Lasmiditan und Rimegepant erst nach Triptanen und NSAR

Triptane sind die besten

Stuttgart - 19.09.2024, 07:00 Uhr

Die Kopfschmerzen sind meist einseitig, heftig und pulsierend-pochend: Triptane wirken am besten bei Migräne. (Foto: IMAGO / Ikon Images)

Die Kopfschmerzen sind meist einseitig, heftig und pulsierend-pochend: Triptane wirken am besten bei Migräne. (Foto: IMAGO / Ikon Images)


Triptane wirken nach wie vor am besten bei Migräne. Neue Arzneimittel, wie Lasmiditan und Rimegepant, sind hinsichtlich der Wirksamkeit eher mit Paracetamol und den meisten NSAR vergleichbar, so die Ergebnisse einer neuen systematischen Übersichtsarbeit.

Migräne-Arzneimittel sollen Migräne-bedingte Kopfschmerzen schnell und anhaltend lindern und die Patientinnen und Patienten bestenfalls schmerzfrei machen. NSAR (nicht steroidale Antirheumatika) sind bei leichteren Attacken zunächst die Schmerzmittel der Wahl. Bei mittelschweren bis schweren Attacken und wenn NSAR unzureichend wirken, raten die Leitlinienautoren der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ in der Akutbehandlung zu Triptanen. Die neuen Migräne-Wirkstoffe – Lasmiditan (Rayvow®)  und Rimegepant (Vydura®, in D nicht auf dem Markt) – stehen akuttherapeutisch hinter den Triptanen. Lasmiditan (5HT1F-Rezeptoragonist) ist vor allem für Migräniker:innen mit Triptan-Kontraindikationen eine Option, auch Rimegepant (CGRP-Rezeptorantagonist) zeigt keine vasokonstriktiven Eigenschaften.

Allerdings fiel es den Leitlinienautoren bei Überarbeitung der Leitlinie im Jahre 2022 schwer, die neuen Wirkstoffe einzuordnen, denn – und das bemängelte auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bei der frühen Nutzenbewertung von Lasmiditan –, es fehlten Studien, die Triptane oder NSAR direkt mit Lasmiditan verglichen hätten. 

Akutmedikamente bei Migräne in Review verglichen 

Nun gibt es diesen Vergleich: In einem systematischen Review analysierte ein internationales Forscherteam – mit dabei auch Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Abteilung für Neuroepidemiologie an der Universität Duisburg-Essen und Federführender der deutschen Migräne-Leitlinie – 137 doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien (Head-to-Head oder Placebo-kontrolliert) an erwachsenen Migräniker:innen. Die insgesamt 89.445 Patientinnen hatten entweder ein zur Akuttherapie zugelassenes Migräne-Arzneimittel erhalten (62.682 Patient:innen) oder Placebo (26.763 Patient:innen). 

Die Wissenschaftler teilten die 17 untersuchten Akuttherapie-Wirkstoffe in fünf Gruppen:

  • Antipyretika: Paracetamol
  • Ditane: Lasmiditan
  • Gepante: Rimegepant, Ubrogepant (zugelassen in den USA)
  • NSAR: Acetylsalicylsäure, Celecoxib, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Phenazon
  • Triptane: Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan

Jeder Wirkstoff besser als Placebo

Sie interessierten sich primär dafür, wie viele Patient:innen zwei Stunden nach Anwendung der Akuttherapie schmerzfrei waren und bei wie vielen Migräniker:innen diese Schmerzfreiheit über 24 Stunden bestehen blieb, und zwar ohne, dass sie zusätzlich Notfall-Medikamente einnehmen mussten (primäre Endpunkte).

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Die erste wichtige Botschaft: Alles ist besser als nichts – jeder der untersuchten Wirkstoffe war wirksamer als Placebo (Schmerzfreiheit nach zwei Stunden): Die relative Chance für Migräniker:innen zwei Stunden nach Arzneimittelanwendung ohne Schmerzen zu sein, war für Naratriptan 1,73-mal höher als für Placebo, für Eletriptan sogar 5,19-mal höher als für Placebo (Odds Ratio für Naratriptan 1,73 (95 %-KI 1,27 – 2,34) und für Eletriptan 5,19 (95 %-KI 4,25 – 6,33). Die meisten Migräne-Arzneimittel sorgten auch für eine anhaltende Schmerzfreiheit 24 Stunden nach Anwendung (bis auf Paracetamol und Naratriptan): Die relative Chance für eine 24-stündige Schmerzfreiheit war für Celecoxib am niedrigsten, jedoch noch 1,71-mal höher als für Placebo, für Ibuprofen mit einer Odds Ratio von 7,58 am höchsten.

Eletriptan wirkt am besten – schnell und für 24 Stunden

Doch welcher Wirkstoff schnitt in den Head-to-Head-Studien am besten ab? Am wirksamsten war Eletriptan: Eletriptan wirkte schnell (Schmerzfreiheit zwei Stunden nach Einnahme) – gefolgt von Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan. Das deckt sich mit den Aussagen in der Migräne-Leitlinie, der zufolge Eletriptan und Rizatriptan „die am schnellsten wirksamen oralen Triptane“ sind. Auch bei der anhaltenden Schmerzfreiheit 24 Stunden nach Anwendung war Eletriptan in der aktuellen Metaanalyse am effektivsten, gefolgt von dem NSAR Ibuprofen.

Lasmiditan mit vielen Nebenwirkungen assoziiert

Neben der Wirksamkeit bestimmt die Verträglichkeit den Stellenwert von Arzneimitteln. Unter Lasmiditan, Eletriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan kam es häufiger zu Schwindel. Müdigkeit war öfter mit Eletriptan und Lasmiditan assoziiert, Parästhesien traten unter Lasmiditan, Sumatriptan und Zolmitriptan am häufigsten auf. Übelkeit wurde vor allem unter Lasmiditan, Sumatriptan, Zolmitriptan und Ubrogepant beobachtet. Eletriptan war zudem als einziges Arzneimittel häufiger mit Brustschmerzen verbunden. Als gut verträglich erwies sich Paracetamol. Seine  Rolle als mögliche Migränebehandlung für Patient:innen, für die eine Schmerzlinderung und ein geringes Risiko für Nebenwirkungen maßgeblich sind, wurde bestätigt.

Lasmiditan und Rimegepant: nicht besser als NSAR

„Unsere Ergebnisse zeigten, dass einige Triptane – nämlich Eletriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan – die günstigsten Gesamtprofile in Bezug auf Wirksamkeit und Verträglichkeit aufwiesen. Diese vier Triptane waren wirksamer als die zuletzt auf dem Markt gebrachten Arzneimittel Lasmiditan, Rimegepant (Anm. d. Red.: Rimegepant ist in D nicht auf dem Markt) und Ubrogepant (Anm. d. Red.: Ubrogepant ist in D nicht zugelassen), die nach unseren Ergebnissen eine mit der von Paracetamol und den meisten NSAR vergleichbare Wirksamkeit zeigten“, erklären die Studienautor:innen. Lasmiditan verursache zudem häufiger unerwünschte Arzneimittelwirkungen als NSAR, die Einschränkung der FDA, acht Stunden nach Anwendung von Lasmiditan kein Fahrzeug zu führen, unterstreiche die erheblichen Nebenwirkungen (Schwindel, Parästhesie, Sedierung) und die Probleme bei Einnahme des innovativen Migräne-Arzneimittels.

Lasmiditan und Rimegepant: erst nach NSAR

Die publizierten Ergebnisse könnten künftige Migräne-Leitlinien prägen. Es wird klar: Die Studienautor:innen halten anhand ihrer Forschung Triptane nach wie vor für die „Behandlung der Wahl“ bei akuten Migräneattacken. Für Migränepatienten von zentraler Bedeutung sei eine schnelle und anhaltende Schmerzfreiheit, und das könnten die selektiven 5HT1B/1D-Rezptoragonisten leisten. Neue Wirkstoffe, wie Lasmiditan und Rimegepant, platzieren die Migräne-Expert:innen aufgrund ihrer hohen Kosten sowie den erheblichen Nebenwirkungen von Lasmiditan erst an die dritte Stelle im Therapiebaum – nach „den weniger teuren und ähnlich wirksamen Zweitlinienoptionen wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Diclofenac-Kalium“. Auch die beiden Triptane Almotriptan und Frovatriptan sehen sie als Mittel der zweiten Wahl.

Triptane breiter einsetzen

Das Potenzial der Triptane ist den Studienautor:innen zufolge nicht ausgeschöpft: In den Vereinigten Staaten erhalten 16,8 bis 22,7 Prozent der Migränepatient:innen ein Triptan, in Europa liegt der derzeitige Einsatz von Triptanen noch geringer und bei 3,4 Prozent bis 22,5 Prozent. Sie befürworten, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die wirksamsten Triptane in ihre Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufnimmt (derzeit steht dort lediglich Sumatriptan), um die Migräne-Arzneimittel weltweit zugänglich zu machen. Nicht zuletzt seien der eingeschränkte Zugang und die unzureichende Nutzung von Triptanen „verpasste Möglichkeiten“, Migränepatient:innen qualitativ besser zu versorgen.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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