Zusammenschluss der e-Pharma-Lobbys

OnHome Alliance will Rx-Versand in allen Ländern der EU durchsetzen

Berlin - 30.10.2024, 16:15 Uhr

Die OnHome Alliance vereint viele unterschiedliche Mitglieder mit demselben Ziel. (Screenshot: onhomealliance.pharmacy)

Die OnHome Alliance vereint viele unterschiedliche Mitglieder mit demselben Ziel. (Screenshot: onhomealliance.pharmacy)


Bisher können nur in acht von 27 Staaten der Europäischen Union verschreibungspflichtige Arzneimittel über den Versandhandel bezogen werden. Deshalb haben sich unterschiedliche Akteure zu einem neuen Dachverband vereinigt, mit dem Ziel, das Rx-Versandverbot EU-weit zu kippen.

Online-Arzneiversender, Pharmahersteller und unterschiedliche andere Wirtschaftsakteure wollen stärkeren Druck auf die Entscheidungsträger der EU ausüben, um das Geschäftsfeld für den Versand von Rx-Arzneimitteln in Europa zu erweitern. Dafür haben sich an diesem Dienstag verschiedene Branchenorganisationen in Brüssel zur „Online Order and Home Delivery of Medicines Alliance“ (OnHOME) zusammengeschlossen, berichtet die neu gegründete Organisation auf ihrer Internetseite. Unter anderem mit dabei: die European Association of e-Pharmacies (EAEP). Hier besetzen die niederländischen Versender abwechselnd die Führungspositionen: Präsident ist derzeit Olaf Heinrich, CEO von Redcare Pharmacy, den Posten des Vizepräsidenten besetzt DocMorris CEO Walter Hess. Die Vereinigung ging 2021 aus der European Association of Mail Service Pharmacies (EAMSP) hervor – statt den Versandhandel in den Mittelpunkt zu stellen, gab man sich einen digitalen Anstrich. Ihr gehören 36 Arzneimittelversender aus 16 EU-Staaten, Norwegen und der Schweiz an.

Oberstes Ziel: Versandverbote für Rx kippen

Erklärtes Ziel des Bündnisses ist es, Druck auf die politischen Entscheidungsträger der EU auszuüben, um die Zulassung des Online-Versands in 19 weiteren EU-Staaten durchzusetzen. Bisher ist der Rx-Versandhandel in Deutschland, Dänemark, Litauen, Estland, Finnland, Portugal, den Niederlanden und Schweden erlaubt – auch im Vereinigten Königreich gibt es kein Verbot. Ein Umstand, auf den auch die deutsche Apothekerschaft immer wieder hingewiesen hat, als vor einigen Jahren die Rückkehr zum Rx-Versandverbot diskutiert wurde: Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln war von jeher die Ausnahme und nicht die Regel. Ende 2003 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Verbot aus Gründen des Gesundheitsschutzes mit EU-Recht vereinbar ist. Lediglich der (grenzüberschreitende) Versand nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel dürfe nicht verboten werden.

Martino Canonico, Leiter des Brüsseler Büros der EAEP und zugleich Pressekontakt von OnHOME erklärt jedoch: „Der Zugang zur Gesundheitsversorgung sollte nicht davon abhängen, wo ein Patient wohnt oder ob er in der Lage ist, eine Apotheke zu erreichen. Die OnHOME-Allianz setzt sich für eine Zukunft ein, in der alle europäischen Bürger sicheren, zuverlässigen und bequemen Online-Zugang zu den von ihnen benötigten Medikamenten haben, unabhängig von ihrem Wohnort“. 

Der neue Zusammenschluss fordert die politischen Entscheidungsträger auf, bei der anstehenden Revision des EU-Arzneimittelrechts „digitale Gesundheitsdienste zu ermöglichen.“ Denn tatsächlich geht auch der Entwurf für einen neuen Unionskodex für Humanarzneimittel in seinem Abschnitt zum Fernabsatz ganz selbstverständlich davon aus, dass die Mitgliedstaaten den Rx-Versand verbieten können (Art. 172).  Verbote für den Rx-Versand seien „nicht evidenzbasiert“ und „nicht den Grundsätzen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit“ vereinbar, meint man jedoch bei OnHOME. Durch eine Änderung der fraglichen Vorschrift, würden die Mitgliedstaaten ermutigt, die Online-Verfügbarkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zuzulassen.

Zusammenschluss zur Super-Lobby

Interessant ist, wer noch alles hinter OnHOME steht: etwa die Alliance for Safe Online Pharmacies (ASOP EU). In der 2011 gegründeten Vereinigung wirken unter anderem Eli Lilly, Novartis, Sanofi und Merck, aber auch Amazon mit. Die „Fight the Fakes Association“, die sich gegen die Verbreitung von Arzneimittelfälschungen einsetzt, ist ebenso Mitglied.

ASOP EU ist Teil von ASOP Global. Hier sind auch das auf die Nutzung von Gesundheitsdaten spezialisierte Unternehmen IQVIA dabei, genauso wie VISA. Das ebenfalls beteiligte Unternehmen Hims and Hers bietet einen Online-Versand für Compounded-Varianten von Semaglutid an – im Original vom Unternehmen Novo Nordisk produziert, das nicht mit vertreten ist. Dafür sind die Jugendsuchthilfeorganisation Young People in Recovery (YPR) und die Partnership for Drug-Free Kids Mitglieder bei ASOP Global, sowie diverse weitere Unternehmen beteiligt.

Der Geschäftsführer der ASOP EU Mike Isles erläuterte die Zielsetzung von OnHOME: „Die Ausweitung des Online-Zugangs zu Arzneimitteln und die Förderung digitaler Apothekendienste sind wesentliche Schritte zur Verbesserung der Arzneimittelverfügbarkeit und zur Sicherstellung, dass alle Europäer in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen Zugang zu lebenswichtigen Gesundheitsdiensten haben.“

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Zudem beteiligt am neuen Lobby-Verein ist die 1982 gegründete European Health Management Association (EHMA). Zu dieser gehören Universitäten und Forschungsinstitute aus 17 EU-Staaten, der Schweiz, Norwegen, Moldau, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Neben ASOP, EAE und EHMA gehören noch 14 weitere Organisationen zu OnHOME.

EU-Gesundheitsdatenraum und Gesundheits-ID stärken Versender

Der geplante Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) und die Einführung der Gesundheits-ID würden einer Öffnung des Arzneimittelmarktes für Online-Anbieter entgegenkommen. Das Nachrichtenportal EuractivAllerdings weist allerdings darauf hin, dass es in einigen EU-Staaten erhebliche Widerstände gegen eine Öffnung für den Rx-Versand geben dürfte, insbesondere in Frankreich.

Deshalb hat sich das Bündnis eine intensive Lobbyarbeit in den EU-Organen zum Ziel gesetzt. Laut OnHOME wurde die Eröffnungsrede zur Gründung von dem EU-Parlamentsabgeordneten Vytenis Andriukaitis (S&D) gehalten. Das Bündnis plane zunächst Treffen mit der Generaldirektorin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, Sandra Gallina, und dem Generaldirektor für Kommunikationsnetzwerke und Technologie, Roberto Viola. Für den November habe der EU-Parlamentsabgeordnete Tomislav Sokol (EVP) seine Teilnahme an einer Veranstaltung von OnHOME zugesagt, heißt es bei Euractiv.

Durch ihre Lobbyarbeit will die OnHome Alliance einen „Impuls für einen gemeinschaftlichen, von mehreren Interessengruppen getragenen Ansatz zur Modernisierung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung in ganz Europa geben,“ heißt es.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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