Erste Anbau-Clubs in Baden-Württemberg

Wie lange hat die Cannabis-Legalisierung Bestand?

Berlin - 21.11.2024, 12:00 Uhr

Der „Cannabis Club Südwest“ in Achern ist einer der ersten zwei zugelassenen Anbauvereinigungen in Baden-Württemberg. (Screenshot: CC Südwest)

Der „Cannabis Club Südwest“ in Achern ist einer der ersten zwei zugelassenen Anbauvereinigungen in Baden-Württemberg. (Screenshot: CC Südwest)


In Baden-Württemberg haben die ersten Anbauvereinigungen eine Lizenz für den gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis zu Genusszwecken erhalten. Während in Niedersachsen schon geerntet wurde, haben andere Clubs bereits aufgegeben. Zu hoch sind für viele die administrativen Hürden. Nicht zuletzt die Ankündigung der Unions-Parteien, die Cannabis-Legalisierung wieder rückgängig zu machen, verunsichert potenzielle Club-Gründer*innen.

In Baden-Württemberg haben die ersten Cannabis-Social-Clubs (CSC) eine Lizenz für den gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis zu Genusszwecken erhalten. Das für das gesamte Bundesland zuständige Regierungspräsidium in Freiburg erteilte dem „CNC Grüne Liebe Rhein-Neckar e. V.“ in Mannheim und dem „Cannabis Club Südwest“ in Achern eine Erlaubnis. Beide Vereine hatten bereits im Juli ihre Anträge eingereicht. Landesweit liegen 66 weitere vor, berichtet die ARD.

Nach Aussage des Mannheimer Vereins, der etwa 200 Mitglieder zählt, müssten nun Lampen und Zuchttische bestellt werden, ebenso wie Pflanzen-Stecklinge. Mit einer ersten Abgabe wird im kommenden März gerechnet. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) begrüßte den Schritt, da so ein verantwortungsbewusster Anbau zum Eigenkonsum für Erwachsene möglich werde.

Die Hürden für die Lizenzvergabe der Clubs liegen jedoch hoch. Antragsteller müssen unter anderem ein Sicherheitskonzept entwickeln – immerhin werden dort hochprofitable Güter angebaut. Zudem müssen auch Jugendschutz- und Suchtpräventionskonzepte formuliert werden. Den beiden Vorreitern in Baden-Württemberg sei es vor allem gelungen, eine Anbau-Genehmigung zu erhalten, da deren Konzepte im intensiven Austausch mit dem Regierungspräsidium entwickelt wurden, heißt es.

Erste Abgabe in Niedersachsen

Bereits Anfang November berichtete das niedersächsische Regional-Portal „butenunbinnen.de“ über die bundesweit erst Abgabe von Cannabis in einer Anbau-Vereinigung in Ganderkeese. Der CNC Ganderkeese habe bereits die maximale Anzahl von 500 Mitgliedern ausgereizt, teilten die Verantwortlichen mit – mehr als 1.000 weitere Interessierte stünden auf einer Warteliste. Der Verein dürfe 75 Kilogramm Cannabis im Jahr produzieren, heißt es – womit es schon mal knapp werden könnte, wenn alle Mitglieder ihre monatliche Maximalmenge von 50 Gramm abschöpfen. Bei 500 Mitgliedern würden so 300 Kilogramm im Jahr benötigt.

Andere Clubs geben auf

Andere Cannabis-Vereine schrecken vor den hohen Hürden bei der Lizenzvergabe zurück. Der CSC Düsseldorf gab in der vergangenen Woche bekannt, dass sich seine Mitglieder entschlossen haben, keinen Antrag für eine Anbau-Genehmigung zu stellen. Ein Problem seien die umfangreichen Dokumentationspflichten, bei der durch die Behörden viele sensible Daten über die Mitglieder erhoben werden. Unter anderem muss dokumentiert werden, wie viel Cannabis jedes Mitglied bezieht: „Dies halten wir datenschutzrechtlich für höchst bedenklich und für eine Gefährdung der Privatsphäre unserer Mitglieder“, sagte Domenic Emanuelli, eines der Gründungsmitglieder des Clubs gegenüber der NRZ Düsseldorf.

Mehr zum Thema

„Rundum-sorglos-Paket über drei Klicks im Internet“

Medizinalcannabis: Minister will Internetbezug erschweren

Fragwürdige Plattformen, verunsicherte Apotheker

Ansturm der Cannabis-Privatrezepte

Ein anderer Grund, den Antrag nicht einzureichen, seien die enormen finanziellen Hürden. Gründer müssten mit einem Grundinvestment von über 100.000 Euro rechnen – für die Anbau-Technik, aber auch für die Miete oder den Kauf von passenden Immobilien. Laut Emanuelli müssen Vereine bereits im Antrag eine Immobilie ausweisen. Für den Fall, dass der Antrag abgelehnt wird, berge das ein „erhebliches unternehmerisches Risiko“ für die Mitglieder. Zumal die Cannabis-Vereine per Gesetz als nichtkommerziell konzipiert sind.

Unsicherheit durch Ampel-Aus

Auch der Bruch der Regierungskoalition in Berlin hat für den CSC Düsseldorf eine Rolle bei der Entscheidung gespielt. Da Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) bereits angekündigt hat, die Teillegalisierung von Cannabis wieder rückgängig machen zu wollen, habe man Befürchtungen, auf den Investitionen sitzen zu bleiben, sollte das Cannabis-Gesetz gekippt werden. Gerade vor diesem Hintergrund sei auch die Datenerhebung im Zusammenhang mit der Lizenzvergabe besonders bedenklich.

Cannabis-Debatte im Bundestag

Und tatsächlich ist ungewiss, wie es mit der Cannabis-Teillegalisierung weitergeht. In einer Aktuellen Stunde haben sich am vergangenen Freitag die Fraktionen des Bundestags mit den Folgen der Teillegalisierung auseinandergesetzt, wie der Tagesspiegel Background am Montag berichtete. Tino Sorge (CDU) bekräftige die Absicht der Rückabwicklung: „Sie haben das Gesundheitswesen zum Cannabismarkt gemacht“, sagte er mit Bezug zu den umstrittenen Online-Rezept-Portalen für Medizinalcannabis, die seit der Teillegalisierung einen enormen Kundenzuwachs verzeichnen. Die Versorgung von Patient*innen mit schweren Erkrankungen, die auf Medizinalcannabis angewiesen sind, würde durch „Hobbykiffer“ gefährdet, betonte Sorge.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die Reform. Deren Wirkung könne sich noch nicht voll entfalten, da einige Länder die Gründung von Anbau-Clubs blockierten. Dirk Heidenblut (SPD), der für die kommende Legislatur des Bundestags nicht mehr kandidieren wird, stellte klar, dass eine Rückabwicklung der Teillegalisierung, wie sie die Union propagiert, wenig aussichtsreich sei: „4,5 Millionen Menschen zu Straftätern zu machen, das wird es mit der SPD auch in der kommenden Legislatur nicht geben.“

Lütke fordert Modellregionen

Auch Kristine Lütke (FDP) meldete sich zu Wort. Sie äußerte ihr Bedauern über das Scheitern der sogenannten zweiten Säule der Cannabis-Abgabe: „Die SPD hat die Abstimmungen dazu gestoppt, obwohl sich die fachpolitischen Sprecher bereits einig waren.“ Ursprünglich plante die Ampel in Modellregionen in Apotheken oder Fachgeschäften Cannabis an registrierte Konsument*innen zu verkaufen. Diese Pläne liegen seit einiger Zeit auf Eis. Das berichtete das Cannabis-Unternehmen Sanity Group, das für die Versorgung geplanter Modellregionen in Frankfurt am Main und Hannover zuständig sein soll. Mit einer gesetzlichen Grundlage für die zweite Säule war aber schon vor dem Ampel-Aus kaum zu rechnen.

Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung

Cannabis-Modellregionen fehlt die Rechtsgrundlage

Sanity und die Befürworter der Modellregionen hoffen noch auf den Erlass der Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung, die derzeit im Entwurf beim Bundesgesundheitsministerium für Ernährung und Landwirtschaft vorliegt. Auf deren Grundlagen könnten wissenschaftlich betreute Modellregionen an den Start gehen.

Der zuständige wissenschaftliche Betreuer des geplanten Modellprojekts in Frankfurt, Heino Stöver, sagte der DAZ, er habe dem zuständigen Minister auf Bundesebene, Cem Özdemir, bereits deshalb geschrieben, jedoch warte er weiterhin auf eine Reaktion. Auch Lütke warf Özdemir vor, die Verordnung zu verschleppen.

Ironie der Geschichte: Schließlich erregte Özdemir im Jahr 2014 einige mediale Aufmerksamkeit damit, dass auf einem selbst veröffentlichten Video eine Hanfpflanze auf seinem Balkon in Berlin Kreuzberg zu erkennen war, was auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Özdemir nutze das damals als Statement für die Legalisierung – rechtliche Konsequenzen bekam der heutige Landwirtschaftsminister aber nicht zu spüren.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

die Clubs sollen verheizt werden

von Pöppl am 21.11.2024 um 12:20 Uhr

Es war immer die komplette Legalisierung geplant. Die Clubs sind nur der Notnagel und so werden Sie auch behandelt!

1) Große Investitionen sind nötig da die Clubs ja momnatlich an die Mitglieder "ausgeben" sollen. Somit ist nicht eine sondern drei Produktionsstraßen nötig
2) Es werden große Flächen gebraucht weil ja Sativa und Indica und dann auch verschiedene Stärken gebraucht werden.
3) Dokumentationen!!!
4) Mitgllieder sollen ja mitarbeiten!!! Die anstellung eines "Gärtners/Growers" ist nicht möglich da er nicht Vereinsmitglied ist.
.....
wir reden von mindestens 150.000 Euro Pro Club...und das vor der drohenden Legalisierung was sofort das gesamte Vereinsmodell vernichjten wird

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Kommentar abgeben

 

Ich akzeptiere die allgemeinen Verhaltensregeln (Netiquette).

Ich möchte über Antworten auf diesen Kommentar per E-Mail benachrichtigt werden.

Sie müssen alle Felder ausfüllen und die allgemeinen Verhaltensregeln akzeptieren, um fortfahren zu können.