Abschreibungen wegen riskanter Investements

Handelsblatt berichtet über Versorgungswerk Schleswig-Holstein

23.12.2024, 16:45 Uhr

Steigende Zinsen brachten viele Bauprojekte in Schieflage und die Investoren somit in Schwierigkeiten (Symbolbild; IMAGO / Panthermedia)

Steigende Zinsen brachten viele Bauprojekte in Schieflage und die Investoren somit in Schwierigkeiten (Symbolbild; IMAGO / Panthermedia)


„Versorgungswerk schreibt Verluste: Apotheker in SH bangen um ihre Rente“ – diese Schlagzeile aus den Kieler Nachrichten hatte im Oktober Apotheker*innen in Schleswig-Holstein in Aufruhr versetzt. Hintergrund des Berichtes war, dass das Versorgungswerk außerplanmäßig 54,9 Millionen Euro aufgrund von riskanten Immobilieninvestments abschreiben musste. Nun berichtet das Handelsblatt über die Geschichte.

In den letzten Jahren sahen sich die Versorgungswerke gezwungen stärker ins Risiko zu gehen, um weiterhin die notwendigen Renditen zu erwirtschaften, so auch die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein. Investiert wurde unter anderem in sogenannte „Mezzanine-Geschäfte“. Dies ist eine Mischform von Eigen- und Fremdkapitalanlagen, hier vor allem nicht grundbuchlich gesicherte Immobilienfinanzierungen. Das Versorgungswerk hatte seinem Anlageportfolio solche Risikoanlagen beigemischt, um Strafzinsen zu vermeiden und in Zeiten negativer Zinsen eine Rendite zu erzielen. Durch den plötzlichen Zinsanstieg im Jahr 2022 waren einige Bauprojekte jedoch in Schieflage geraten. Das führte dazu, dass 54,9 Millionen Euro außerplanmäßig abgeschrieben werden mussten. Weil die Kieler Nachrichten berichteten, gelangte das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit.

Angeblich beispielhaft für viele

Nun hat das Handelsblatt nach eigener Aussage die internen Geschäftsberichte der Apothekerversorgung der vergangenen Jahre ausgewertet. Der Titel: „Wie sich ein Apotheker-Versorgungswerk mit Immobilien verzockt hat“. Demnach sollen sie beispielhaft, „wenn auch in vermutlich extremer Form“, einen tiefen Einblick das Anlageverhalten vieler institutioneller Investoren in den vergangenen Jahren am Immobilienmarkt bieten, heißt es, – und zeigen, vor welchen Schwierigkeiten sie in den kommenden Jahren stehen. Oder anders gesagt: Andere Versorgungswerke könnten ähnliche Probleme haben oder bekommen.

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Ebenfalls betont das Handelsblatt, dass der Geschäftsbericht der Schleswig-Holsteiner im Vergleich zu anderen besonders detailreich und deswegen entsprechend aufschlussreich sei. Eine Tatsache, die auch bei der Kammerversammlung in Kiel im Juni seitens der Wirtschaftsprüfer hervorgehoben wurde. Dort hieß es, dass auch viele andere Versorgungswerke solche Einbußen hätten. Dort seien die Wertverluste in größeren Fondspositionen enthalten und würden stille Reserven mindern. Aufgrund der einzelnen Verbuchung bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein würden sie dort hingegen sichtbar.

Weg von der Anlageverordnung

Dann erzählt das Handelsblatt detailreich die ganze Geschichte: Im Jahr 2020 habe sich die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein entschieden, sich nicht mehr an die Anlageverordnung für Pensionskassen zu halten und deren zwingende Anwendung in der Satzung gestrichen. Im Jahr darauf beschlossen die Gremien dann unternehmerische Beteiligungen aufzubauen und vermehrt Mezzanine-Darlehen zu vergeben, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf den Geschäftsbericht. Der Mezzanine-Anteil erhöhte sich dadurch auf 16 Prozent der Kapitalanlagen, weitere 25 Prozent steckten direkt oder indirekt in Immobilien, heißt es. „Rund 54 Millionen Euro wurden im Geschäftsjahr 2022 ganz überwiegend in Mezzanine-Darlehen platziert“, zitiert das Handelsblatt den Geschäftsbericht.

Konkret ging es dabei um noch nicht umgesetzte Immobilienprojekte, unter anderem in Frankfurt am Main. Die Apothekerversorgung sollte an Zinserträgen beteiligt werden, die über ein Gesellschafterdarlehen erzielt werden sollten. Außerdem sollten zu gegebener Zeit Exit-Gewinne durch den Verkauf der gegebenenfalls fertiggestellten Immobilie erzielt werden.

Keine Rentenkürzungen

Die Wette ging aber nicht auf. Bei der Kammerversammlung im November gab es ein Update zur Entwicklung. Der Geschäftsführer des Versorgungswerkes, Dr. Stefan Zerres, kündigte damals an, es werde auch 2024 eine Wertberichtigung geben, aber das Versorgungswerk erwarte kein negatives Jahresergebnis. Zerres erinnerte an die Gründe für die früheren Anlageentscheidungen, gab sich aber zuversichtlich und betonte das hohe Niveau der Renten in Versorgungswerken. Die Risiken seien bewusst eingegangen und daraufhin auch Reserven gebildet worden. Allerdings seien viele Mitglieder des Versorgungswerkes nach den Abschreibungen und vor allem aufgrund eines Beitrages in den „Kieler Nachrichten“ verängstigt. Es habe „aufgeregte Anrufe“ und sogar Fragen gegeben, ob Rentenkürzungen oder gar eine Insolvenz drohen würden. Doch Zerres bekräftigte, dies werde es nicht geben. Um solchen Ängsten entgegenzutreten, seien im Oktober zwei Informationsveranstaltungen für die Mitglieder ohne Beteiligung der Presse durchgeführt worden. Mittlerweile hat sich das Versorgungswerk einen Berater zur Seite geholt, der künftig das Risikomanagement übernehmen soll.

„In einem normalen unternehmerischen Rahmen“

Laut dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Risk Management Consulting (RMC), sei man auf einem guten Weg, Transparenz zu schaffen. Alles bewege sich „in einem normalen unternehmerischen Rahmen“. Er warb auch um Verständnis für die früheren Anlageentscheidungen des Versorgungswerkes. Mitglieder wollten eine Einschätzung dazu hören, welche Beträge weiterhin infrage stehen. Die Berater hingegen lehnten Zahlenangaben zu den in der Bewertung befindlichen Projekten als unseriös ab – und sie dürften der formellen Bewertung durch den Wirtschaftsprüfer nicht vorgreifen. Als Orientierung gab es jedoch die Erklärung, die Summe der kritischen Investments sei deutlich geringer als die Reserven des Versorgungswerkes. Weitere Abschreibungen in den kommenden Jahren sind allerdings nicht ausgeschlossen.

Das Handelsblatt bemüht in seinem Bericht ein Zitat von Kammerpräsident Kai Christiansen, der kürzlich gegenüber den „Kieler Nachrichten“ sagte, um die Renten müsse sich zwar kein Apotheker sorgen, Rentenerhöhungen werde es aber in nächster Zeit nicht geben.

Zum Schluss des HB-Artikels kommt noch ein Apotheker zu Wort, der entsetzt ist über das Anlageverhalten: Yannick Detampel, Inhaber der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf, der sich bereits gegenüber den Kieler Nachrichten geäußert hatte. Bis heute habe keine der Personen in der Führungsriege Verantwortung gezeigt und persönliche Konsequenzen gezogen, stattdessen werde weiterhin beschönigt, sagt er. Nicht einmal das Minimalziel, die Inflationen auszugleichen, werde erreicht. Für die kommenden Abschlüsse erwartet er nichts Gutes, da er mit weiteren Abschreibungen rechnet.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Handelsblatt berichtet über Versorgungswerk Schleswig-Holstein

von Wolfgang Kaesbach am 23.12.2024 um 19:03 Uhr

Mitglied eines Versorgungswerkes (hier: Versorgungswerk der Apothekerkammer Nordrhein) zu sein, bedeutet den direkten Weg in die Altersarmut: keine Rentenerhöhung seit 2013 (ab 01.2025 Erhöhung um 1 Prozent).

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Apo Versorgung SH - Desaster ohne Konsequenzen

von Peter Riese am 23.12.2024 um 17:53 Uhr

Ich kann dem Kollegen Yannick Detampel nur beipflichten. Es ist mehr als erstaunlich, dass in keiner Diskussion zu diesem Desaster die Rede davon ist, dass Verantwortliche die Konsequenzen ziehen und Ihren Hut nehmen. Auch die Tatsache, dass die jetzt hinzugezogenen Beratungsfirmen einen Haufen zusätzlicher Kosten verursachen wird von niemandem gesehen. Warum können hier alle weitermachen wie bisher???

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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