- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Antipsychotika bei ...
Neben Positiv- und Negativsymptomen können Patienten mit schizophrenen Spektrumsstörungen auch stark unter kognitiven Einschränkungen leiden. In einer aktuellen Metaanalyse untersuchten Wissenschaftler den Effekt verschiedener Antipsychotika auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Behandelten.
Bei der Schizophrenie werden klassischerweise zwei Symptomgruppen unterschieden: die Positivsymptomatik, zu der unter anderem Wahnvorstellungen und Ich-Störungen zählen, sowie die Negativsymptomatik, die sich beispielsweise durch Antriebslosigkeit oder eine Affektverflachung äußert. Eine dritte, oft weniger beachtete Dimension umfasst die kognitiven Symptome. Dazu zählen Beeinträchtigungen der Lern- und Problemlösefähigkeit sowie der Aufmerksamkeit, Kommunikation und Gedächtnisleistung.
Kognitive Einschränkungen verschlechtern die Lebensqualität
Solche kognitiven Einschränkungen haben erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen. Dennoch konzentriert sich die derzeitige medikamentöse Therapie hauptsächlich auf die Behandlung der Positivsymptomatik. Hier kommen diverse Antipsychotika zum Einsatz, zumeist Dopamin-Antagonisten. Auch wenn diese an sich keine kognitiven „Enhancer“ sind, könnten sie sich aufgrund ihrer verschiedenen Rezeptorbindungsprofile in ihrem Effekt auf die Kognition unterscheiden.
In einer kürzlich veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wurde daher untersucht, welche Antipsychotika bei Patienten mit schizophrenen Spektrumsstörungen vorteilhafte Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben könnten. Dafür wurden 68 Studien aus den Jahren 1958 bis 2022 ausgewertet, die Daten von 9526 Patienten (Durchschnittsalter = 35,1 Jahre; 70% männlich) umfassten.
Kein klarer Favorit
Die Auswertung ergab keine deutlichen Unterschiede in der kognitiven Wirkung zwischen den untersuchten Antipsychotika. Zwar schnitten einige Wirkstoffe wie Molindon (nicht in Deutschland erhältlich) und die niedrigpotenten klassischen Antipsychotika Thioridazin oder Chlorpromazin in der Studie etwas besser ab, doch die Evidenz für diese Substanzen ist aufgrund der geringen Studienanzahl und veralteter Datenlage schwach. Aktuellere und umfassendere Daten gab es z. B. für die atypischen Wirkstoffe Sertindol und Paliperidon, welche moderate positive Effekte im Vergleich mit Placebo zeigten.
Die schlechtesten Ergebnisse erzielten die hochpotenten klassischen Dopamin-Antagonisten Haloperidol und Fluphenazin sowie das an anticholinergen und histaminergen Rezeptoren affine Clozapin.
Generell zeigte kein einzelnes der untersuchten Antipsychotika eine klare Überlegenheit gegenüber Placebo. Nur gruppiert nach den verschiedenen Rezeptoraffinitäten ergaben sich leichte Vorteile. Einige Arzneistoffe zeigten in Sekundäranalysen positive Effekte auf spezifische kognitive Bereiche. So profitierten Patienten beispielsweise im Bereich der Verarbeitungsgeschwindigkeit von Molindon und Thioridazin oder beim verbalen Lernen und Arbeitsgedächtnis von Paliperidon. Auch hier belegten Haloperidol, Fluphenazin und Clozapin die letzten Plätze.
Mehr zum Thema
Akute Ereignisse unter Neuroleptika häufiger
Antipsychotika bei Demenzpatienten riskanter als gedacht
Prokognitive Wirkstoffe nötig
Die Studienautoren merken an, dass die aktuelle Datenlage zur kognitiven Wirkung von Antipsychotika lückenhaft ist. Auch weisen die untersuchten Studien eine hohe methodische Heterogenität auf, da die verwendeten Tests zur Bewertung kognitiver Funktionen oft unvollständig oder uneinheitlich waren. Dennoch legen die Ergebnisse nahe, dass Dopamin-Antagonisten der ersten Generation sowie Clozapin bei Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen möglichst vermieden werden sollten. Zudem sind Antipsychotika generell keine prokognitiven Wirkstoffe. Die Autoren der Metaanalyse plädieren daher für die Entwicklung neuer Arzneistoffe mit innovativen Wirkmechanismen, die gezielt auf kognitive Einschränkungen bei Schizophrenie abzielen. Ebenso sollten psychotherapeutische Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Darüber hinaus sei es essenziell, einheitliche Standards für die Bewertung der kognitiven Leistung in zukünftigen Studien zu schaffen.
Literatur
Feber L et al. Antipsychotic Drugs and Cognitive Function: A Systematic Review and Pairwise Network Meta-Analysis. JAMA Psychiatry 2024, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2024.2890
0 Kommentare
Kommentar abgeben