Grußworte zur Expopharm

„Wir dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen“

09.10.2024, 14:15 Uhr

Marcus Freitag überbrachte die Grußworte des Phagro. (Foto: DAZ/SChelbert)

Marcus Freitag überbrachte die Grußworte des Phagro. (Foto: DAZ/SChelbert)


In guter Tradition überbrachten die Marktpartner aus Großhandel und pharmazeutischer Industrie ihre Grußworte zum Start der Expopharm. Der einhellige Tenor: Apotheke light geht gar nicht, es braucht verlässliche Rahmenbedingungen und alle stehen an der Seite der Apotheken. Phagro-Chef Marcus Freitag warnte überdies davor, sich angesichts der Skonto-Debatte auseinandertreiben zu lassen.

The same procedure as every year: Die Expopharm in München ist eröffnet. Zunächst gehörte das Wort dem Vorsitzenden des deutschen Apothekerverbandes Dr. Hans-Peter Hubmann. Im Anschluss überbrachten die „Marktpartner“ aus Industrie und pharmazeutischem Großhandel ihre Grußworte. 

Den Anfang machte Marcus Freitag, Vorsitzender des Großhandelsverbandes Phagro. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Apotheken und Großhandel sei wichtiger denn je, betonte er. Angesichts der angespannten Lage müsse man dringend gemeinsame Lösungen präsentieren. In seinen Augen tun Apotheke, Großhandel und Industrie alles, um die Versorgung zu sichern. Aber: „Solange es keine angemessene Vergütung gibt, wird Versorgung unsicher bleiben“, so der Phagro-Vorsitzende. 

Phagro: Zusammen Lösungen finden

Freitag plädiert allerdings dafür, zusammen Lösungen zu finden, und nicht solche, die zulasten einzelner Beteiligter gehen. Denn am Ende ginge es immer zulasten der Patienten. Bei der Politik will er Muster erkennen: Sie bleibe nach großen Ankündigungen hinter den Erwartungen und dem Notwendigen zurück. Beim Apothekengesetz wäre das allerdings gut, sagte er. Sollte das nicht kommen, wertet Freitag das als Erfolg für die Stimmen der Apotheker. 

Er warnte aber auch davor, sich als Marktpartner auseinandertreiben zu lassen angesichts der Skonto-Regelung. „Statt Gezerre an einer immer kürzeren Decke, brauchen wir Auskömmlichkeit des Systems“, so Freitag. Der Großhandel sei das Backup für die Vollversorgung. Noch. Wenn die Veränderungen so kämen, wie geplant, stehe diese auf dem Spiel. 

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Ein weiteres Thema, das den Phagro umtreibt, sind die ungleichen Wettbewerbsbedingungen, zum Beispiel bei Lagerung und Transport, die bei den Versendern nicht überwacht würden. „Die Gesundheit der Patienten wird auf dem Altar der Versandverliebtheit der Bundesregierung geopfert“, so Freitag. Nur über einen gemeinsamen Vertriebsweg gebe es absolute Sicherheit. Die Warnungen des Großhandels und der Apotheken, dass das Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) nichts bringe, sieht Freitag bestätigt. Wer langfristig was ändern wolle, müsse Apotheken und die Industrie stärken.

Pharma Deutschland: Apotheken weiterentwickeln, nicht abwickeln

Nächster Redner war Jörg Wieczorek, Vorsitzender von Pharma Deutschland. Er vermisst die Wertschätzung für das Gesundheitswesen und betonte: „Die Industrie steht an ihrer Seite.“ Im Hinblick auf die geplanten Reformen sagte er, dass das System mehr Geld brauche und keine Umverteilung. „Für was steht eigentlich das ‚R‘ im ApoRG?“, fragte er, „für Reduzierung oder Restrukturierung?“ 

Apotheken ohne Apotheker könne sich sein Verband auf jeden Fall nicht vorstellen. Wünschenswert wäre in seinen Augen, dass das „R“ für Respekt stehe. Respekt gegenüber den Apotheken, aber auch gegenüber der Pharmaindustrie und dem Großhandel. „‚Apotheke liegt‘ geht gar nicht“, so Wieczorek. „Wir müssen die Apotheken weiterentwickeln, nicht abwickeln“, sagte er weiter. Der Minister schlage aber die Abwicklung vor.

BPI: „Der digitale Fortschritt wird durch Bürokratie zur Schnecke gemacht“ 

Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie (BPI), Oliver Kirst betonte, dass die Industrie an der Seite der Apotheken stehe. Es sei ein wichtiger Moment, um die enge, vertrauensvolle und wertschätzende Zusammenarbeit zwischen Industrie und Apothekern zu betonen. Wertschätzung und Vertrauen seien im öffentlichen Dialog verloren gegangen. 

Die Arzneimittelversorgung sieht er bei den Apothekern in sehr guten Händen. Dafür, dass das auch in Zukunft so bleiben soll, gebe es gute Gründe. Arzneimittel seien keine Konsumgüter. Die sichere Anwendung bedürfe kompetenter Beratung durch Fachkräfte. Die Expertise und das Engagement der Apotheker seien essenziell für eine bestmögliche Versorgung. Die pharmazeutische Industrie schätze das sehr. 

„Apotheke light“ inakzeptabel

Die Vorstellung von „Apotheke light“ findet er inakzeptabel. „Wir dürfen das nicht zulassen, dass Sicherheit und Qualität der Versorgung gefährdet werden.“ In Kirsts Augen erfüllt das Apothekenreformgesetz sein Ziel, die Apotheken vor Ort zu erhalten, nicht. Vielmehr wende es sich vom bekannten und funktionierenden Modell der inhabergeführten Apotheke ab und ebne den Weg für den Fremdbesitz mit Abgabestellen. Das werde die Versorgung verschlechtern und auch zu mehr Kosten führen. 

Wie auch seine Vorredner rief er zum Schulterschluss zwischen Industrie und Apothekerschaft auf – für strukturelle Veränderungen, die die Versorgung verbessern. Sparpolitik und Überregulierung haben die Gesundheitspolitik in eine Sackgasse geführt. Engpässe seien die Konsequenz. Zudem werde der digitale Fortschritt durch Bürokratie zur Schnecke gemacht.

vfa: Impfungen als Chance

Zuletzt ergriff Han Steutel, Vorsitzender des Verbandes der forschenden Pharmahersteller, das Wort. Er kenne die Herausforderungen und die unermüdliche Arbeit, sagte er. Unermüdlich wegen Engpässen, die verschwendete Energie seien, aber auch wegen des Kampfes in den vergangenen Jahren. 

Er sei aber da, um über die Zukunft zu sprechen. Wenn die Reform kommen sollte, bringe sie neue Aufgaben und verändere die Herausforderungen. Steutel möchte aber die Chancen sehen, zum Beispiel, dass künftig Standardimpfungen mit Totimpfstoffen in Apotheken durchgeführt werden können. Das ist in seinen Augen ein Fortschritt, die öffentliche Gesundheit zu verbessern. 

Der vfa-Chef fragt sich allerdings, wie die Regierung die Apotheken sieht? Als Verteilstelle für Arzneimittel oder mehr? In seinen Augen sind sie nämlich eine wichtige Säule der präventiven Medizin. Steutel ist tatsächlich guter Dinge, dass die Impfungen auch kommen, wenn die Apothekenreform nicht kommt über einen Änderungsantrag beim Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz. 

Überdies betonte er die wichtige Rolle der Apotheken bei der Arzneimittelabgabe: „Der beste Wirkstoff ist nur so gut, wie seine Anwendung.“ Steutel fordert daher verlässliche Rahmenbedingungen. „Apotheken sind mehr als eine Medikamentenausgabe, sondern Orte der Begegnung und der Gesundheitsversorgung.“ Sein Appell lautet daher: „Lassen Sie uns gemeinsam mutig und kreativ sein, sie zu gestalten.“ Ein positives Beispiel, wie es gelingen könne, ist in seinen Augen die Pharmastrategie.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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