Rx-Onlinehandel: So machen es die anderen
Der Onlinehandel mit Arzneimitteln hat das Apothekengeschäft in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert – nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Europas. Während der digitale Fernabsatz von verschreibungsfreien OTC-Produkten heute in den meisten EU-Staaten möglich ist, ist der Versandhandel
mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (Rx) neben Deutschland lediglich in Dänemark, Litauen, Estland, Finnland, Portugal, den Niederlanden und Schweden
erlaubt – außerdem im ehemaligen EU-Land Vereinigtes Königreich (siehe Abbildung) .
Um die Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten, unterliegt der Verkauf von Rx-Arzneimitteln in all diesen Ländern strengen Anforderungen. Mit Ausnahme von Großbritannien müssen sich die Betreiber der Versandapotheken zudem an grundsätzlichen EU-Regeln orientieren. Dazu gehört, dass die Vorgaben zur Arzneimittelsicherheit, Qualität und Pharmakovigilanz eingehalten werden müssen. Die Europäische Kommission hat 2015 zudem ein Logo für den Online-Apothekenhandel eingeführt, das es Verbrauchern ermöglichen soll, lizenzierte Apotheken zu erkennen.
Geht es nach den Verfechtern des Onlinehandels, soll dieser künftig in noch mehr Ländern möglich sein. Dazu hat sich im Oktober 2024 die Interessenvertretung Online Order and Home Delivery of Medicines Alliance (Onhome) gegründet. Das Ziel des Bündnisses ist es, Druck auf die politischen Entscheidungsträger der EU auszuüben, um die Zulassung des Online-Versands in den 19 weiteren EU-Staaten durchzusetzen, in denen diese Geschäfte bislang nicht möglich sind. Gestützt wird die Forderung unter anderem durch eine Untersuchung des Forschungsinstitutes Copenhagen Economics, wonach es für den Rx-Onlinebezug erheblichen
Bedarf gebe: So würde fast ein Drittel der Bürger in den EU-Ländern, in denen der Online-Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln derzeit verboten ist, solche
Arzneimittel wahrscheinlich online beziehen, wenn sie
verfügbar wären. Und In Ländern, die bereits vollen Online-Zugang ermöglichen, hätten 56 Prozent der Befragten diesen Service bereits genutzt, um verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beziehen. Die Anfang 2024 erschienene Studie war von der Alliance for Safe Online Pharmacy in
the EU (Asop) in Auftrag gegeben worden, eine der Partnerorganisationen von Onhome.
Doch wie läuft das Versandgeschäft eigentlich in jenen Nachbarländern ab, die den Handel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, so wie Deutschland, bereits
ermöglichen? Ein Blick über die Grenzen.
Dänemark: Die Pioniere
Dänemark gilt als Vorreiter in der Digitalisierung des Apothekenwesens. Im nördlichen Nachbarland ist der Onlinehandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bereits seit 2003 erlaubt. Damals wurden durch eine EU-Richtlinie die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Versand mit Arzneimitteln innerhalb der Union harmonisiert. Dänemark hat diese Möglichkeit früh umgesetzt und gestattet seither Apotheken, ihre Produkte, einschließlich verschreibungspflichtiger Arzneimittel, online anzubieten. Ziel war es, die Versorgung zu verbessern, insbesondere in ländlichen Regionen. Dabei dürfen nur staatlich zugelassene
Apotheken, die zudem eine physische Präsenz haben,
verschreibungspflichtige Arzneimittel online verkaufen.
Erleichtert wurde der Onlinehandel mit Arzneimitteln in Dänemark durch die Einführung des elektronischen Rezepts (eRezept) in den 2000er-Jahren. Plattformen wie das nationale Gesundheitsportal Sundhed.dk sind dabei zu einem wichtigen Bestandteil des Prozesses geworden. Patienten können dort ihre Rezepte digital verwalten. Apotheken wiederum können sie einsehen und prüfen, ehe sie die Medikamente freigeben. Der Versand erfolgt anschließend in der Regel durch Kurierdienste.
Nachfrage steigt
Die Nachfrage nach Online-Arzneimitteln in Dänemark ist in den Jahren mit wachsendem Vertrauen der Verbraucher in digitale Dienstleistungen gewachsen. Zusätzlich führte die Pandemie ab 2020 zu einem sprunghaften Anstieg der Online-Bestellungen. Zudem erweiterten zahlreiche Apotheken ihre digitalen Angebote, verbesserten Lieferketten und boten zusätzliche Beratungsdienste per Telefon oder Video an. Mittlerweile ist es Apothekern in Dänemark sogar gestattet, einige bestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept eines Arztes abzugeben.
Zu den bekanntesten Online-Apotheken in Dänemark, die verschreibungspflichtige Arzneimittel anbieten, gehören unter anderem Apopro, Apotekeren.dk und Apoteket.dk.
Niederlande: Vorne dabei
Die Niederlande gehörten wie Dänemark zu den ersten Ländern in Europa, die den Onlineverkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln legalisierten. Im Falle der Niederlande fiel der Startschuss im Jahr 2007. Entsprechend früh etablierten sich einige Unternehmen, die wie DocMorris und Redcare Pharmacy heute auch jenseits der niederländischen Grenzen zu den Marktführern gehören.
Um verschreibungspflichtige Arzneimittel verkaufen zu dürfen, benötigen Onlineapotheken in den Niederlanden eine Registrierung und Lizenz der Gesundheitsbehörde Centraal Informatiepunt Beroepen Gezondheidszorg (CIBG). Die Bürger wiederum können über das Medicijnauthorisatie-System überprüfen, ob eine Online-Apotheke in den Niederlanden legal tätig ist.
Beratung auf Wunsch
Um verschreibungspflichtige Arzneimittel zu erhalten, müssen die Kunden in Papierform oder elektronisch über das nationale E-Health-System ein Arzt-Rezept einreichen. Die Online-Apotheken sind wiederum verpflichtet sicherzustellen, dass die Verschreibungen gültig sind. Auf Wunsch bieten zahlreiche Online-Apotheken zudem eine Beratung zu den bestellten Arzneimitteln an.
Laut einer Untersuchung aus den Jahren 2020/2021 nutzen etwa 15 bis 20 Prozent der niederländischen Bevölkerung Online-Apotheken für den Kauf von Arzneimitteln, einschließlich verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Zu den bekanntesten Onlineapotheken für Rx-Arzneimittel zählen Apotheek.nl, Dokteronline.com, Thuisapoteek, eFarma und die zu Redcare Pharmacy gehörende Shop Apotheke Europe
Schweden: Modern und effizient
Schweden gilt als Vorreiter bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Durch seine technologische Infrastruktur und liberale Marktpraxis hat sich das Land den Ruf erworben, einer der modernsten und effizientesten Märkte für den Onlinehandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Europa zu sein.
Es war im Jahr 2009, als der schwedische Apothekenmarkt liberalisiert und das staatliche Monopol auf Apotheken teilweise aufgehoben wurde. Bis dahin durfte ausschließlich die Apoteket AB, eine staatliche Organisation, Apotheken betreiben. Mit der Marktöffnung verkaufte der Staat etwa zwei Drittel dieser Apotheken an private Betreiber. Die Reform führte nicht nur zu einem deutlichen Anstieg von privat betriebenen Apotheken; diese dürfen die Arzneimittel seitdem auch über Onlineplattformen vertreiben.
Voraussetzung dafür ist, dass die Apotheken von der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde Läkemedelsverket zugelassen sind. Im Übrigen basiert der Onlinehandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Schweden auf einem integrierten digitalen Gesundheitssystem, in dem das elektronische Rezept (E-Rezept) eine zentrale Rolle spielt. So wurden bereits Ende der 2010er-Jahre fast alle Rezepte in elektronischer Form ausgestellt. Diese werden in eine zentrale Datenbank des schwedischen eHealth-Systems namens eHälsomyndigheten hochgeladen. Apotheken können nach Eingabe der Personenkennziffer des Patienten online auf die Datenbank zugreifen, um die Rezepte einzusehen. Die Patienten wiederum können nach der Authentifizierung mit der BankID, einer digitalen Signatur, das gewünschte Medikament bestellen. Bei Fragen zu Nebenwirkungen, Dosierung oder anderen medizinischen Themen bieten die Online-Apotheken oftmals eine Beratung per Chat, Telefon oder Video an.
Die Lieferung nach Hause geschieht meist innerhalb von ein bis zwei Tagen, in größeren Städten teilweise sogar am selben Tag. Alternativ wird die Ware an eine Abholstation oder einen Paketshop in der Nähe geschickt.
Pandemie als Treiber
Seit seiner Einführung hat sich der Onlinehandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Schweden stetig weiterentwickelt. Dabei wirkte die Corona-Pandemie wie
in nahezu allen anderen Ländern als Katalysator und führte zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Online-Apothekendiensten. Inzwischen wird etwa ein Drittel der Arzneimittel in Schweden online verkauft.
Apotea ist die größte und bekannteste reine Onlineapotheke in Schweden. Sie gilt mit ihren Logistik- und Liefersystemen als Vorreiter im Onlinehandel mit Arzneimitteln. Apoteket ist eine ehemalige staatliche Apothekenkette und weiter eine der größten Anbieter von Arzneimitteln. Die Kette Kronans Apotek betreibt sowohl stationäre Apotheken als auch einen starken Onlinehandel. Meds ist eine relativ neue, aber schnell wachsende Onlineapotheke, Lloyds Apotek ist Teil der internationalen Lloyds Pharmacy Group.
Im zweiten Teil erfahren Sie dann, wie der Rx-Versandhandel unter anderem in Finnland und Estland geregelt ist.