Podiumsgespräch auf dem DAT

Klares Signal für interprofessionelle Zusammenarbeit in der Prävention

München - 11.10.2024, 13:45 Uhr

Ärzte und Apotheker sollten in der Prävention an einem Strang ziehen, zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf dem Deutschen Apothekertag 2024. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening,  der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Dr. Heribert Schunkert, ABDA-Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel Prof. Dr. Martin Schulz und der niedergelassene Allgemeinmediziner Dr. Jörg Schelling.(Foto: DAZ/Schelbert)

Ärzte und Apotheker sollten in der Prävention an einem Strang ziehen, zu diesem Schluss kamen die Teilnehmer einer Diskussionsrunde auf dem Deutschen Apothekertag 2024. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening,  der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Dr. Heribert Schunkert, ABDA-Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel Prof. Dr. Martin Schulz und der niedergelassene Allgemeinmediziner Dr. Jörg Schelling.(Foto: DAZ/Schelbert)


Wie sollte eine Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten in der Präventionsarbeit aussehen? Diese Frage diskutierten Vertreter beider Berufsgruppen in einem Podiumsgespräch beim Deutschen Apothekertag in München. Grundlage der Diskussion waren die Inhalte von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs (SPD) geplantem Gesundes-Herz-Gesetz. 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden in Deutschland zu spät erkannt, das demonstrierte Prof. Dr. Heribert Schunkert, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung e.V., in seinem Impulsvortrag zum Podiumsgespräch zur interprofessionellen Zusammenarbeit in der Prävention auf dem Deutschen Apothekertag in München eindrücklich. Trotz hoher Ausgaben im Gesundheitswesen ist die Sterblichkeit im Vergleich zu anderen Ländern erhöht. 

Der Kardiologe betonte, dass sich die kardiovaskulären Risikofaktoren nicht addieren, sondern multiplizieren, das Ausschalten jedes einzelnen vermeidbaren Faktors senke daher das Risiko erheblich. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe dies zum Anlass genommen mit dem Gesundes-Herz-Gesetz eine nationale Strategie zu entwickeln. Man konzentriert sich dabei auf vermeidbare Faktoren wie erhöhte Cholesterin- und Blutdruckwerte, Apotheken dienen als niedrigschwellige Anlaufstellen.

„Multifaktorielle Ursachen erfordern multifaktorielle Lösungen. Und multifaktorielle Lösungen erfordern eine interprofessionelle Zusammenarbeit. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen als Apotheker“, schloss Schunkert seine Ausführungen.

Prävention in Apotheken wirkt

Prof. Dr. Martin Schulz, Apotheker und ABDA-Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel, stellte Daten zur Evidenz der Prävention in den Apotheken vor. „Die Apotheke ist der richtige Ort für niedrigschwellige präventive Leistungen“ war sein Credo. Montag bis Samstag erreichbar, haben Pharmazeuten den Vorteil, dass sie Patienten rund zehnmal häufiger sehen als die behandelnden Ärzte, zudem auch die Menschen, die gar keinen Hausarzt haben. 

Zu den ärztlichen Gesundheits-Check-Ups haben sich 2019 nur 31,6 Prozent der anspruchsberechtigten GKV-Versicherten angemeldet, das Angebot werde also offensichtlich nicht angenommen. Die Apotheke nimmt hier nicht den Ärzten Patienten weg, sondern führe systematische Vorfelduntersuchungen vieler Menschen durch, um diejenigen zu finden, die ärztliche Behandlung benötigen und diese dann an den Arzt zu verweisen, so Schulz.

Die Evidenz für die Primärprävention in der Apotheke ist da

Schulz hatte Zahlen dabei, die zeigen, wie wirksam Präventionsleistungen der Apotheke sein können. So einen ersten Zwischenstand zu den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL): In einer Erhebung hatten 56 Prozent der Patienten, bei denen die pDL „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ durchgeführt wurde, einen Blutdruck im „roten“ Bereich des Dokumentationsbogens, wurden also angewiesen, in den nächsten vier Wochen einen Arzt aufzusuchen. 

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In einer anderen Studie wurde bei sechs Prozent der Blutdruckmessungen im Rahmen der pDL eine hypertensive Dringlichkeit gefunden, die sofort behandelt werden musste. „Wie man bei diesen Zahlen als GKV die Schiedsstelle verklagen kann, weil Apotheken Blutdruck messen dürfen, ist mir ein einziges Rätsel“, resümierte Schulz. 

Fraktionierung der Gesundheitsversorgung vermeiden

Die Diskussionsrunde wurde vervollständigt durch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening und Prof. Dr. Jörg Schelling, niedergelassener Allgemeinmediziner. Schelling reagierte zustimmend auf die Frage, ob er Bedarf für Primärprävention in Apotheken sehe, der Bedarf in der Bevölkerung sei allgemein groß. Er habe jedoch Angst vor einer Fraktionierung der Gesundheitsversorgung. Apotheker und Arzt müssten hier gut zusammenarbeiten, der Patient zur langfristigen Begleitung zum Hausarzt weitergeleitet werden.

Schunkert unterstrich diese Position: „Wichtig ist, dass am Schluss eine gemeinsame klare Botschaft aller Akteure an den Patienten gerichtet wird“. Es müsse ein Konsens über Grenzwerte und Risikoscores herrschen. „Es unterscheiden sich ja sogar die Leitlinien, nach denen Hausärzte und Kardiologen arbeiten, da darf auf keinen Fall eine dritte Meinung der Apotheker dazukommen“, unterstrich der Kardiologe seine Forderung nach einer interprofessionellen Zusammenarbeit.

Overwiening fordert angemessene Honorierung

Die ABDA-Präsidentin befürwortete, dass Präventionsmaßnahmen zu honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen werden. Die Krankheitslast wird damit perspektivisch gesenkt und dadurch Kosten im Gesundheitssystem eingespart.

Allerdings müssten sich die Rahmenbedingungen für Apotheken ändern und die Honorierung verbessert werden. „Wir müssen unser dafür qualifiziertes Personal ja auch angemessen bezahlen“, betonte Overwiening. Vor allem widersprechen sich die Einbeziehung der Apotheker in die Prävention, wie sie im Gesundes-Herz-Gesetz geplant ist, und die Idee einer „Apotheke ohne Apotheker“, die das Apotheken-Reformgesetz vorsieht, das machte Overwiening deutlich. Apotheker könnten sich nur zum Vorteil der Patientinnen und Patienten in der Prävention einbringen, wenn das Apotheken-Reformgesetz in der vorgesehen Form nicht kommen würde.

Schulterschluss zwischen Ärzten und Apothekern

Martin Schulz endet mit einem flammenden Plädoyer für die Präventionsarbeit in Apotheken: „So ein Projekt hebt das Arbeiten in der Apotheke auf ein ganz anderes Level. Auf einmal fühlen sich die Apotheker dafür zuständig, Gesundheit in der Bevölkerung zu schaffen. Also Leute, lasst es uns machen!“ Jörg Schelling rief Ärzte und Apotheker dazu auf, sich in dieser Situation nicht auseinanderdividieren zu lassen. „Wir müssen den Schulterschluss suchen, Apotheker, Hausärzte und Kardiologen müssen gemeinsam auftreten, einen Konsens finden. Das wird nicht easy sein, aber wir sind in der Lage dazu!“

Auch Overwiening griff die Idee des Schulterschlusses auf und schlug vor, in Zukunft zu zweit, jeweils Apotheker und Arzt gemeinsam, Gespräche mit Parlamentariern zu führen, damit diese sehen, dass Ärzte und Apotheker an einem Strang ziehen.


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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