Reaktion auf Apotheker-Beschwerden

BMG sieht nur „punktuelle Lieferengpässe“

18.09.2024, 10:45 Uhr

Karl Lauterbach: Wie wirkungsvoll ist sein Lieferengpassgesetz in diesem Herbst und Winter?  (Foto: IMAGO / Chris Emil Janßen)

Karl Lauterbach: Wie wirkungsvoll ist sein Lieferengpassgesetz in diesem Herbst und Winter?  (Foto: IMAGO / Chris Emil Janßen)


Am gestrigen Dienstag hat die „Bild“ die Lieferengpässe zum Thema gemacht. Auch Apotheker kamen zu Wort. Von 1600 fehlenden Präparaten war die Rede. Das Bundesgesundheitsministerium widerspricht dieser Darstellung. Auf Nachfrage der „Bild“ heißt es, es gebe „lediglich punktuelle Engpässe in einem komplexen Markt“. Auch der Minister sieht offenbar die Not der Apotheker*innen nicht.

„Apotheker schlagen Alarm – Uns fehlen mehr als 1600 Medikamente“ titelte die Bild-Zeitung am gestrigen Dienstag. Drei Apotheker schilderten die Problematik. Beim Apotheker Carsten Moser aus Emmerich (Nordrhein-Westfalen) sind die Arzneimittel-Lieferengpässe besonders schlimm. In seiner Apotheke fehlen nach eigener Angabe 1600 Präparate aus 860 Arzneiformen. Philipp Hoffmann aus Diez (Rheinland-Pfalz) nutzt seit einiger Zeit bereits Künstliche Intelligenz für die Überbrückung von Lieferengpässen. Damit konnten die Leerstände reduziert werden, sodass „nur“ noch 250 Arzneimittel in Hoffmanns Apotheken fehlen, wie er berichtet.

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Zudem fragten die Bild-Redakteure auch im Bundesgesundheitsministerium nach. Dort schätzt man die Lage offenbar ganz anders ein. Es gebe in Deutschland keine Versorgungsknappheit, sondern lediglich „punktuelle Lieferengpässe in einem sehr komplexen Markt“, heißt es. Patienten hätten aber „fast immer“ Zugriff auf wirkstoffgleiche Alternativen, zitiert die „Bild“ das Ministerium. 

Auch der Bundesgesundheitsminister äußert sich zum Thema. Demnach sieht Karl Lauterbach die Not der Apotheker nicht. Stattdessen lobt er das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das die Engpässe im Vergleich zum Vorjahr halbiert haben soll. Laut Branchenverband Pro Generika ist es jedoch nur ein „Pflaster auf einer klaffenden Wunde“, es greife kaum, heißt es in dem Bild-Artikel.

Realitätsverlust beim BMG? 

Der Aufschrei in den sozialen Netzwerken ob der Äußerungen des BMG ließ nicht lange auf sich warten: „Realitätsverlust des BMG und Herrn Lauterbach?“, ist dort beispielsweise zu lesen. 

Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke lädt Lauterbach in ihre Apotheke ein. „Erleben Sie einen Tag hautnah, wie wir Apotheker alles unternehmen, um Patienten zu versorgen, schauen Sie sich endlich die Realität an, die wir Ihnen seit Jahren schildern“, schreibt sie auf LinkedIn. Weiter heißt es in dem Post: „Ohne unseren Einsatz (der mit lächerlichen 50 Cent Almosen honoriert wird), wäre die Arzneimittelversorgung längst zusammengebrochen, die Zahl der Krankenhauseinweisungen und die damit verbundenen Kosten nach oben geschossen. Wir beschreiben die Realität! Fragen Sie Patienten nach dem Versorgungsalltag. Sie unterstellen meinen Kollegen und mir falsche Behauptungen, die Versorgung der Patienten scheint Ihnen gleichgültig zu sein. Solche Aussagen sind schallende Ohrfeigen für jede Patientin und jeden Patienten, die sich auf für sie neue Medikamente einstellen müssen!“ In den Kommentaren wird unter anderem auf die Engpässe bei Azithromycin und der wirksamen Alternativen bei Chlamydien hingewiesen.

Erst vergangene Woche hatte der Hessische Apothekerverband angesichts der drohenden Antibiotika-Engpässe Alarm geschlagen und einen Brief an das Bundesgesundheitsministerium geschrieben. Auch in den Augen des HAV zeigt das ALBVVG kaum Wirkung. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Lieferengpässe

von Dr.Diefenbach am 18.09.2024 um 11:46 Uhr

...werden seit 2011 !!! von der Politik kleingeredet bis ignoriert, als beherrschbar angesehen und man begeht einfach eine Lüge nach der anderen,bloss keinen Aufruhr in der Bevölkerung.
Ich frage mich täglich was eigentlich gehirnmässig mit dem aktuellen Gesundheitsminister passiert ist.?? SO was gab es noch nie.
Meinem HAV Kollegen H.Seyfarth schlage ich an dieser Stelle schon mal vor,über ein Stipendium eine Master-oder Bachelorarbeit von Anfang der Misere bis zum Zeitpunkt X anzudenken,die dann breit publiziert werden kann um den Ernst der Lage zu zeigen.Dass der Minister keine Sachkenntnis zu haben scheint, ist offenbar.Material für eine Studie gibts genug!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Not der Patienten

von Dr. Radman am 18.09.2024 um 11:13 Uhr

“Auch der Minister sieht offenbar die Not der Apotheker*innen nicht.”

Was ist das bitte von einer Formulierung? Es geht nicht um die Not der Apothekers sondern um Not der Patienten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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