Interdentalreinigung – so wichtig wie Zähneputzen

Vor wenigen Wochen haben die Ergebnisse der bevölkerungsbezogenen prospektiven SHIP(Study of Health in Pomerania)-Studie aus Mecklenburg-Vorpommern neue Erkenntnisse zum Nutzen von Produkten zur Interdentalreinigung gebracht [2]. In der Kohortenstudie konnte das Team um B. Holfreter zeigen, warum Zahnseide und Interdentalbürsten einen festen Platz in der täglichen Mundhygiene haben sollten [3]. Insgesamt waren 2224 Probanden über einen Zeitraum von durchschnittlich sieben Jahren beobachtet worden, die neben dem Zähneputzen zusätzlich Zahnseide, Interdentalbürsten oder Zahnstocher zur Zahnzwischenraumreinigung verwendeten. Ausgewertet wurden das Vorhandensein von Plaque, Zahnfleischentzündungen, der Parodontitis-Schweregrad, die Karieserfahrung (Anzahl gesunder kariesfreier interdentaler Flächen) sowie die Anzahl fehlender Zähne.

Sowohl Zahnstocher als auch Zahnseide und Interdentalbürsten konnten die parodontale Situation bei den Probanden verbessern. Der Gebrauch von Zahnseide und Inter­dentalbürsten konnte außerdem bei der Reduzierung von interdentalem Plaque und Zahnfleischentzündungen punkten, bei Zahnstochern war das nicht der Fall. Im Vergleich zu Personen, die ihre Zahnzwischenräume nicht reinigten, hatten die Zahnseide-Nutzer eine 32% geringere Wahrscheinlichkeit für Plaques (Odds Ratio [OR] = 0,68, 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,5 bis 0,94), die Bürstchen-Nutzer eine 27% geringere Wahrscheinlichkeit (OR = 0,73, 95%-KI = 0,57 bis 0,99). Bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Parodontitis reduzierten Zahnseide (zu 11,6%) und Bürsten (zu 9,4%) interdentale Plaques am effektivsten. Bei Personen ohne oder mit leichter Parodontitis fiel der Nutzen beider Reinigungsmethoden bezüglich Plaque hingegen geringer aus (-6,4% und -5,0%). Das Risiko für Zahnfleischentzündungen wurde anhand interdentaler Blutungen beim Sondieren bestimmt. Auch hier punkteten die Interdentalbürsten (OR = 0,69, 95%-KI = 0,53 bis 0,8) im Vergleich zu Personen, die keine Interdentalreinigung durchgeführt hatten. Zwar senkte auch Zahnseide das Risiko für interdentale Blutungen beim Sondieren, das Ergebnis war aber nicht signifikant. Schlussfolgerungen für harte Endpunkte wie Karies und die Anzahl fehlender Zähne konnten die Wissenschaftler aus den Ergebnissen nicht ableiten. Sie schlussfolgern aber, dass Zahn­seide und Interdentalbürsten die Zahnfleischgesundheit und die Parodontosentwicklung positiv beeinflussen. Damit es aufgrund von falsch angewendeten Interdentalreinigungsprodukten nicht zu Gewebeschäden kommt, empfehlen sie, Patienten vor dem ersten Gebrauch ausreichend in Zahnarztpraxen zu schulen [2, 3].

Die Auswahl an Zahnzwischenraumreinigungsprodukten ist so bunt wie die Farbpalette der verfügbaren Interdentalbürsten. Neben der persönlichen Vorliebe spielen vor allem Faktoren wie die Breite der Zahnzwischenräume, das Vorliegen von sensiblem Zahnfleisch oder Entzündungen eine Rolle bei der Frage, ob Seide oder Bürste im Einzelfall besser geeignet sind [4]. Grundsätzlich reinigen Interdentalbürsten besonders gründlich, da ihre flexiblen Borsten auch schwer zugängliche Bereiche und konkave Flächen am Zahnhals effektiv reinigen. Dank verschiedener Größen und Formen passen sie sich individuell den Bedürfnissen an und erreichen mögliche Vertiefungen auf den Zahnoberflächen besser als Gummipicks oder Zahnseide (s. Abb. 1). Bei zu engen Zahnzwischenräumen besteht allerdings Verletzungsgefahr. Dann sollte auf Zahnseide zurückgegriffen werden. Gummipicks sind praktisch und daher ideal für unterwegs. Für eine optimale Mundhygiene sollte die Interdentalreinigung abends vor dem Zähneputzen durchgeführt werden. Das in der Zahnpasta enthaltene Fluorid kann dann besser in die zuvor gereinigten Zahnzwischenräume eindringen. Zudem wird verhindert, dass sich über Nacht Speisereste in den Interdentalräumen festsetzen [4].

Bei falscher Anwendung von Zahnseide ist die Wirksamkeit gegen Plaque herabgesetzt und das Verletzungsrisiko steigt. Für den täglichen Gebrauch ist daher eine gewisse Fingerfertigkeit und auch Motivation vonnöten – vor dem erstmaligen Gebrauch sollte die korrekte Handhabung von Zahnseide (s. Abb. 2) bestenfalls in der Zahnarztpraxis geübt werden [5]. Zahnseide steht in verschiedenen Varianten zur Verfügung. Gewachste und Teflon-beschichtete Zahnseiden (s. Tab. 1) gleiten gut und fasern bei der Anwendung nicht aus. Die Anwendung ist vergleichsweise einfach und daher auch für Anfänger geeignet [6]. Ungewachste Zahnseiden sind in der Regel dicker. Da sie in der Anwendung ausfasern und nicht gut gleiten, sind sie schwieriger zu handhaben. Dafür weisen sie einen verbesserten Reinigungseffekt auf. Ideal ist der Selbstkontrolleffekt bei ungewachster Zahn­seide: Sind die Zähne sauber, beginnt die Zahnseide zu quietschen [6]. Einige ungewachste Zahnseiden flauschen in der Verwendung auf und passen sich an verschieden große Zahnzwischenräume an (s. Tab. 1). Vorgespannte Zahnseidehalter eignen sich für unterwegs und punkten durch die Aufbissfläche, die das Einführen in den Zahnzwischenraum erleichtert (s. Abb. 3).

Bei weiteren Zahnzwischenräumen, z. B. altersbedingt oder aber auch nach Parodontalbehandlungen und Implantationen eignen sich Interdentalbürsten. Aufgrund ihrer einfachen Anwendung ist meist die Compliance besser als unter Zahnseide [7, 8]. Um Verletzungen zu vermeiden, sollte das Zahnarztteam gemeinsam mit dem Patienten die passende(n) Bürstengröße(n) auswählen. Die meisten Menschen benötigen mindestens zwei, manchmal sogar drei bis vier verschiedene Bürsten, da die Zahnzwischenräume in den Frontzähnen und Backenzähnen häufig voneinander abweichen [4]. Für die Wahl der richtigen Bürstengröße stellen viele Anbieter Packungen mit verschiedenen Bürstengrößen zur Verfügung. Zwar sind die Bürstchen häufig in der gleichen Farbe bei verschiedenen Händlern erhältlich. Leider ist dieses Farbsystem jedoch nicht standardisiert, sodass die gleiche Farbe oft sehr unterschiedliche Bürstengrößen beinhaltet (s. Tab. 2).

Mittlerweile sind auch Interdentalbürsten für sehr enge Zwischenräume im Handel, die eine gute Alternative für Anwender darstellen, die mit Zahnseide Schwierigkeiten haben. Zudem bieten einige Firmen (z. B. Curaprox, Tepe^®) die Interdentalbürsten entweder auf einem geraden oder längeren gewinkelten Halter an, auf die die eigentliche Bürste geklickt oder eingedreht wird. Letzterer eignet sich vor allem zur Reinigung der Zwischenräume der Backen­zähne. Für empfindliches Zahnfleisch stehen softe Bürsten zur Verfügung (z. B. Tepe^® Interdentalbürsten Extra soft). Viele Anbieter haben zudem spezielle Bürsten für Implan­tate (z. B. Curaprox Implantat), entzündetes Zahnfleisch (z. B. Curaprox Perio Plus) sowie bei Füllungen, Kronen und Zahnspangen (z. B. Curaprox Ortho) oder mit Aktivkohle­beschichtung (z. B. Curaprox Biw Carbon) im Sortiment [4].

Als Faustregel bei der Anwendung gilt: Die Bürste sollte nur mit leichtem Druck von etwa 50 g (ggf. auf der Waage überprüfen) eingeführt werden. Dabei sollte sich der Draht nicht verbiegen [4]. Anschließend wird die Bürste einige Male hin und her bewegt. Nach der Reinigung jedes Zahnzwischenraums sollte die Bürste mit Wasser abge­waschen werden, um eine Übertragung von Speiseresten und Plaque auf andere Zähne zu vermeiden. Zahnfleischbluten bei den ersten Anwendungen von Interdentalbürsten sind oft ein Zeichen von bereits bestehenden Entzündungen, die bei täglichem Gebrauch jedoch in der Regel abnehmen. Bei anhaltenden Blutungen ist ein Zahnarzt hinzuzuziehen [4].

Bei der Beratung sollten die Kunden darauf hingewiesen werden, dass sie keine gewöhnliche Zahnpasta auf die Interdentalbürsten auftragen, da diese Schleifmittel enthält. Einige Firmen bieten aber spezielle Interdentalreinigungsgele an (z. B. Interprox^® Gel, Tepe^® Gingival Gel). Diese enthalten keine abrasiven Stoffe und sind dadurch schonend für den Zahnschmelz. Das in beiden Produkten enthaltene Fluorid festigt den Zahnschmelz. Zusätzlich ist zur Plaquereduzierung Cetylpyridiniumchlorid (Interprox^® Gel) oder Chlorhexidin (Tepe^® Gingival Gel) enthalten.

Eine metallfreie Variante der Interdentalbürsten stellen Gummipicks (z. B. Gum^® Softpicks, Tepe^® EasyPick Interdentalbürsten) dar [10]. Sie bestehen aus einem flexiblen Kunststoffkern mit weichen gummiartigen Borsten. Gummipicks reinigen gründlicher als Zahnseide, da die Gummiborsten auch in mögliche Vertiefungen gelangen. Da sie nicht wie Zahnseide eingefädelt werden müssen, eignen sie sich vor allem für motorisch eingeschränkte Patienten wie Senioren oder Kinder oder auch Patienten mit Implantaten oder kieferorthopädischen Apparaturen. Einschränkend ist jedoch zu sagen, dass die Reinigungswirkung der Gummi-Sticks von der Anzahl der Gummiborsten, ihrer Länge und der Bürstendicke abhängt [11].