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Defizite bei Datenschutz und Information
Experten fordern bessere Aufklärung der Bevölkerung über ePA für alle
Während Umfragen bisher eine hohe Akzeptanz der Deutschen für die elektronische Patientenakte „für alle“ nahelegen, warnen Datenschutzexpert*innen davor, dass es zunächst zu intransparent sei, wer auf die Daten zugreifen kann. Zudem sehen Kritiker*innen die Bundesregierung in der Pflicht, besser über die Neuerung zu informieren.
Im kommenden Januar soll die elektronische Patientenakte „für alle“ kommen. Laut einer Umfrage im Auftrag der AOK Nordost wollen zukünftig 75 Prozent der Berliner*innen ihre Gesundheitsdaten über die ePA einsehen, teilte die Kasse am heutigen Freitag mit. Bisher haben nur 0,5 Prozent der von der AOK kontaktierten Versicherten in der Hauptstadt Widerspruch gegen die ePA-Erstellung eingereicht, nachdem sie von der Kasse per Brief über die Neuerung informiert worden waren.
Laut der Umfrage befürworten 60 Prozent die beschlossene „Opt-Out“-Lösung, 19 Prozent lehnen diese ab, 21 Prozent zeigten sich unentschieden. Die Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, Daniela Teichert, sieht hier noch Aufklärungsbedarf: „Die Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner Interesse daran hat, in ihrer ePA zum Beispiel Arztberichte, Laborbefunde oder Medikationspläne einzusehen. Anderseits zeigt sie auch, dass es noch Informationsbedarf bei unseren Versicherten gibt. Wir schreiben deshalb derzeit all unsere Berliner Versicherten an, um sie über das Thema zu informieren“.
Intransparente Zugriffsrechte
Doch es gibt auch kritische Stimmen von Experten, die aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken zu einem Widerspruch raten. Der Informatiker und Jurist Martin Weigele sagte gegenüber dem WDR, dass es äußerst bedenklich sei, dass erst ab dem 1. Januar 2030 die Zugriffe und die versuchten Zugriffe auf personenbezogene Daten in der ePA protokolliert werden sollen. Das bedeute, „dass anonym irgendwelche Dinge jetzt abgefragt werden können, die in dieser Patientenakte gespeichert werden und niemand nachvollziehen kann, wer auf diese Daten zugreifen kann bis zum Jahr 2030. Das finde ich schon einen ziemlichen Hammer“.
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Die Bundesregierung widerspricht dieser Darstellung gegenüber dem MDR: „Jeder ePA-Nutzer sieht, wer was wann in seiner ePA gemacht hat. Die Regelung für 2030 ergänzt dies lediglich darum, dass ab dann bei Zugriffen durch Institutionen erkennbar sein muss, welche Person konkret auf die ePA zugegriffen hat.“
Auf ihrer Internetseite schreibt die Bundesregierung zur Datensicherheit der ePA, dass niemand außer den Zugriffsberechtigten auf die Daten zugreifen könne. Erst wenn man durch das Einlesen der elektronischen Gesundheitskarte in der Praxis den behandelnden Ärzt*innen eine Zugriffsberechtigung erteile, hätten diese „zeitlich und inhaltlich“ begrenzten Zugriff, heißt es.
Bundesregierung muss besser informieren
Auch der Informationssicherheitsexperte Hartmut Pohl sieht Defizite und forderte die Bundesregierung dazu auf, einfacher und transparenter aufzuklären, berichtet die Hessische/Niedersächsische Allgemeine. Zudem bemängelte er, dass durch die ePA sensible Daten der Patient*innen einsehbar würden: „Wenn man zum Zahnarzt geht, ist das lapidar. Da kann das in die Akte eingehen. Aber wie sieht es mit psychischen Erkrankungen aus? Geschlechtskrankheiten, nennen wir das doch mal. Oder Schwangerschaftsabbrüche, Fehlgeburten, will das die Patientin?“
Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Louisa Specht-Riemenschneider, hat im Rahmen eines Gesprächsforums verdeutlicht, dass Fragen des Datenschutzes von zentraler Bedeutung für den Erfolg der ePA sind. Darüber berichtete das „Ärzteblatt“ an diesem Donnerstag. Hoher Datenschutz sei der „Erfolgsfaktor“. Ihrer Meinung nach wäre ein Opt-In-Verfahren aus datenschutzrechtlicher Sicht zu bevorzugen gewesen, sagte sie. Laut Specht-Riemenschneider gibt es außerdem noch einigen Klärungsbedarf vor der Einführung der ePA für alle: Vor allem bei Fragen der Authentifizierungsmöglichkeiten und des Berechtigungsmanagements, heißt es. Zudem kritisierte sie die Bundesregierung, zu wenig zu tun, um die Bürger*innen über die ePA-Einführung zu informieren: „Warum gibt es kein Kommunikationskonzept dazu, obwohl wir wissen, dass dies die einzige Möglichkeit ist, Menschen am Ende zu befähigen, eine informierte Entscheidung zu treffen?“
Elektronische Patientenakte
Das Infomobil zur ePA rollt an
Ähnlich sieht das auch die Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherschutz beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): Hier sei noch „sehr viel Luft nach oben“. Nur auf der Grundlage verständlicher Informationen könnten die Bürger*innen eine bewusste Entscheidung zu dieser Frage treffen. Auch Eva Winkler, die seit kurzem Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, gab zu bedenken, dass eine große Kampagne zu diesem Thema sinnvoll gewesen wäre. Auf ihrer Homepage weist die Bundesregierung den Krankenkassen und Ärzt*innen die Verantwortung zu, über die ePA und das Widerspruchsrecht zu informieren.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) rollte Ende September – „gut 100 Tage vor dem Start“, wie sie schreibt – eine Kampagne aus. Mit Plakaten und Beiträgen im Radio und Fernsehen will man über die Vorzüge der ePA informieren. Zudem rollt seit Anfang Oktober das „ePA-Infomobil“ des BMG durch Deutschland und macht Halt in immerhin sieben deutschen Städten. Nach bisherigen Stopps in Dresden, Nürnberg und Erfurt, können Interessierte noch in Kassel (19.10.), Mainz (21-22.10.), Bonn (25.-26.10.) und Hamburg (28.-29.10.) einen Blick ins Infomobil werfen.
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