Geldwerte Versprechen der EU-Versender

Warum geht die Paritätische Stelle nicht gegen Rx-Boni vor?

Berlin - 04.11.2024, 17:50 Uhr

Die Paritätische Stelle, die Verstöße gegen die im SGB V verankerte Rx-Preisbindung sanktionieren soll, ist im Deutschen Apothekerhaus in der Berliner Heidestraße ansässig. Aktiv ist sie bislang nicht geworden.  (Foto: IMAGO / Steinach)

Die Paritätische Stelle, die Verstöße gegen die im SGB V verankerte Rx-Preisbindung sanktionieren soll, ist im Deutschen Apothekerhaus in der Berliner Heidestraße ansässig. Aktiv ist sie bislang nicht geworden.  (Foto: IMAGO / Steinach)


10 Euro sparen bei der Einlösung des ersten E-Rezepts! Derartige Claims zeigen: Shop Apotheke und DocMorris schreckt die seit Ende 2020 im Sozialgesetzbuch V verankerte Rx-Preisbindung nicht. Das wirft die Frage auf: Warum macht die sogenannte Paritätische Stelle nichts, die derartige Verstöße eigentlich ahnden soll?  

Seit Dezember 2020 gibt es die sozialrechtliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im GKV-Sachleistungsbereich (§ 129 Abs. 3 SGB V). Das heißt: Arzneimittelversendern aus dem EU-Ausland ist ebenso wie deutschen Apotheken verboten, Rx-Boni zu gewähren. DocMorris und Shop Apotheke meinten stets, diese Regelung sei genauso unionsrechtswidrig wie die alte Rx-Preisbindung im Arzneimittelgesetz, die der Europäische Gerichtshof 2016 für unionsrechtswidrig befunden hatte. Der Gesetzgeber ging jedoch davon aus, dass sich die fixen Preise sozialrechtlich besser rechtfertigen lassen.

Zugleich wurde der Selbstverwaltung von Apotheken und Krankenkassen eine neue Aufgabe zuteil: Sie sollten in ihrem Rahmenvertrag regeln, wie sie gegen Verstöße gegen die neue Preisbindung vorgehen. Dazu sollten Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband eine „zuständige Stelle“ einrichten. Einen Rahmen für die möglichen Vertragsstrafen (bis zu 250.000 Euro) gab der Gesetzgeber vor. Ebenso, dass eine Apotheke von der Versorgung ausgeschlossen werden kann, bis sie eine verhängte Vertragsstrafe beglichen hat.

Seit 1. Oktober 2021 ist die Anlage 10 des Rahmenvertrags in Kraft, der die Details rund um die sogenannte Paritätische Stelle und von ihr angestoßene Verfahren regelt. Sie hat ihren Sitz beim DAV und ist mit jeweils drei Mitgliedern des GKV-Spitzenverbandes und des DAV besetzt – wobei der DAV den Vorsitz hat. Auf Antrag des DAV oder des GKV-Spitzenverbands beginnt ein Verfahren. Dafür müssen die Verbände Nachweise bringen und innerhalb von zehn Werktagen haben die Mitglieder der Paritätischen Stelle zu entscheiden, ob und welche Sanktion ausgesprochen wird.

Doch warum wird die Paritätische Stelle nicht aktiv, wo doch die Verstöße der EU-Versender gegen § 129 Abs. 3 SGB V – allerspätestens seit Einführung des CardLink-Verfahrens – so offensichtlich sind? Das fragen sich wohl viele Apothekerinnen und Apotheker.

Keine höchstrichterliche Rechtsprechung

Es sind derzeit die Freie Apothekerschaft und die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR), die gegen DocMorris und Shop Apotheke juristisch vorgehen. Zudem gibt es ein seit vielen Jahren anhängiges Verfahren des Bayerischen Apothekerverbands: Hier hatte das Oberlandesgericht München in einem im vergangenen März ergangenen Urteil kein Problem, die neue Vorschrift anzuwenden. Der Bundesgerichtshof ist nun die nächste Station. Festzuhalten bleibt: Noch gibt es keine höchstrichterliche Entscheidung zur sozialrechtlichen Preisbindung

GKV: DAV müsste aktiv werden

Und genau diese rechtliche Unsicherheit dürfte der Grund sein, warum die Paritätische Stelle sich zugeknöpft gibt. Nicht einmal zu ihrer personellen Besetzung wollen sich DAV und GKV-Spitzenverband äußern. Auf die Nachfrage der DAZ, warum sie nicht tätig wird, macht es sich ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands mit der Antwort leicht: Die Stelle sei zum Schutz der deutschen Apotheken da, erklärt er. Es müsste also der DAV die Stelle anrufen. Kurzum: Der GKV sind die Verstöße offensichtlich einerlei.

DAV: Gesetzgeber muss Maßnahmen ergreifen

Ein DAV-Sprecher erklärt auf die gleiche Frage: „Aus Sicht des Deutschen Apothekerverbandes funktioniert die geltende Regelung nicht optimal. Das haben wir gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium auch schon mehrfach kommuniziert. Mit dem angenommenen Antrag zur ‚Sicherstellung des einheitlichen Abgabepreises‘ fordert der Deutsche Apothekertag 2024 den Gesetzgeber noch einmal ausdrücklich auf, ‚Maßnahmen zu ergreifen, die die Durchsetzung der gesetzlichen Preisvorgaben (einheitlicher Abgabepreis) für Arzneimittel sicherstellen‘.“

Das Problem: die Haftung

In der Begründung zu besagtem Antrag wird offenbar, wo das große Problem liegt: „Die sogenannte Paritätische Stelle ist handlungsunfähig, weil die einzelnen Mitglieder in bestimmten Fallkonstellationen von der betroffenen Apotheke persönlich haftbar gemacht werden könnten.“ Sie hafte unter Umständen auf Schadenersatz für ihre Entscheidungen. Als Lösung schlägt der Antrag vor, dass eine Bundesbehörde Verstöße kontrolliert und sanktioniert.

Tatsächlich sieht die Anlage 10 des Rahmenvertrags vor, dass das Haftungsrisiko der GKV-Spitzenverband und der DAV tragen – „je nach den Stimmanteilen der für die Entscheidung maßgeblichen Mitglieder, die den Antrag für begründet halten und die sich zugleich für die konkrete (gegenüber der Apotheke verhängten) oder eine höhere Strafe ausgesprochen haben“. Laut GKV-Spitzenverband haftet der Verband, nicht das einzelne Mitglied.

Dieser Umstand lähmt die Paritätische Stelle offensichtlich. Vor Augen hat man dort vermutlich auch den laufenden Schadensersatzprozess von DocMorris gegen die AKNR, in dem der Versender nicht weniger als 18 Millionen Euro fordert. Auch wenn dies keine realistische Summe ist: So lange es keine gesicherte Rechtsprechung zu § 129 Abs. 3 SGB V gibt, ist seitens der Paritätischen Stelle keine Bewegung zu erwarten. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Ist nicht fraglich

von ratatosk am 05.11.2024 um 11:40 Uhr

Die Frage muß man nicht wirklich stellen, da die GKV wie Karl immer mehr zum erklärten Feind der Apotheken wird.
Ziel ist auch hier als Oligopol sich einzelne Apotheken vorzuknöpfen und mit Marktmacht Billisgspreise durchzudrücken. Wohin es führt und daß es keine Grenzen gibt, sieht man ja an den Ramschpreisen für Generika.
Man kann sich die Verhandlungsposition vorstellen, wenn z.B 2 Apotheken im Ort und die AOK trägt wer sich am meisten zum Honk macht. Denke es gibt keine Fragen was mittelfristig passiert. Das aber ist GKV und SPD-Grüne Linie, mit allen Konsequenzen für die Versorgung.
Aber sicher fallen hier einige gute Beratunsposten ab.

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