Honorierte Beratung in der Apotheke?

Schlafstörungen als Risikofaktor ernst nehmen!

12.11.2024, 16:45 Uhr

Schlechter Schlaf erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen. Auch in der Apotheke sollte das im Auge behalten werden. (Foto: Dan Race/AdobeStock) 

Schlechter Schlaf erhöht das Risiko für zahlreiche Erkrankungen. Auch in der Apotheke sollte das im Auge behalten werden. (Foto: Dan Race/AdobeStock) 


Schlaf ist wichtig für die Resilienz, für das körperliche und seelische Gesundbleiben. Wenn wir über einen gesunden Schlaf verfügen, kommen wir mit den Herausforderungen der Zeit besser zurecht, so Prof. Dr. Georg Nilius in einer Expertenrunde, in der die Rolle von Schlafstörungen in der Krankheitsprävention diskutiert wurde. Sogar eine honorierte Beratung in der Apotheke wurde als Option diskutiert. 

„Schlaf wird nicht ausreichend gewürdigt, Menschen sind sich nicht bewusst, wie wichtig Schlaf für die seelische und körperliche Gesundheit ist“, so das Eingangsstatement von Schlafmediziner Prof. Dr. Georg Nilius bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). „Störungen des Schlafs haben großen Einfluss auf viele Erkrankungen und sind ein bedeutender Faktor für die Heilung“, mahnte er.

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Schlaf kann nachgeholt werden

Prof. Dr. Helmut Frohnhofen, Leiter des alterstraumatologischen Zentrums am Universitätsklinikum Düsseldorf führte an, dass Schlaf ein wichtiger modifizierbarer Risikofaktor für Hirnleistungsstörungen, allen voran für Demenz ist. In der Demenzprävention könne hier noch viel getan werden. „Die Behandlung des gestörten Schlafs ist eine riesige Chance für den Patienten“ stellte er fest, doch auch die Gesellschaft profitiere durch eine Senkung der Folgekosten für das Gesundheitssystem. Schlafstörungen, so Frohnhofen, müssten konsequenter bei Patienten abgefragt und dann therapiert werden. 

Nilius wünscht sich mehr Wissen um Schlafstörungen im hausärztlichen Bereich und dadurch frühere Diagnosen von Schlafstörungen, denn eine frühzeitig beginnende Therapie könne eine Chronifizierung oft verhindern.

Erhöhtes Risiko für Demenz, Depressionen und Angststörungen 

Prof. Dr. Dieter Riemann, Vorstandssprecher der DGSM und psychologischer Psychotherapeut/ Supervisor Verhaltenstherapie, ergänzte ein weiteres Risiko von Schlafstörungen: die Entwicklung psychischer Erkrankungen. Schlechter Schlaf erhöhe die Gefahr, eine Depression oder eine Angsterkrankung zu entwickeln, um den Faktor drei, warnte er. Die Behandlung von Insomnie könne somit auch eine neue Rolle in der Prävention psychischer Erkrankungen erhalten.

Kognitive Verhaltenstherapie ist die erste Wahl  

Die Experten gaben auch einen Ausblick auf die Aktualisierung der DGSM-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“, die Anfang 2025 veröffentlicht werden soll. Als Therapie der ersten Wahl wird dort weiterhin eine kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Dieses Angebot erreiche mit rund 5 % der Betroffenen noch zu wenig Patienten, waren sich die drei einig, obwohl eine deutliche Evidenz für die Wirksamkeit bei gleichzeitig wenig Nebenwirkungen besteht. „Das ist viel mehr als Schlafhygiene“ erklärte Riemann. Es werden Techniken vermittelt, um beispielsweise nachts „abzuschalten“, kreisende Gedanken zu durchbrechen. Anfangs werde sogar eine Verkürzung des täglichen Schlaffensters empfohlen, um ein schnelleres Einschlafen und besseres Durchschlafen zu erreichen.

DiGA wirken

Ein positives Votum gaben die drei Schlafmediziner auch zu den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) gegen Schlafstörungen. Sie wirken etwas schwächer als eine individuelle kognitive Verhaltenstherapie, hätten aber immer noch einen signifikanten Effekt. Die DiGA fordert vom Patienten die Dokumentation seiner Schlafsituation ein, und er bekomme ein Feedback, es findet also Kommunikation statt, erklärte Nilius. Natürlich wären die Apps nicht geeignet für Menschen, die gar nichts mit Smartphones und Laptops anfangen können, aber man solle nicht pauschal „alte Menschen“ abschreiben, es gäbe auch sehr technikaffine Senioren. Seine anfängliche Skepsis, so Nilius, habe sich inzwischen ins Gegenteil verwandelt: „Die DiGA nehmen niemandem was weg, sondern sprechen Leute an, die man sonst nicht erreicht oder die sonst keinen Therapieplatz bekommen würden“.

Selbstmedikation mit Phytopharmaka: Ärztliche Diagnostik ist wichtig

Eher zurückhaltend reagierten die Experten, als aus dem Auditorium nach einer Stellungnahme zu Phytopharmaka in der Therapie von Schlafstörungen gefragt wurde. Helmut Frohnhofen warnte, dass erst die Ursache einer Schlafstörung abgeklärt werden müsse, bevor pflanzliche Präparate in Selbstmedikation eingenommen werden. Auch Georg Nilius sieht die Gefahr, dass durch längerfristige Therapieversuche eine Schlafstörung chronifiziert, weil sie zu spät ärztlich behandelt wird. Dieter Riemann wies darauf hin, dass die Qualität pflanzlicher Schlafmittel sehr weit gestreut sei und riet dazu, Präparate aus der Apotheke zu kaufen. Vor allem „Hypes in Patientenforen“ zu Empfehlungen von Mitteln, die ausschließlich online zu beziehen sind, solle man nicht folgen.

Honorierte Beratungsleistung aus der Apotheke?

Dass es durchaus auch Ärzte gibt, die einer Einbeziehung der Apotheker in die Betreuung von Patienten positiv gegenüberstehen, zeigte sich bei der Frage aus dem Auditorium, wo sich die Schlafmediziner Unterstützung vom pharmazeutischen Personal wünschen: Prof. Nilius betonte, dass es wichtig wäre, einen Kunden, der mehrmals hintereinander ein pflanzliches Schlafmittel kauft, darauf anzusprechen, ob die Schlafprobleme ärztlich abgeklärt wären. Riemann ergänzte, dass ein Patient, der das fünfte Rezept über ein Hypnotikum in Folge einlöse, angesprochen werden sollte, ob er die Option der kognitiven Verhaltenstherapie kenne. 

Prof. Frohnhofen schließlich stellte die Frage in den Raum, ob es die Möglichkeit einer schlafmedizinischen Weiterbildung für Pharmazeuten gäbe, damit diese qualifiziert zu Schlafstörungen beraten können. „Das wäre eine Zukunftsoption, darüber kann man laut nachdenken“, so sein Statement. Diskutiert werden müsse dann auch, wie diese fachlich fundierte Beratung dann entsprechend vergütet wird.


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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