Unterschiedliche Vakzine in Europa und USA

Wie gut schützen die neuen COVID-19-Impfstoffe gegen aktuelle Varianten?

04.09.2024, 16:44 Uhr

Patienten aus Risikogruppen sollten zum Winter ihren Impfschutz gegen SARS-CoV-2 erneuern. Die Impfstoffe wurden an die neuen Virusvarianten angepasst. (Foto: WavebreakmediaMicro / AdobeStock)

Patienten aus Risikogruppen sollten zum Winter ihren Impfschutz gegen SARS-CoV-2 erneuern. Die Impfstoffe wurden an die neuen Virusvarianten angepasst. (Foto: WavebreakmediaMicro / AdobeStock)


Der SARS-CoV-2-Impfstoff von Biontech/Pfizer kann bereits seit 6. August 2024 bestellt werden. Er ist gemäß der aktuellen WHO-Empfehlung gegen die SARS-CoV-2-Variante JN.1 gerichtet. Nun hat auch die US-amerikanische FDA die ersten zwei Vakzine für den amerikanischen Markt zugelassen - doch die Impfstoffe in Europa und den USA sind nicht identisch. Schützen sie unterschiedlich gut vor einer Corona-Infektion?

JN.1. ist die SARS-CoV-2-Variante, die das Infektionsgeschehen des vergangenen Winters dominiert hat. Seit Mai 2024 geht ihre Prävalenz jedoch zurück. Im Mai waren nach den Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) die beiden von ihr abgeleiteten Varianten KP.2 und KP.3 für rund 50 Prozent der Infektionen in Deutschland verantwortlich. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl im April 2024, die Impfstoffe für die Saison 2024/25 an JN.1 anzupassen [1]. Die europäische Arzneimittelagentur EMA ist dieser Empfehlung gefolgt, demzufolge wurden für den europäischen Markt gegen JN.1 gerichtete Vakzine zugelassen und produziert.

FDA übernimmt die WHO-Empfehlung nicht

Auch das Expertengremium, das die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) berät (Vaccines and Related Biological Products Advisory Committee, VRBPAC) sprach sich am 6. Juni 2024 für JN.1 als Antigen für die Impfstoffproduktion aus, doch die FDA entschied sich im Juni abweichend davon für eine Anpassung an die Subvariante KP.2, deren Prävalenz im Frühjahr stark anstieg [2].

Dominant sind andere Subvarianten

Über den Sommer hat sich der Anteil der einzelnen Virus-Varianten im Infektionsgeschehen weiter verändert: In der 33. Kalenderwoche (12. bis 18. August 2024) waren die Subvarianten KP.3.1.1 und KP.3 für 82,5 Prozent der Infektionen verantwortlich - KP.2 hatte einen Anteil von 10 Prozent, JN.1 von nur 7,5 Prozent.

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Wie effektiv sind also die gegen JN.1 bzw. seine Subvariante KP.2 gerichteten COVID-Impfstoffe der Saison 2024/25? Dass die beiden Behörden – FDA und EMA – unterschiedliche Empfehlungen geben, und nur die EMA den Vorgaben der WHO folgt, ist ungewöhnlich. Wird die Effektivität der Impfstoffe sich unterscheiden? Die Deutsche Apotheker Zeitung hat Experten um ihre Einschätzung gebeten.

Experten erwarten keine relevanten Unterschiede

Prof. Dr. Leif Erik Sander, Direktor der Abteilung für Infektiologie und Leiter der Arbeitsgruppe für personalisierte Infektionsmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin erwartet keinen relevanten Unterschied in der Wirksamkeit der Impfstoffe. Er schreibt in einer Mail vom 3. September auf Nachfrage der DAZ:

„EMA, WHO und FDA empfehlen für die saisonale COVID-19 für die Saison 2024/25 monovalente, an JN.1 angepasste Impfstoffe. Die FDA hat diese Empfehlung in einer nachträglichen Stellungnahme noch weiter spezifiziert, indem sie KP.2 als ,präferierte JN.1-Sublinie' empfiehlt, ,sofern es möglich ist'. Insgesamt zeigen die vorliegenden Daten aber, dass die Immunantworten nach einer Auffrischungsimpfung mit einem an JN.1-angepassten Impfstoff sehr gut gegen KP.2, KP.3 und weitere neue Sublinien wirksam sind. Insgesamt ist kein relevanter Unterschied in der Wirksamkeit der Impfstoffe zu erwarten, zumal mittlerweile neue Sublinien dominant sind, die jedoch durch die JN.1-Impfstoffe gut abgedeckt werden.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt nach Auskunft seiner Pressestelle auf Nachfrage der DAZ die Wirksamkeit der Impfstoffe ebenfalls als vergleichbar gut ein:

„Im April dieses Jahres hat die WHO eine Empfehlung zur Stammanpassung für die Zusammensetzung der COVID-19-Impfstoffe für die Saison 2024/2025 gegeben. Demnach sollte von den Impfstoffherstellern bei der Variantenanpassung der Impfstoffe für die nächste Saison monovalent ein Antigen aus der Omikron-Sublinie JN.1 verwendet werden.

Die Subvariante KP.2 ist ein Abkömmling der JN.1-Variante und eng mit ihr verwandt. Die beiden Varianten unterscheiden sich nur minimal, durch drei Mutationen im Spike-Protein. Es ist davon auszugehen, dass beide angepassten COVID-19-Impfstoffe (JN.1 oder KP.2) vergleichbar gut schützen.

Ergebnisse aus der praktischen Anwendung zeigen, dass bei der Verwendung von unterschiedlichen COVID-19-Impfstoffen, die an sehr eng verwandte Virusvarianten angepasst sind, keine signifikanten Unterschiede im Schutzniveau erzielt werden, insbesondere nicht in Bezug auf schwere Erkrankungen mit Krankenhausaufenthalten und Todesfälle. Die Zulassung der angepassten Impfstoffe erfolgt allerdings anhand von Untersuchungen zur Immunologie. Daten zur klinischen Wirksamkeit werden im Rahmen dieser Testung in der Regel nicht durchgeführt und liegen somit nicht vor. Daher lässt sich die Effektivität angepasster Impfstoffe auf die zirkulierenden COVID-19-Erreger in der Bevölkerung erst nach deren Anwendung bewerten, voraussichtlich im Laufe der ARE-Saison im Winter“ (ARE = akute respiratorische Erkrankungen).

Das RKI weist ferner darauf hin, dass die Weltgesundheitsorganisation in einem Living Systematic Review kontinuierlich internationale Studienergebnisse zur Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe zusammenstellt und auswertet [3].

Literatur 

[1] Statement on the antigen composition of COVID-19 vaccines. Informationen der WHO, www.who.int/news/item/26-04-2024-statement-on-the-antigen-composition-of-covid-19-vaccines, Stand 26. April 2024

[2] Updated COVID-19 Vaccines for Use in the United States Beginning in Fall 2024. FDA, Stand 13. August 2024, www.fda.gov/vaccines-blood-biologics/updated-covid-19-vaccines-use-united-states-beginning-fall-2024

[3] Living Systematic Review der WHO zur Effektivität von COVID-19-Impfstoffen: 
view-hub.org/vaccine/covid/effectiveness-studies


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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