Pandemie-Folgen für Jugendliche

Hirnalterung durch Lockdown beschleunigt

Berlin - 28.10.2024, 09:15 Uhr

Der Corona-Lockdown hinterlässt Spuren in den Köpfen junger Menschen. (Foto: IMAGO / imagebroker)

Der Corona-Lockdown hinterlässt Spuren in den Köpfen junger Menschen. (Foto: IMAGO / imagebroker)


Während der COVID-19-Pandemie mussten sich Kinder und Jugendliche zum Schutz ihrer älteren Mitmenschen sozial isolieren. Das hat körperliche Folgen für die Betroffenen. Insbesondere bei Mädchen konnte eine deutlich beschleunigte Hirnalterung infolge des Lockdowns nachgewiesen werden.  

Nach 2020 zeigten die zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie ergriffenen Maßnahmen wie Lockdowns und soziale Distanzierung Wirkung: Viele Risikopatienten konnten vor einem schweren Verlauf bewahrt werden. Jugendliche, insbesondere junge Mädchen, litten jedoch überproportional unter den Nebenwirkungen. Bei ihnen nahmen psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen während der Pandemie zu, wie eine Reihe von Studien zeigte. 

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Einen ersten physischen Beweis hat nun ein Team von Entwicklungsforschern der University of Washington erbracht. Bereits 2018 hatten sie 160 jungen Amerikanern per Magnetresonanztomographie (MRT) ins Gehirn geschaut ‒ genauer gesagt in die graue Substanz. 

Das Volumen der grauen Substanz nimmt ab Beginn der Pubertät ab, weil immer mehr Synapsen durch Myelinscheiden stabilisiert werden und dadurch heller werden. Die graue Substanz weicht der wachsenden weißen Substanz. Dadurch arbeitet das Gehirn effizienter, kann sich aber weniger schnell anpassen. 

Mädchen stärker betroffen als Jungen

Aus den MRT­-Aufnahmen entwickelten die Forscher ein Modell, mit dem sie berechneten, wie schnell dieser Prozess unter normalen Bedingungen ablaufen würde. Im Jahr 2021 kamen 130 der Probanden erneut zur MRT-Untersuchung. Im Vergleich zur Modellrechnung der Studienautoren hatte sich die Hirnalterung während der Pandemie bei den Jungen um gut ein Jahr beschleunigt, bei den Mädchen sogar um 4,2 Jahre.

Farbig markiert sind Hirnregionen, in denen die graue Substanz schneller ausgedünnt ist – links bei Mädchen und rechts bei Jungen.

Nach Ansicht der Studienautoren könnte dies daran liegen, dass Mädchen stärker als Jungen darauf angewiesen sind, ihre Sorgen mit Gleichaltrigen zu teilen. Die Ergebnisse sind alarmierend, da eine beschleunigte Hirnreifung mit einem erhöhten Risiko für psychiatrische Erkrankungen einhergeht. 

Allerdings ist eine vorzeitige Hirnreifung kein eindeutiger Indikator für eine Erkrankung. Für diejenigen, die stärker unter den Nebenwirkungen der Pandemie-Maßnahmen gelitten haben, ist heute mehr Unterstützung erforderlich, so die Schlussfolgerung der Autoren.

Literatur

Corrigan NM, Rokem A, Kuhl PK et al. COVID-19 lockdown effects on adolescent brain structure suggest accelerated maturation that is more pronounced in females than in males. PNAS 2024, www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2403200121


Marius Penzel, Apotheker
redaktion@daz.online


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