Wenig Evidenz laut Cochrane Review

Nützt Vitamin D Schwangeren?

22.11.2024, 10:45 Uhr

Durch UV-Strahlung wird Vitamin D größtenteils in der Haut aus 7-Dehydro­cholesterol gebildet. (Foto: DMegias/AdobeStock) 

Durch UV-Strahlung wird Vitamin D größtenteils in der Haut aus 7-Dehydro­cholesterol gebildet. (Foto: DMegias/AdobeStock) 


Bislang fehlen eindeutige Empfehlungen zur Supplementation von Vit­amin D während der Schwangerschaft. Die Versorgung scheint wichtig zu sein, um Komplikationen zu vermeiden. Die Autoren eines aktuellen Updates eines Cochrane Reviews stufen die Evidenz der Vitamin-D-Supplementation in der Schwangerschaft als niedrig bis sehr niedrig ein [1].

Ein Vitamin-D-Mangel bei Schwangeren kann Auswirkungen auf die Gesundheit der Mutter und des Neugeborenen haben. Es wird vermutet, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel der Mutter mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Präeklampsie, Gestationsdiabetes, Myopathien und Problemen bei der Knochenmineralisierung verbunden ist. Außerdem könnte eine Supplementation mit Vitamin D während der Schwangerschaft Komplikationen wie Frühgeburten, zu geringes Geburtsgewicht beim Säugling und postpartale Blutungen der Mutter verringern. Allerdings fehlt eine einheitliche Empfehlung zur Einnahme während der Schwangerschaft. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt aufgrund mangelnder Evidenz derzeit nicht, Vitamin D routinemäßig in der Schwangerschaft einzunehmen [4].

Update des Cochrane Reviews

Das Forscherteam um Cristina Palacios der Florida International University überarbeitete den Cochrane Review zur Vitamin-D-Supplementation während der Schwangerschaft. Die Arbeit wurde 2012 erstmals veröffentlicht, sowie 2016 und 2019 aktualisiert.

Sie durchsuchten dazu im Dezember 2022 das Cochrane Pregnancy and Childbirth Trials Register, bewerteten rund 163 randomisierte und quasi-randomisierte Studien und überprüften die Vertrauenswürdigkeit der Studien unabhängig durch zwei Autoren anhand einer Checkliste. Es wurden Faktoren wie Studiengröße, Einschlusskriterien und Datenanalyse bewertet. Das Update umfasst zehn Studien, in der Version zuvor waren es 30. 21 Studien wurden entfernt und eine neu aufgenommen. Die Evidenz wurde anhand des GRADE-Ansatzes bewertet, ein standardisierter, transparenter Ansatz für die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz und der Stärke von Empfehlungen im Gesundheitswesen [5].

Ziel war es, festzustellen, ob eine Supplementation von Vitamin D während der Schwangerschaft gesundheitliche Risiken bei Müttern und ihren Babys verringert, wie weniger Frühgeburten und ein geringeres Geburtsgewicht der Neugeborenen. Außerdem sollte untersucht werden, ob die Supplementation das Risiko von Schwangerschaftsfolgen verringern kann, wie übermäßige postpartale Blutungen. Auch wollte man herausfinden, ob bestimmte Schwangerschaftskomplika­tionen sicher verbessert werden können, wenn Vitamin D allein oder in Kombination mit Calcium oder anderen Vitaminen und Mineralien supplementiert wird. Die Ergebnisse lieferten sehr unsichere Evidenz, ob eine Supplementierung von Vitamin D in der Schwangerschaft verglichen mit Placebo oder keiner Intervention wirksam ist, bezüglich:

  • Präeklampsie (relatives Risiko [RR] = 0,53, 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,21 bis 1,33; 1 Studie, 165 Frauen),
  • Schwangerschaftsdiabetes (RR = 0,53, 95%-KI = 0,03 bis 8,28; 1 Studie, 165 Frauen),
  • Frühgeburt (< 37 Schwangerschaftswochen) (RR = 0,76, 95%-KI = 0,25 bis 2,33; 3 Studien, 1368 Frauen),
  • nephritisches Syndrom (RR = 0,17, 95%-KI = 0,01 bis 4,06; 1 Studie, 135 Frauen)
  • oder Hypercalcämie (1 Studie; keine Fälle gemeldet).

In einer Studie wurde darüber berichtete, dass durch Supplementation von Vitamin D während der Schwangerschaft das Risiko von postpartalen Blutungen kleiner wird (RR = 0,68, 95%-KI = 0,51 bis 0,91; 1 Studie, 1134 Frauen).

In drei Studien mit 371 Säuglingen verwies man darauf, dass das Risiko eines niedrigen Geburtsgewichts beim Säugling (< 2500 g) durch Vitamin-D-Supplementierung verringert werden kann (RR = 0,69, 95%-KI = 0,44 bis 1,08). Die Evidenz war auch hier sehr unsicher, was die Spannweite des Konfidenzintervalls zeigt.

Vitamin-D-Mangel bei Schwangeren

Das Institute of Medicine (IOM) und auch das Robert Koch-Institut (RKI) sprechen ab einer Serumkonzentration von unter 20 ng/ml 25-Hydroxy­vitamin-D (25[OH]D, Calcidiol) von einer unzureichenden Vitamin-D-­Versorgung. Der Wert gilt auch für Schwangere [2]. Bestimmt wird der Vitamin-D-Status anhand der Konzentration von Calci­diol im Blut. Es bildet die Summe aus kutan gebildetem und über die Nahrung aufgenommenem Vitamin D und ist die Speicherform. Calcidiol ist schwierig zu bestimmen, und es gibt enorme Schwankungen in den Messwerten je nach Messmethode, Labor und Extraktionsverfahren.

Vitamin-D-Mangel ist bei schwangeren Frauen weltweit verbreitet. Eine Metaanalyse mit 17 Studien an schwangeren und stillenden Frauen konnte eine Prävalenz von 33% in den USA, 24% in Kanada, 45% in Belgien, 35% im Vereinigten Königreich, 44% in den Niederlanden, 20% in Spanien und 77% in Deutschland eines niedrigen Vitamin-D-Status aufzeigen, definiert als 25(OH)D-Serumkonzentration unter 20 ng/mg [3].

Eine Supplementierung mit Vitamin D und Calcium gegenüber Placebo oder keiner Intervention wurde in einer Studie verglichen. Über Präeklampsie, Gestationsdiabetes und andere un­erwünschte Ereignisse wurde nicht berichtet. Allerdings wies diese Studie ein mäßig bis hohes Risiko einer Verzerrung auf, weswegen Daten zur Frühgeburt und zu niedrigem Geburtsgewicht eine sehr unsichere Evidenz liefern.

Auch sehr unsicher war die Evidenz, die die Forscher bei der einzigen Studie fanden, in der die Supplementierung von Vitamin D, Calcium und anderen Vitaminen und Mineralien gegenüber Calcium und anderen Vitaminen und Mineralien verglichen wurde. Über Präeklampsie wurde nicht berichtet. Die Evidenz ist sehr unsicher in Bezug auf eine Supplementation von Vitamin D und Calcium und anderen Vitaminen und Mineralien im Vergleich zu keinem Vitamin D auf Gestationsdiabetes, unerwünschte Ereignisse bei der Mutter, Frühgeburt oder niedrigem Geburtsgewicht.

Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse, dass mehr hochwertige randomisierte Studien mit größerer Studienpopulation notwendig sind, um Gewissheit über die Auswirkungen einer Vitamin-D-Supplementation während der Schwangerschaft zu erhalten.

Literatur

[1] Palacios C, Kostiuk LL, Cuthbert A et al. Vitamin D supplementation for women during pregnancy. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Ausgabe 7, Artikelnummer: CD008873, doi: 10.1002/14651858.CD008873.pub5

[2] Bestimmung und Interpretation des Vitamin-D-Status. Information des RKI, Stand September 2024, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/FAQ07.html

[3] Palacios C, Gonzalez L. Is vitamin D deficiency a major global public health problem? Journal of Steroid Biochemistry and Molecular Biology 2014;144(Pt A):138-45

[4] WHO-Empfehlung zur Vitamin-D-Supplementation während der Schwangerschaft. Stand September 2024. https://www.who.int/tools/elena/interventions/vitamind-supp-pregnancy

[5] Definition GRADE-Ansatz der GRADE-Arbeitsgruppe Freiburg, Stand September 2024, https://www.cochrane.de/sites/cochrane.de/files/uploads/20210312_flyer_21.pdf


Sophie Schrade, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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