Sinkende Einnahmen und knallharter Wettbewerb

US-Apotheken in Not

Stuttgart - 27.09.2024, 07:00 Uhr

Die Apothekenkette CVS hat innerhalb von drei Jahren 900 Filialen geschlossen und begründet dies mit dem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher. (Foto: IMAGO/SOPA Images)

Die Apothekenkette CVS hat innerhalb von drei Jahren 900 Filialen geschlossen und begründet dies mit dem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher. (Foto: IMAGO/SOPA Images)


Nicht nur die deutschen Apotheken haben wirtschaftlich zu kämpfen, auch in den USA geraten immer mehr Einzelapotheken und Apothekenketten in Schwierigkeiten. Nach einem Bericht des „Time“-Magazins geben mittlerweile immer mehr Pharmazien auf, teilweise entstehen regelrechte Apothekenwüsten ohne ausreichende Versorgung.

Wenn die USA als Vorreiter technologischer und struktureller Entwicklungen gelten, wäre die Situation auf dem nordamerikanischen Apothekenmarkt kein gutes Omen für deren Berufskollegen in Deutschland. Nach einem aktuellen Bericht des angesehenen „Time“-Magazins befinden sich zahlreiche US-Apotheken in großer wirtschaftlicher Not. „Zweifellos ist es so schlimm wie noch nie“, zitiert das Medium Enrique Reynoso, der seit 1991 eine Apotheke im Norden New Yorks besitzt. Um Kosten zu sparen, fülle er Arzneimittel in kleinere Flaschen ab. Er bitte die Kunden, über den Onlinedienst Venmo zu bezahlen, da die Kreditkartengebühren so hoch seien. Hinzu komme, dass auch die Arzneimittelpreise hoch sind; so habe beispielsweise ein Mangel an Adderall den Preis von 25 auf 400 Dollar pro Packung in die Höhe getrieben, obwohl sich die Erstattung durch die Versicherer nicht geändert habe. Damit verliere Reynosos bei einigen beliebten Medikamenten Geld. 

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Auch für die in den USA stark vertretenen großen Apothekenketten ist es dem Bericht zufolge nicht einfacher. So hat Rite Aid etwa ein Viertel seiner Filialen geschlossen, ist damit aber immerhin aus dem Konkursschutzverfahren herausgekommen. CVS habe innerhalb von drei Jahren 900 Filialen geschlossen und dies mit dem veränderten Kaufverhalten der Verbraucher begründet. Walgreens wiederum plane die Schließung von etwa einem Viertel seiner 8600 Filialen, weil „das derzeitige Apothekenmodell nicht tragfähig ist“, so Vorstandschef Tim Wentworth in einer Telefonkonferenz im Juni.

Verändertes Verbraucherverhalten

Zu schaffen macht vielen stationären Apotheken das veränderte Verbraucherverhalten. So haben viele Kunden während der Pandemie den Online-Einkauf entdeckt und sind bis heute nicht vollständig zu den stationären Apotheken zurückgekehrt. Laut Brittain Ladd, Analyst für Einzelhandel und Logistik, lösen sie Rezepte vielfach online ein, weil sie wüssten, dass sie die Medikamente dort billiger bekommen. Zwar hätten die stationären Apotheken darauf mit Preissenkungen reagiert, doch das treibe sie nur noch mehr in die roten Zahlen.

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Um die Ausgaben zu senken, bauen laut Time zudem viele Apotheken Personal ab. Das wiederum erhöhe den Stress für die verbleibenden Apotheker mit der Folge, dass sie vielfach den Beruf aufgeben und die Fluktuation in die Höhe getrieben wird. Das Magazin nennt beispielhaft eine Frau, die für die großen Apothekenketten CVS, Walgreens und Rite Aid in North- und South Carolina gearbeitet hat. Nach ihren Angaben hätten alle drei Unternehmen unter Personalknappheit gelitten.

Die Macht der PBM

Als wesentlichen Grund für die schwierige Lage der US-Apotheken verweist Time allerdings auf die Stellung der sogenannten Pharmacy Benefit Manager (PBM), einer Art Mittelsmänner zwischen Krankenkassen und Versicherten. PBM sind mit viel Macht ausgestattet, denn sie bestimmen die Vergütung, die Apotheken für jedes von ihnen abgegebene Medikament erhalten. Nach Angaben von Apothekern würden PBM immer weniger Erstattung für Arzneimittel anweisen und die Apotheken manchmal sogar dazu zwingen, bei beliebten Medikamenten wie Ozempic Verlust zu akzeptieren.

Die drei größten PBM – CVS Caremark, Express Scripts und Optum Rx – kontrollieren dem Bericht zufolge etwa 80 Prozent des Marktes, die sechs größten rund 90 Prozent. Laut einem aktuellen Bericht des House Committee on Oversight and Accountability nutzen PBM ihren Marktanteil, um wettbewerbswidrige Praktiken anzuwenden und zusätzliche Gewinne zu machen. Die Preismodelle seien derart undurchsichtig, dass Versicherungen und Steuerzahler um Hunderte von Millionen Dollar übervorteilt worden seien. Die US-Bundesbehörde Federal Trade Commission hat zusätzlich festgestellt, dass PBM eigene Spezialapotheken besitzen und Patienten manchmal zu ihren eigenen Versandapotheken als zu stationären Apotheken lenken. Viele PBM seien zudem Teil riesiger Gesundheitskonglomerate, zu denen Krankenversicherer und Apotheken gehören.

Die Pharmacy Benefit Manager können laut Time kleinen, unabhängigen Apothekern wie Enrique Reynoso das Leben besonders schwer machen, da diese im Gegensatz zu großen Ketten keinerlei Verhandlungsmacht hätten. So erhalte Reynoso beim Einlösen von Rezepten manchmal weniger, als was er für die Medikamente und die Arbeit bezahlt. „Sie haben uns in der Hand“, so der New Yorker Apotheker. „Wir können nicht nein sagen.“

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Tendenz zu  „Apothekenwüsten"

Die wirtschaftlichen Verluste zahlreicher unabhängiger Apotheken haben in den USA mittlerweile zu regelrechten Apothekenwüsten geführt – Regionen also, in denen es keine oder kaum noch Apotheken gibt. Nach Angaben von Douglas Hoey, Chef der Apothekervereinigung National Community Pharmacists Association, haben zwischen 2013 und 2022 etwa zehn Prozent der unabhängigen Apotheken in ländlichen Gebieten geschlossen. „Wir befinden uns an einem Wendepunkt, an dem sich die Apotheken biegen, biegen, biegen, bis sie zusammenbrechen.“ Laut einer Studie aus dem Jahr 2024 leben 15,8 Millionen Amerikaner in derartigen Apothekenwüsten.

Sinkende Kundenzufriedenheit 

All dies schlägt sich zunehmend auch auf die Zufriedenheit der Kunden mit den Apotheken nieder – oder besser gesagt: Unzufriedenheit. Wie bereits im August 2024 berichtet sank nach einer Studie von J.D. Power die Zufriedenheit mit stationären Apotheken allein im laufenden Jahr um zehn Punkte. Demnach bemängeln die Kunden vor allem, dass sowohl Ketten als auch unabhängige Apotheken unterbesetzt sind, was zu langen Schlangen und frustrierenden Erfahrungen führe. Darüber hinaus fänden die Kunden vielfach leere Regale und teils chaotische Abläufe vor.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

USA System

von Roland Mückschel am 27.09.2024 um 12:43 Uhr

Bitte Artikel an die Blindgänger im BMG weiterleiten.
Nutzt zwar nichts.
Aber sie können nicht behaupten sie hätten nichts gewusst.

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