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Analyse Paul-Ehrlich-Institut
Impfungen haben kaum Nebenwirkungen
Das Paul-Ehrlich-Institut sammelte von 2022 bis 2023 Meldungen über Impfnebenwirkungen und -komplikationen. Für über 105 Millionen verabreichte Impfungen ergaben sich 8659 Verdachtsfälle. Bei gleichbleibendem Niveau der Impfnebenwirkungen ist ein leichter Anstieg der schwerwiegenden Nebenwirkungen zu verzeichnen.
Impfungen dienen dem Schutz vor Infektionskrankheiten. Ansteckende Krankheiten sind bei hohen Impfquoten für die Bevölkerung wenig sichtbar, während die Bedenken über die Risiken der Vakzine präsent bleiben.
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Eine Auswertung der relationalen Nebenwirkungsdatenbank des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2023 hilft, zwischen realen und vermeintlichen Risiken von Impfstoffen zu unterscheiden. Die Analysen der 8659 Meldungen sind im „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ im September 2024 veröffentlicht. Erfasst sind Hinweise zu in Deutschland zugelassenen oder vertriebenen Impfstoffen. Nicht berücksichtigt werden Meldungen zu COVID-19-Impfstoffen. Wichtig für die Statistik ist, dass Verdachtsfälle zeitnah gemeldet werden.
Reaktionen und Komplikationen
Zu unterscheiden ist zwischen Impfreaktionen, -schäden und unerwünschten Ereignissen von besonderem Interesse (adverse events of special interest/AESI). Impfreaktionen sind kurzzeitige, vorübergehende Lokal- und Allgemeinreaktionen auf den Impfstoff. Dazu gehören unter anderem Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Einstichstelle, erhöhte Temperatur, Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder andere grippeähnliche Beschwerden, solange sie das übliche Ausmaß nicht überschreiten. Die Beeinträchtigungen sind nicht evident auf andere Ursachen zurückzuführen.
Der Impfschaden ist nach § 24 Sozialgesetzbuch XIV eine gesundheitliche Schädigung, die über das übliche Ausmaß einer Reaktion auf eine Schutzimpfung hinausgeht. Vorübergehende Gesundheitsstörungen von bis zu sechs Monaten sind dabei nicht zu berücksichtigen.
Eine weitere Kategorie sind die „unerwünschten Ereignisse von besonderem Interesse“. Dazu zählen unter anderem die Synkopen oder Präsynkopen mit Verlust des Bewusstseins. Grundlage für die AESI ist die Liste unerwünschter Ereignisse der Brighton Collaboration für COVID-19-Impfstoffe, die inzwischen für nicht COVID-19-Impfstoffe modifiziert wurde.
Nebenwirkungen nach Impfungen müssen gemeldet werden
Grundlage für die Meldepflicht von Nebenwirkungen und Komplikationen durch Impfungen ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das betrifft:
- Ärzte oder Leiter von impfenden Apotheken, sie müssen Impfkomplikationen namentlich dem Gesundheitsamt melden. Diese Daten werden ohne Namen und Adresse des Patienten an das Paul-Ehrlich-Institut weitergeleitet.
- Zulassungsinhaber von Impfstoffen, welche eine Verpflichtung zur Meldung von Verdachtsfällen an die Europäische Datenbank für Verdachtsfälle von Arzneimittelwirkungen (EudraVigilance) haben.
Die den Arzneimittel-Kommissionen der Apotheker (AMK) und Ärzte (AkdÄ) gemeldeten Verdachtsfälle werden an das Paul-Ehrlich-Institut weitergeleitet. Fachkreise, geimpfte Personen und Angehörige können direkt eine Meldung an das Paul-Ehrlich-Institut abgeben. Dazu gibt es ein eigenes Meldeportal. Wenn Sie den Webcode G5RZ3 in das Suchfenster auf DAZ.online eingeben, gelangen Sie direkt zum Portal.
Entwicklung der schwerwiegenden Nebenwirkungen
Bei den 8659 Verdachtsfällen zu Impfstoffnebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen hat sich der prozentuale Anteil an gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen nach Impfungen in den Jahren von 2019 bis 2023 erhöht (siehe Abb.). Allerdings ist die Quote in den Jahren 2022 und 2023 relativ konstant geblieben. Das PEI führt den Anstieg der gemeldeten schwerwiegenden Nebenwirkungen auf eine verstärkte Aufmerksamkeit für Impfungen und Reaktionen seit der Corona-Pandemie zurück.
Einflussfaktoren auf Statistik
Aufgrund der unterschiedlichen Meldewege und der Pseudonymisierung sind Doppelmeldungen bei der Erfassung in der Datenbank möglich. Des Weiteren kann eine Meldung mehrere Reaktionen wie Fieber, Kopfschmerzen und Schmerzen an der Injektionsstelle beinhalten. In den Meldungen werden mehr Frauen erfasst als Männer. Dabei ist unklar, ob Frauen eine unerwünschte Wirkung eher melden als Männer oder häufiger von Impfkomplikationen betroffen sind. Da HPV-Impfungen meistens bei Mädchen durchgeführt werden, ist bei Kindern und Jugendlichen eine Analyse der Impfreaktionen im Kontext des Geschlechts schwierig.
Tab.: Auswertung der Impfkomplikationen in Abhängigkeit vom Alter (angepasst nach [Streit R und Mentzer D]).
Ausgang | 65 Jahre und älter | alle Erwachsenen | 0 bis 23 Monate | alle Kinder |
---|---|---|---|---|
wiederhergestellt | 642 (30,3%) | 1381 (25%) | 260 (22,8%) | 483 (20,9%) |
nicht wiederhergestellt | 635 (30,0%) | 1682 (30,5%) | 313 (27,5%) | 642 (27,8%) |
Besserung | 129 (6,1%) | 326 (5,9%) | 58 (5,1%) | 119 (5,1%) |
bleibender Schaden | 29 (1,4%) | 167 (3,0%) | 50 (4,4%) | 114 (4,9%) |
Todesfall | 42 (2,0%) | 56 (1,0%) | 5 (0,4%) | 7 (0,3%) |
unbekannt | 643 (30,3%) | 1904 (34,5%) | 454 (39,8%) | 947 (41%) |
Impfstoffe mit den meisten Komplikationen
Die meisten Meldungen erfolgten bei Kindern nach der Impfung gegen
- Meningokokken B mit Bexsero (n = 306),
- HPV mit Gardasil 9 (n = 281) und
- Mumps-Masern-Röteln mit Priorix (n = 254).
Bei Erwachsenen, einschließlich Personen ohne Altersangabe, bezogen sich circa 52% der Meldungen auf Reaktionen nach der Impfung mit Shingrix, einem rekombinanten, adjuvanten Impfstoff zum Schutz vor Herpes Zoster und postherpetischen Neuralgien. Im Rahmen einer Fallserie untersuchte das Paul-Ehrlich-Institut die Verdachtsfallmeldungen nach der Shingrix-Impfung. Die Ergebnisse, veröffentlicht im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 1/2024, deuten auf einen zeitlichen und keinen kausalen Zusammenhang zur Impfung hin.
Häufigste Symptome der Impfreaktionen
Bei den 20 häufigsten gemeldeten unerwünschten Reaktionen sind Fieber (4,08%), Herpes-zoster-assoziierte Beschwerden (3,77%), Kopfschmerzen (2,92%), Ausschlag (2,86%) und Ermüdung (2,02%) Spitzenreiter der Impfreaktionen. Am Ende der Liste stehen Schmerzen an der Impfstelle (1,02%), Erbrechen (1,02%), Erythem (1,00%) oder Unwohlsein (0,99%).
Das häufigste adverse event of special interests ist bei Erwachsenen (n = 183 Fälle) die Synkope oder Präsynkope mit Verlust des Bewusstseins. Wobei dies auch eine bekannte psychogene Reaktion auf Injektionen ist und nicht als impfstoffspezifische Reaktion gilt. Bei Kindern sind in dieser Auswertung Krampfanfälle mit und ohne Fieber die am häufigsten gemeldeten AESI. Unabhängig von einer Impfung kommt es jedoch bei 4 bis 10% aller Kinder unter 16 Jahren zu Krampfanfällen als pädiatrische neurologische Störung.
Völlig genesen sind 28,5%
Eine Genesung oder Besserung der Beschwerden waren zum Zeitpunkt der Meldung bei 28,5% der gelisteten Fälle schon eingetreten. Ähnlich viele Patienten (27,9%) waren bis dahin nicht wiederhergestellt. Für 39,3% war der Ausgang unbekannt, und 3,4% der Patienten mit Impfreaktionen litten unter einem bleibenden Schaden.
Für 74 Personen (0,9%) endete die Komplikation tödlich, davon sind sieben Kinder oder Jugendliche. Die Auswirkungen auf Fallebene gibt die Tabelle wieder.
Das PEI betont die Bedeutung der Meldung von Verdachtsfällen und der transparenten Kommunikation von Risiken, um Impflücken zu schließen und die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Zum Zeitpunkt der Meldung waren 28,5% der Patienten mit Impfkomplikationen völlig genesen. Trotzdem bleibt vermutlich ein Restrisiko für irreversible Schäden oder sogar tödlichen Ausgang.
Literatur
Mentzer D et al., Daten zur Pharmakovigilanz von Impfstoffen aus dem Jahr 2012, Arzneimittel im Blick, Paul-Ehrlich-Institut, Ausgabe 1. März 2014
Streit R und Mentzer D. Daten zur Pharmakovigilanz von Impfstoffen aus den Jahren 2022 und 2023, Arzneimittel im Blick, Paul-Ehrlich-Institut, Ausgabe 3. September 2024
Hohe Infektionszahlen: Geriater und Lungenfachärzte raten Älteren jetzt unbedingt zur RSV-Impfung. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) vom 30. Oktober 2024
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