Vorteile überwiegen Nachteile

Hormonspirale: Brustkrebsrisiko leicht erhöht

18.10.2024, 16:30 Uhr

Die Nutzung Levonorgestrel-haltiger intrauteriner Systeme (LNG-IUS) zur Kontrazeption hat in Dänemark zugenommen, schreiben die Autoren eines aktuellen Research Letters. (Foto: Mariakray/AdobeStock)

Die Nutzung Levonorgestrel-haltiger intrauteriner Systeme (LNG-IUS) zur Kontrazeption hat in Dänemark zugenommen, schreiben die Autoren eines aktuellen Research Letters. (Foto: Mariakray/AdobeStock)


Levonorgestrel-haltige intrauterine Systeme erhöhen das Risiko für Brustkrebs in geringem Ausmaß. Das stellten die Autoren einer aktuell veröffentlichen Studie des dänischen Krebsinstituts fest. Wie ordnen Experten den Befund ein?

In der Studie, die als Research Letter im Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurde, wurden anhand landesweiter dänischer Datenregister 78.595 neue Nutzerinnen eines intrauterinen Systems mit Levonorgestrel (LNG-IUS, „Hormon-Spirale“) in den Dosierungen 52 mg, 19,5 mg oder 13,5 mg identifiziert. Die Frauen waren im Zeitraum von 2000 bis 2019 zwischen 15 und 49 Jahre alt. Für die Analyse wurden sie nach Geburtsjahr im 1:1-Vergleich mit 78.595 Frauen gematcht, die keine hormonellen Kontrazeptiva anwendeten. Sie wurden bis Dezember 2022 nachbeobachtet oder so lange, bis ein Ereignis auftrat, wie eine Brustkrebs- oder andere Krebsdiagnose, Schwangerschaft, Beginn einer postmenopausalen Hormontherapie, Auswanderung oder Tod.

Erhöhtes Brustkrebsrisiko

Über eine mittlere Nachbeobachtungszeit von 6,8 Jahren wurde bei insgesamt 1617 Frauen Brustkrebs diagnostiziert. Das Risiko für Anwenderinnen eines LNG-IUS war im Vergleich zur Nichtanwendung von hormonellen Kontrazeptiva erhöht (hazard ratio [HR]= 1,4, 95%- Konfidenzintervall [95%-KI] = 1,2 bis 1,5). Schaute man sich das Risiko für Brustkrebs mit Blick auf die Länge der Anwendung eines LNG-IUS in Fünfjahres-Intervallen an, konnte festgestellt werden, dass:

  • bei einer Anwendung von 0 bis 5 Jahren 14 von 10.000 Nutzerinnen im Vergleich zu Nichtnutzerinnen zusätzlich an Brustkrebs erkrankten (HR = 1,3, 95%-KI = 1,1 bis 1,5).
  • Bei einer Anwendung von mehr als 5 bis 10 Jahre waren es 29 Frauen (HR = 1,4, 95%-KI = 1,1 bis 1,7),
  • bei Anwendung über mehr als 10 bis 15 Jahren 71 Frauen, die zusätzlich ein Mammakarzinom entwickelten (HR = 1,8, 95%-KI =1,2 bis 1,6).

Allerdings war der Trendtest, um Unterschiede in der Dauer der Anwendung zu untersuchen, statistisch nicht signifikant. Das Brustkrebsrisiko steige nicht mit der Dauer der Anwendung, schreiben die Autoren. Grundsätzlich ist das absolute Brustkrebsrisiko bei jungen Frauen gering. Die Studienautoren konkludieren, dass bei Anwendung eines LNG-IUS 14 von 10.000 Anwenderinnen ein zusätzliches Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken. Das in der Studie festgestellte Risiko einer kurzzeitigen LNG-IUS-Anwendung sei dabei ähnlich hoch wie das bei der Einnahme eines oralen Kontrazeptivums (HR =1,2) [2], welches in einer früheren Studie festgestellt wurde.

Vorteile der hormonellen Empfängnisverhütung überwiegen Nachteile

Das britische Science Media Centre befragte Experten zur Studie. Prof. Amy Berrington de Gonzalez, Institut für Krebsforschung in London, erklärte, dass die Ergebnisse mit früheren Studien übereinstimmten, in denen ein geringfügig erhöhtes Brustkrebsrisiko für Anwenderinnen von hormonellen Kontrazeptiva festgestellt wurde. Mit den Intrauterinsystemen mit Levonorgestrel werde für eine weitere Gruppe von Kontrazeptiva gezeigt, dass sie die Brustkrebswahrscheinlichkeit erhöhen. Das festgestellte Risiko (14/10.000) sei gering und müsse zusammen mit den Vorteilen der Verhütungsmittel betrachtet werden. Für junge Frauen sei das Risiko wahrscheinlich noch geringer, weil ihr Brustkrebsrisiko niedriger sei. 

Intrauterinsysteme mit Levonorgestrel

In Europa kommen intrauterine Systeme („Spiralen“) bei circa 8% der Paare als Verhütungsmethode zum Einsatz. Neben Levonorgestrel-haltigen werden auch Kupfer-haltige Systeme angewendet. Auf dem deutschen Markt befinden sich Produkte mit unterschiedlicher Levonorgestrel-Dosis, die unterschiedlich lang eingesetzt werden:

  • 52 mg (Mirena®, Levosert®), Anwendung bis zu acht bzw. sechs Jahren
  • 19,5 mg (Kyleena®), Anwendung bis zu fünf Jahren oder
  • 13,5 mg (Jaydess®), Anwendung bis zu drei Jahren.

Das Wirkprinzip: 

In dem Schaft der Systeme befindet sich ein Levonorgestrel-Depot, aus dem täglich ca. 14 bis 20 Mikrogramm Wirkstoff innerhalb der Gebärmutterhöhle abgegeben werden. Dadurch wird der Zervixschleim dickflüssiger und Spermien können ihn schlechter durchdringen, außerdem wird ihre Beweglichkeit und Fähigkeit zur Befruchtung eingeschränkt. Die Wirkung ist vorwiegend, aber nicht ausschließlich lokal [4, 5].

Dr. Channa Jayasena, Reproduktionsendokrinologe am Imperial College London, erklärte, dass die Ergebnisse der Studie unerwartet seien, da die Hormonbelastung des Körpers durch ein intrauterines System viel geringer sei als bei einer oralen Einnahme. Er gab zu bedenken, dass die Autoren der Studie zwar sicherstellten, dass die beiden Frauenpopulationen in Bezug auf Alter, Gewicht und Bildung übereinstimmten, allerdings seien Verhaltensweisen wie das Rauchen nicht berücksichtigt worden. Es könne sein, dass einbezogene Frauen, die keine Arzneimittel angewendet haben, gesünder gelebt hätten. Ein Vergleich mit oralen Kontrazeptiva sei schwierig zu bewerten. Es sei bedauerlich, dass in der Studie nicht das Risiko von Anwenderinnen der LNG-IUS gegenüber Anwenderinnen oraler Kontrazeptiva verglichen wurde. Er merkte an, dass Rauchen, Fettleibigkeit und Alkohol viel wichtigere Risikofaktoren für Mammakarzinome seien als empfängnisverhütende Mittel.

Mehr zum Thema

Mammakarzinom durch orale Verhütung?

Gestagen-haltige Kontrazeptiva und das Brustkrebsrisiko

Dr Mangesh Thorat, Chirurg für Brustchirurgie am Universitätskrankenhaus Homerton, Queen Mary Universität London, weist darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen oralen Kontrazeptiva und einem Anstieg des Brustkrebsrisikos seit Jahren bekannt sei und die Vorteile einer hormonellen Empfängnisverhütung gegenüber den Nachteilen überwiegen. Das Grundrisiko bei jungen Menschen sei gering und steige mit zunehmendem Alter, daher sei es sinnvoll, dass Frauen ab einem Alter von 40 Jahren mit ihrem Arzt über nicht-hormonelle Verhütungsmethoden sprechen [4].

Literatur

[1] Steinrud Mørch L et al. Breast Cancer in Users of Levonorgestrel-Releasing. Research Letter. JAMA 2024,

[2] Mørch LS et al. Contemporary hormonal contraception and the risk of breast cancer. N Engl J Med 2017;377(23):2228-2239, doi:10.1056/NEJMoa1700732

[3] Expert reaction to breast cancer in users of Levonorgestrel-Releasing Intrauterine Systems. Information des Science Media Centre vom 16. Oktober 2024, www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-breast-cancer-in-users-of-levonorgestrel-releasing-intrauterine-systems/

[4] Skala C. Intrauterine Kontrazeption. Gynäkol Prax 2024; 34,4–8, doi: 10.1007/s41974-024-00296-z

[5] Fachinformation der genannten Präparate


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Experten schätzen Gefahr durch die Hormon-Spirale als gering ein

Brustkrebsrisiko leicht erhöht

Risiko bei langjähriger Anwendung auch nach Absetzen erhöht

Brustkrebs durch hormonelle Verhütung?

Levonorgestrel-haltige Intrauterinsysteme mit aktualisierten Hinweisen

Neue Risiken unter Mirena und Co.

Klein und niedrig dosiert für die Langzeitkontrazeption

Neue Spirale auch für junge Frauen

Mammakarzinom durch orale Verhütung?

Gestagen-haltige Kontrazeptiva und das Brustkrebsrisiko

Auch Estrogen-freie Kontrazeptiva sind mit vorübergehend erhöhtem Brustkrebsrisiko assoziiert

Nutzen und Risiken von Gestagenen abwägen

Hormonelle Kontrazeptiva und Brustkrebs

„Die Pille ist sicher, sie ist es nicht …“

Langzeitdaten zum Brustkrebsrisiko bringen überraschende Erkenntnisse

(Un)sichere Hormontherapie

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.