Krebsvorsorge Kolorektalkarzinom

Darmkrebs-Screening besser schon mit 45?

Stuttgart - 28.10.2024, 10:45 Uhr

In einer retrospektiven Kohortenstudie war die Darmkrebsrate bei 45-49-Jährigen gleich hoch wie bei 50-Jährigen. Wäre ein früheres Darmkrebs-Screening ab 45 Jahren sinnvoll? (Foto: saichon / AdobeStock)

In einer retrospektiven Kohortenstudie war die Darmkrebsrate bei 45-49-Jährigen gleich hoch wie bei 50-Jährigen. Wäre ein früheres Darmkrebs-Screening ab 45 Jahren sinnvoll? (Foto: saichon / AdobeStock)


Menschen im Alter von 45 bis 49 Jahren sind motivierter für Stuhltests zur Darmkrebsvorsorge als 50-Jährige. Und: Die Darmkrebsrate ist in beiden Altersgruppen ähnlich hoch. Grund für ein früheres Darmkrebs-Screening bereits ab 45 Jahren?

Die gesetzlichen Krankenkassen kommen derzeit für die Kosten einer Darmspiegelung (Koloskopie) auf, und zwar bei Männern ab 50 Jahren und bei Frauen ab 55 Jahren. Die Darmspiegelung ist laut dem Deutschen Krebsinformationsdienst derzeit die „zuverlässigste Methode zur Darmkrebsfrüherkennung“. Ab 50 Jahren übernehmen die Krankenkassen Schnelltests, die Blut im Stuhl nachweisen (zwischen 50 und 54 Jahren jährlich, ab 55 Jahren zweijährlich). Diese „immunologischen fäkalen Okkultbluttests“ (iFOBT) oder „fäkalen immunchemischen Tests“ (FIT) weisen menschliches Blut mithilfe von Hämoglobin-Antikörpern quantitativ nach [1].

Ausländische Fachgesellschaften empfehlen Screening ab 45 Jahren

Sind wir zu spät dran mit dem Start der Darmkrebsprävention? Die „American Cancer Society“ rät seit 2018 bereits ab einem Alter von 45 Jahren zum Darmkrebs-Screening, eine starke Empfehlung spricht sie dann für Menschen ab einem Alter von 50 Jahren aus [2]. Und auch die „U.S. Preventive Services Task Force“ (USPSTF) aktualisierte ihre Richtlinien im Jahre 2021 und empfiehlt seither ebenfalls ein Screening ab 45 Jahren, es könne einen „moderaten Benefit“ haben [3]. In direkter Nachbarschaft raten die Österreichische Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie seit diesem Jahr ab 45 Jahren wahlweise zur Koloskopie oder dem FIT-Stuhltest [4]

Eine im Oktober 2024 im Fachjournal „Annals of Internal Medicine“ veröffentlichte retrospektive Kohortenstudie stützt nun diese Empfehlungen der Fachgesellschaften [5]. Ein Team um Theodore R. Levin [Abteilung für Forschung der Kaiser Permanente Northern California (Oakland) und Kaiser Permanente Bernard J. Tyson School of Medicine (Pasadena)] evaluierte die Durchführung und den Benefit eines FIT bei Menschen zwischen 45 bis 49 Jahren und 50 Jahren, und zwar drei Monate nachdem diese das Testkit erhalten hatten.

Jüngere Menschen motivierter für Stuhltest

Von insgesamt 267.732 FIT-Kits gingen 213.928 (79,9 Prozent) an die jüngere Zielgruppe und 53.804 (20,1 Prozent) an 50-Jährige. Bei den 45- bis 49-Jährigen machten 38.9 Prozent den Stuhltest – mehr als bei den 50-Jährigen (37,5 Prozent). Die adjustierte Risk-Ratio lag bei 1,05 (95-Prozent-KI: 1,04 bis 1,06), was bedeutet, dass die Chance, dass der Test durchgeführt wurde, bei jüngeren Menschen sogar 5 Prozent höher lag.

Positiver Stuhltest in beiden Altersgruppen gleich häufig

Das Risiko, dass der FIT positiv ausfiel, war bei jüngeren Menschen 9 Prozent geringer als bei 50-Jährigen (3,6 Prozent vs. 4 Prozent, aRR 0,91 [95%-KI = 0,84  bis 0,98]), allerdings erhielten beide Altersgruppen vergleichbar häufig eine anschließende Koloskopie (45-49-Jährige: 64,9 Prozent vs. 50-Jährige: 67,4 Prozent, aRR = 0,91 [95%-KI 0,94 bis 1,05]).

Vergleichbar hohe Darmkrebsraten

Interessant wird es, wenn es sodann um die Nachweisraten für kolorektale Karzinome geht: 2,8 Prozent bei 45-49-Jährigen und 2,7 Prozent bei 50-Jährigen bei einer adjustierten Risk Ratio von 1,10, womit die Chance, Krebs zu detektieren bei den jüngeren 10 Prozent höher lag. Jeweils vergleichbar hohe Erfolgsraten in beiden Studiengruppen bei der Koloskopie gab es bei Adenomen mit fortgeschrittener Histologie (13,2 Prozent vs. 15,9 Prozent; aRR = 0,86 [95%-KI = 0,69 bis 1,07]), Polypen mit hochgradiger Dysplasie (3,4 Prozent vs. 5,1 Prozent; aRR = 0,68 [95%-KI = 0,44 bis 1,04]) und einer Darmkrebsvorstufe, den sessilen serratierten Läsionen (10,3 Prozent vs. 11,7 Prozent; aRR = 0,92 [95%-K I= 0,71 bis 1,21]).

Adenome, also gutartige Wucherungen, konnten bei jüngeren Probanden hingegen seltener entdeckt werden (58,8 Prozent vs. 67,7 Prozent; aRR = 0,88 [95%-KI = 0,83  bis 0,95]).

Früheres Screening sinnvoll

Die ähnlich hohe Inanspruchnahme von Stuhltests sowie die vergleichbar hohe Rate an Darmkrebsfällen in beiden Altersgruppen stützt nach Ansicht der Studienautorinnen ein früheres Darmkrebs-Screening bereits ab 45 Jahren.

 

Literatur

[1] Deutscher Krebsinformationsdienst: Darmkrebsfrüherkennung

[2] Wolf AMD, Fontham ETH, Church TR, et al. Colorectal cancer screening for average-risk adults: 2018 guideline update from the American Cancer Society. CA Cancer J Clin. 2018;68:250-281. [PMID: 29846947] doi: 10.3322/caac.21457

[3] Davidson KW, Barry MJ, Mangione CM, et al; US Preventive Services Task Force. Screening for colorectal cancer: US Preventive Services Task Force recommendation statement. JAMA. 2021;325:1965-1977. [PMID: 34003218] doi: 10.1001/jama.2021.6238

[4] Pressemitteilung: Neue Darmkrebsvorsorge-Empfehlung: bereits ab 45! Österreichische Krebshilfe (27.02.2024)

[5] Theodore R. Levin, Christopher D. Jensen, Natalia Udaltsova, et al. Colorectal Cancer Screening Completion and Yield in Patients Aged 45 to 50 Years: An Observational Study. Ann Intern Med. [Epub 22 October 2024]. doi:10.7326/M24-0743


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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