerorts überlasteten Arztpraxen entlastet werden. Diese Aufgabe sei jedoch aufgrund der angespannten finanziellen Lage schwer für die Apotheken zu stemmen, sagte der Vorsitzende der NPA Nick Kaye: „Die Fähigkeit der Apotheken, Störungen in anderen Bereichen des Gesundheitswesens abzufedern, wurde durch die anhaltende Unterfinanzierung ausgehöhlt“.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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