Ist die Milch noch gut?
Dass einige Wirkstoffe in relevanten Mengen in die Muttermilch übergehen und die entsprechenden Arzneimittel in der Stillzeit daher nicht eingenommen werden können, ist hinreichend bekannt und ein häufiges Beratungsthema in den Apotheken. Aber kann die Einnahme von Arzneimitteln auch auf anderem Wege die Zusammensetzung der Milch beeinflussen?
Dieser Fragestellung widmeten sich Forschende des schwedischen Karolinska Institutet und der Universität Kaliforniens in ihrer jüngst veröffentlichten Studie: Sie untersuchten, ob die regelmäßige Einnahme von Antidepressiva oder Entzündungshemmern die Zusammensetzung der Makronährstoffe in der Milch beeinflusst. Die Rationale dahinter: Von Wirkstoffen wie etwa Glucocorticoiden ist bekannt, dass diese den Zuckerspiegel in Blut und Plasma erhöhen können. Setzt sich ein solcher Effekt auch in der Milch fort?
Um erste Erkenntnisse zu gewinnen, führten die Wissenschaftlerinnen eine Querschnittsstudie mit 384 stillenden Frauen durch. 179 von ihnen wurden zum Zeitpunkt der Milchspende regelmäßig mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI), monoklonalen Antikörpern, systemischen Steroiden oder anderen anti-inflammatorischen Arzneimitteln (bspw. Disease-modifying anti-rheumatic Drugs, DMARD; Mesalazin) behandelt. Weitere 141 Frauen litten an den gleichen Grunderkrankungen wie die Frauen der ersten Gruppe (affektive Störungen und/oder entzündliche Erkrankungen), nahmen aber keine Arzneimittel ein. Als dritte Gruppe wurden 64 gesunde Frauen eingeschlossen, die ebenfalls keine Arzneimittel einnahmen.
Weniger Proteine und Fette bei Arzneimitteleinnahme
In den gewonnenen Milchproben wurde mittels Nahinfrarotspektroskopie der jeweilige Gehalt an Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten (g/100ml) sowie der Brennwert (kcal/100ml) bestimmt.
Hinsichtlich des Kohlenhydratgehalts wurde kein Unterschied zwischen den drei Gruppen von Stillenden beobachtet. Verglichen mit der Milch aus der gesunden Kontrollgruppe, wies die Milch der medikamentös behandelten Stillenden einen um je nach Arzneimittelgruppe um 15 bis 21% erniedrigten Proteingehalt auf. Auch der Fettgehalt sowie der Brennwert waren bei der Milch der medikamentös behandelten Frauen erniedrigt, sowohl gegenüber der Milch der gesunden Kontrollgruppe als auch derer der erkrankten, aber unbehandelten Frauen.
Bezogen die Forscherinnen jedoch weitere Informationen ein, die ihnen die Teilnehmerinnen zur Verfügung gestellt hatten, und adjustierten die Messwerte entsprechend, blieben nur noch in wenigen Fällen die Unterschiede zwischen den Gruppen statistisch signifikant:
- Ein erniedrigter Proteingehalt in der Milch bei Stillenden, die SSRI oder Steroide anwendeten, verglichen mit gesunden Stillenden.
- Ein erniedrigter Fettgehalt in der Milch medikamentös behandelter Frauen im Vergleich zu unbehandelten Erkrankten.
Berücksichtigt wurden bei dieser Adjustierung unter anderem das Alter von Mutter und Kind sowie der Body Mass Index, die Stillfrequenz, der Cannabiskonsum und der Beruf der Mutter. Die Ernährungsweise der Mutter wurde hingegen nicht erfasst, wie die Autorinnen der Studie einräumen.
Makronährstoffwerte bei allen Gruppen im Normbereich
Einen Anlass, die Empfehlungen hinsichtlich des Stillens unter der Einnahme der untersuchten Wirkstoffe zu ändern, sehen die Autorinnen der Studie in ihren Ergebnissen nicht begründet: Die Mittelwerte der Makronährstoffwerte lagen in allen drei Gruppen im Normalbereich.
Die vom britischen Science Media Center zu der Studie befragte Expertin Dr. Anna Gavine (Dozentin an der Universität Dundee) kommentierte:
„Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Kohlenhydrat- oder Energiezufuhr zwischen den Gruppen, was darauf schließen lässt, dass diese Arzneimittel die Energiezufuhr der gestillten Kinder nicht beeinflussen. Dies wird in der Studie nicht ausreichend hervorgehoben.“ Frauen, die die untersuchten Medikamente einnehmen, sollten sich daher keine Sorgen um den Makronährstoffgehalt ihrer Milch machen – und erst recht nicht vom Stillen zurückschrecken. Weitere Forschung zum Thema sei hingegen sehr willkommen.
Ob daher eine klinische Auswirkung zu erwarten ist, sei nicht geklärt. Gesunde Säuglinge seien wahrscheinlich in der Lage, einen niedrigeren Nährstoffgehalt der Milch durch Anpassung ihres Trinkverhaltens auszugleichen. Frühgeborene oder kranke Säuglinge, die ausschließlich gestillt werden, könnten durch den niedrigeren Makronährstoffgehalt der Milch jedoch möglicherweise in Wachstum und Gesundheit beeinflusst werden.
Literatur
Heinonen EW et al. Macronutrients in Human Milk Exposed to Antidepressant and Anti-Inflammatory Medications. JAMA Netw Open2025;8(1):e2453332, doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.53332
Expert reaction to study finding some maternal medications were associated with lower levels of protein and fat in breast milk. Information des britischen Science Media Centre vom 07. Januar 2025