Wertberichtigungen bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein

Zwischen Sorge und Vertrauen

Kiel - 21.11.2024, 15:43 Uhr

Dr. Stefan Zerres warb um Vertrauen in die Aufarbeitung problematischer Anlagen. (Foto: tmb/DAZ)

Dr. Stefan Zerres warb um Vertrauen in die Aufarbeitung problematischer Anlagen. (Foto: tmb/DAZ)


Die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein hatte im Sommer mit Abschreibungen für Kapitalanlagen in Höhe von über 50 Millionen Euro für Verunsicherung gesorgt. Bei der Kammerversammlung am Mittwoch gab es ein Update. Demnach ist die Umstrukturierung der Bilanz auf einem guten Weg, aber viele Einzelheiten zum Umgang mit den problematischen Anlagen sind noch offen. Angesichts besorgter Stimmen aus dem Kreis der Mitglieder warben die Beteiligten für Vertrauen in die weitere Bearbeitung und gaben sich zuversichtlich.

Ein langer Tagesordnungspunkt bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch in Kiel betraf die Apothekerversorgung. Dazu waren deutlich mehr Gäste als sonst in die Sitzung gekommen. Den Hintergrund bildeten die Wertberichtigungen in der Bilanz des Versorgungswerkes. Zur Kammerversammlung am 12. Juni 2024 hatte die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein für das Geschäftsjahr 2023 einen Abschluss mit einer negativen Nettorendite vorgelegt. Es wurden 54,9 Millionen Euro außerplanmäßig abgeschrieben, wobei spätere Wertaufholungen nicht auszuschließen sind. Es geht dabei insbesondere um nicht börsengehandelte Mezzanin-Anlagen. Dies ist eine Mischform von Eigen- und Fremdkapitalanlagen, hier vor allem nicht grundbuchlich gesicherte Immobilienfinanzierungen. Das Versorgungswerk hatte seinem Anlageportfolio solche Risikoanlagen beigemischt, um Strafzinsen zu vermeiden und in Zeiten negativer Zinsen eine Rendite zu erzielen. Durch den plötzlichen Zinsanstieg im Jahr 2022 waren einige Bauprojekte jedoch in Schieflage geraten. Wirtschaftsprüfer Frank Neumann vom Beratungsunternehmen Baker Tilly hatte im Juni erklärt, dass auch viele andere Versorgungswerke solche Einbußen hätten. Dort seien die Wertverluste in größeren Fondspositionen enthalten und würden stille Reserven mindern. Aufgrund der einzelnen Verbuchung bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein würden sie dort hingegen sichtbar. Außerdem hatte das Versorgungswerk bereits im März das Beratungsunternehmen Risk Management Consulting (RMC) mit dem künftigen Risikomanagement beauftragt.

Verunsicherung nach Wertberichtigungen

Die Kammerversammlung am Mittwoch bot ein Update zur weiteren Entwicklung. Der Geschäftsführer des Versorgungswerkes, Dr. Stefan Zerres, kündigte an, es werde auch 2024 eine Wertberichtigung geben, aber das Versorgungswerk erwarte kein negatives Jahresergebnis. Zerres erinnerte an die Gründe für die früheren Anlageentscheidungen, gab sich aber zuversichtlich und betonte das hohe Niveau der Renten in Versorgungswerken. Die Risiken seien bewusst eingegangen und daraufhin auch Reserven gebildet worden. Allerdings seien viele Mitglieder des Versorgungswerkes nach den Abschreibungen und vor allem aufgrund eines Beitrages in den „Kieler Nachrichten“ verängstigt. Es habe „aufgeregte Anrufe“ und sogar Fragen gegeben, ob Rentenkürzungen oder gar eine Insolvenz drohen würden. Doch Zerres bekräftigte, dies werde es nicht geben. Um solchen Ängsten entgegenzutreten, seien im Oktober zwei Informationsveranstaltungen für die Mitglieder ohne Beteiligung der Presse durchgeführt worden.

Transparenz und Aufarbeitung „auf gutem Weg“

RMC-Geschäftsführer Herwig Kinzler erklärte bei der Kammerversammlung, RMC und das Versorgungswerk würden Transparenz über die Anlagen schaffen. Diese Arbeit sei auf einem guten Weg, und dies alles bewege sich „in einem normalen unternehmerischen Rahmen“. Er warb auch um Verständnis für die früheren Anlageentscheidungen des Versorgungswerkes. Kinzler betonte, dass der Kapitalmarkt alle Anleger treffe und dass die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs im Jahr 2022 historisch einmalig gewesen sei. RMC-Berater Daniel Sommerer erklärte, die Arbeit bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein fokussiere sich in diesem Jahr auf die Bilanzierung. Einzelne Anlagen würden dafür künftig zusammengefasst. Das sei eine übliche Vorgehensweise bei Versorgungswerken. Es gehe um eine Optimierung, ein Teil der Kapitalanlagen sei allerdings in einer Restrukturierung. Kinzler und Sommerer vermittelten, dass die Bewertung an vielen Details liege. Insbesondere sei zu fragen, ob teilweise fertig gestellte Immobilien ganz oder teilweise weitergebaut werden sollen, um dann Erträge damit erzielen zu können. Dies sei eine Frage der Sorgfalt zum Erhalt der investierten Beträge, erklärte Sommerer. Kinzler versicherte, dabei werde dem „schlechten“ Geld kein „gutes“ Geld hinterhergeworfen. Beide betonten jedoch, den derzeitigen Wert der Objekte könne nur der Wirtschaftsprüfer bestimmen.

Pragmatische und formelle Sicht in der Diskussion

Damit prallten bei der Kammerversammlung die pragmatische und die formelle Sichtweise aufeinander. Mitglieder des Versorgungswerkes wollten eine Einschätzung dazu hören, welche Beträge weiterhin infrage stehen. Die Berater hingegen lehnten Zahlenangaben zu den in der Bewertung befindlichen Projekten als unseriös ab - und sie dürften der formellen Bewertung durch den Wirtschaftsprüfer nicht vorgreifen. Als Orientierung gab es jedoch die Erklärung von Zerres, die Summe der kritischen Investments sei deutlich geringer als die Reserven des Versorgungswerkes. Die genauen Folgen für die Bilanz über das Jahr 2024 würden erst nach den Bewertungen durch den Wirtschaftsprüfer und damit frühestens Ende April 2025 bekannt sein. Darüber soll bei der nächsten Kammerversammlung im Juni 2025 informiert werden.

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Besorgnis und Zuversicht

Angesichts der ausstehenden Zahlenangaben für 2024 gab es bei einigen Gästen Besorgnis und auch Kritik, vor allem an dem Klumpenrisiko, das sich aus dem vergleichsweise hohen Engagement in einzelne Objekte ergibt. Bei den Mitgliedern der Kammerversammlung dominierten hingegen das Vertrauen in das Versorgungswerk und die Zuversicht. Es solle in Ruhe auf die weiteren Zahlen gewartet werden. Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen erklärte, sein Vertrauen in das Versorgungswerk sei sogar gewachsen, denn nur wenige Versorgungswerke würden so transparent informieren.

Generationenwechsel im Verwaltungsausschuss

Außerdem standen turnusgemäße Wahlen zum Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein an. Dabei wurde in dem für die Arbeit des Versorgungswerkes wesentlichen Verwaltungsausschuss ein Generationenwechsel vollzogen. Nach 18 Jahren an der Spitze des Ausschusses trat Dr. Roswitha Borchert-Bremer nicht mehr zur Wahl an. Als Nachfolger wurde Holger Helmholz gewählt, der in der laufenden Amtsperiode stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsausschusses ist und zuvor Mitglied des Aufsichtsausschusses war. In seiner Bewerbungsrede betonte er die Bedeutung der Kontinuität und den Interessensausgleich zwischen aktiven Mitgliedern und Rentnern. Für den frei werdenden Posten des stellvertretenden Vorsitzenden gab es eine Wahl mit Gegenkandidaten, bei der sich Momme Imbusch klar durchsetzte. Der 37-Jährige ist Mitglied in der Kammerversammlung und mehreren Ausschüssen der Kammer. Er betreibt vier Apotheken, seine Frau zwei weitere „Friesen-Apotheken“. Als drittes pharmazeutisches Mitglied wurde Klara Brand, jüngstes Mitglied der Kammerversammlung, in den Ausschuss gewählt. Als Mitglieder des Aufsichtsausschusses wurden Christiansen, Stephanie Rust, Andrea Glänzer und Dr. Harald Erdmann ohne Gegenkandidaten wiedergewählt.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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