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Lebensrettender Durchbruch
JAK-Hemmer als Therapie für toxische epidermale Nekrolyse
Die lebensgefährliche toxische epidermale Nekrolyse als Reaktion auf bestimmte Arzneimittel kann bisher nur supportiv behandelt werden. Einem internationalen Team um Münchner Wissenschaftler gelang nun eine bahnbrechende Entdeckung: Sie identifizierten einen überaktiven JAK-STAT-Signalweg als möglichen Auslöser der Arzneimittelreaktion und behandelten erste Patienten bereits off-label mit JAK-Inhibitoren.
Die toxische epidermale Nekrolyse gilt als seltene, aber schwerwiegende Komplikation einer Arzneimitteltherapie. Dabei entstehen großflächige Erytheme und Blasen auf der Haut, die zum Ablösen der Epidermis führen. Die darunterliegende Dermis wird freigelegt, was nicht nur schmerzhaft ist, sondern auch eine Pforte für große Flüssigkeitsverluste und Infektionen darstellt. 30% der Patienten sterben an der Arzneimittelreaktion. Bekannte Auslöser sind Allopurinol, Sulfonamide sowie verschiedene Antikonvulsiva. Der genaue Pathomechanismus ist ungeklärt, eine wirksame Therapie existiert deshalb bis heute nicht. Den behandelnden Ärzten bleibt nur, das Arzneimittel abzusetzen und die Patienten mit unterstützenden Maßnahmen zu versorgen.
Neue Technologie
Ein Durchbruch könnte nun einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Prof. Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und Prof. Lars French vom LMU Klinikum München gelungen sein. Ihre Ergebnisse publizierten sie im Fachjournal Nature [1]. Die Forscher bedienten sich einer von Mann entwickelten Technologie, der räumlichen Proteomik, mit der sie archiviertes Hautmaterial von Patienten untersuchten. Dafür wurden die Proben mittels KI-gestützter Mikroskopie analysiert, um Keratinozyten und Immunzellen zu identifizieren. Die einzelnen Zellpopulationen wurden dann mithilfe eines Lasers ausgeschnitten, um das Proteom der Zellen in einem Massenspektrometer zu erfassen.
Überaktivierung des JAK-STAT-Signalwegs
Sowohl in Keratinozyten als auch in Immunzellen waren Proteine des JAK-STAT-Signalweges deutlich heraufreguliert. Der JAK-STAT-Signalweg ist das zentrale Scharnier der Signaltransduktion unzähliger Zytokine und Wachstumsfaktoren. In den Hautproben war es vor allem der Interferon-Signalweg, der stimuliert war. Bindet ein Interferon an seinen Rezeptor, phosphorylieren die Januskinasen (JAK) die STAT-Proteine (Signal Tranducers and Activator of Transcription), die als Transkriptionsfaktoren in den Zellkern wandern und dort die Transkription verschiedener Gene anstoßen und so beispielsweise das Entzündungsgeschehen beeinflussen. JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib (Xeljanz®) oder Baricitinib (Olumiant®) werden bisher therapeutisch vor allem bei rheumatoider Arthritis und atopischer Dermatitis eingesetzt. Die Wissenschaftler testeten die Substanzen nun zum ersten Mal in In-vitro- und In-vivo-Modellen der toxischen epidermalen Nekrolyse. Mit Erfolg: Beispielsweise besserten orales Tofacitinib oder Baricitinib das Krankheitsbild von Mäusen mit induzierter toxischer epidermaler Nekrolyse und beschleunigten die Abheilung der Epidermis.
Erfolg bei ersten Patienten
Auf Basis dieser Ergebnisse behandelten die chinesischen Kooperationspartner im Krankenhaus der Medizinischen Universität in Fujian testweise sieben Patienten mit den JAK-Inhibitoren Abrocitinib oder Tofacitinib. Die Genesung erfolgte rasch und vollständig. Als Beispiel ein 59jähriger Patient: Bereits nach zwei Tagen kam sein Krankheitsgeschehen zum Erliegen, nach vier Tagen zeigten sich erste Zeichen der Reepithelialisierung, die nach 16 Tagen fast vollständig abgeschlossen war. Lars French vom LMU-Klinikum schlussfolgert: „Die neuen Beweise, dass die Hemmung des JAK-STAT-Signalwegs das Potenzial hat, die hohe Sterblichkeit dieser schweren kutanen Arzneimittelreaktion zu reduzieren, ebnet den Weg für klinische Studien zur Zulassung von JAK-Inhibitoren, um einen der bedeutendsten ungedeckten medizinischen Bedarfe zu lösen [2].“
Literatur
[1] Nordmann TM et al. Spatial proteomics identifies JAKi as treatment for a lethal skin disease. Nature 2024, doi: 10.1038/s41586-024-08061-0
[2] Neue Technologie rettet Leben von Patienten mit tödlicher Hautreaktion. Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft vom 16. Oktober 2024, www.mpg.de/23573632/1014-bioc-20241016-nordmann-mann-153945-x
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