Rasburicase
Hintergrundinformation
Rasburicase
Die Uratoxidase Rasburicase wurde in der Vergangenheit aus einem AspergillusPilz gewonnen und wird schon seit zwanzig Jahren in Frankreich und Italien in der Standardtherapie gegen das Tumorlyse-Syndrom eingesetzt. Sanofi-Synthelabo ist es nun gelungen, den Wirkstoff mit Hilfe eines Saccharomyces-cerevisiae-Stamms gentechnisch herzustellen. Entstanden ist ein hochreines, tetrameres Protein mit vier identischen Untereinheiten aus 301 Aminosäuren.
Rasburicase
ATC-Code
V: Varia
V03: Alle übrigen therapeutischen Mittel
V03A: Alle übrigen therapeutischen Mittel
V03AF: Entgiftungsmittel für die Behandlung mit Zytostatika
V03AF07: Rasburicase
Wirkungsmechanismus
Beim Menschen stellt die Harnsäure den letzten Schritt beim Abbau der Purine dar. Der akute Anstieg der Harnsäurespiegel im Plasma nach Absterben einer großen Zellzahl, wie sie bei bösartigen Erkrankungen und im Verlauf zytoreduktiver Chemotherapien vorkommt, kann zur Einschränkung der Nierenfunktion und zu Nierenversagen führen, die beide in Zusammenhang mit der Ausfällung von Harnsäurekristallen in den Nierentubuli stehen. Rasburicase ist ein sehr stark wirksames Urikolytikum, das die enzymatische Oxidation von Harnsäure in Allantoin - eine wasserlösliche Substanz, die leicht über die Nieren ausgeschieden wird - katalysiert.
Die enzymatische Oxidation von Harnsäure führt stöchiometrisch zur Bildung von Wasserstoffperoxid. Der Überschuss von Wasserstoffperoxid über normale Spiegel hinaus kann durch endogene Antioxidanzien abgebaut werden. Nur für Patienten mit G6PD-Mangel und vererbter Anämie besteht ein erhöhtes Risiko für eine Hämolyse.
Pharmakokinetik
Nach der Infusion von Rasburicase wird das Fließgleichgewicht am Tag 2 bis 3 erreicht. Die Clearance von Rasburicase beträgt 3,5 ml/h/kg und die Eliminationshalbwertszeit etwa 19 Stunden. Ein geringer Anteil wird renal ausgeschieden. Da man davon ausgeht, dass der Metabolismus über Peptidhydrolyse erfolgt, ist bei einer eingeschränkten Leberfunktion keine Auswirkung auf die Pharmakokinetik zu erwarten.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Rasburicase sollte nur unmittelbar vor bzw. zum Zeitpunkt der Einleitung einer Chemotherapie gegeben werden, da derzeit nur unzureichende Daten vorliegen, um wiederholte Behandlungszyklen empfehlen zu können. Die empfohlene Dosierung beträgt 0,20 mg/kg/Tag. Rasburicase wird einmal täglich angewendet als intravenöse Infusion über 30 Minuten in 50 ml einer 9-mg/ml-haltigen Natriumchlorid-Lösung (0,9 % w/v). Die Dauer der Behandlung liegt zwischen 5 und 7 Tagen.
Bei Risikopatienten (mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion) ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Die Anwendung von Rasburicase erfordert keine Änderung des Anfangszeitpunkts oder Behandlungsschemas einer zytoreduktiven Chemotherapie. Die Infusion der Rasburicaselösung und die Infusion von Chemotherapeutika muss zur Vermeidung eventueller Wirkstoffunverträglichkeiten über getrennte Zugänge erfolgen. Ist die Verwendung eines eigenen Zugangs nicht möglich, muss der Zugang zwischen der Infusion der Chemotherapeutika und der Rasburicase mit Kochsalzlösung gespült werden.
Da Rasburicase auch in vitro Harnsäure abbauen kann, müssen spezielle Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Blutproben beachtet werden, wenn Harnsäure im Plasma unter der Therapie mit Rasburicase bestimmt werden soll.
Hintergrundinformation
Das Tumorlyse-Syndrom
Das Tumorlyse-Syndrom ist eine lebensbedrohende Komplikation, die meist kurz nach dem Beginn der Behandlung einer malignen Erkrankung auftritt. Am häufigsten tritt das Syndrom bei der Behandlung von Tumoren mit hoher Proliferationsrate und ausgeprägter Sensibilität gegenüber Polychemotherapien auf: bei hochmalignen Lymphomen, insbesondere beim Burkitt-Lymphom, und bei akuten Leukämien. Die hohe Teilungsrate der malignen Zellen führt zu oft explosionsartiger Vermehrung und schnellem Wachstum, aber auch zu einem massiven Absterben der Zellen, besonders unter einer Polychemotherapie. Beim Zellzerfall werden Kalium, Phosphat, Eiweiß und Purinkörper im Übermaß freigesetzt.
Besonders bedrohlich ist die Freisetzung von Nukleinsäuren aus Tumorzellen und deren Abbau zu Harnsäure. Harnsäure ist als schwache Säure im leicht alkalischen Blut gut löslich. In den distalen Tubuli der Niere ist die Löslichkeit aufgrund des niedrigeren pH-Wertes deutlich herabgesetzt, sodass sich Harnsäurekristalle bilden und zu akutem Nierenversagen führen können.
Auch mit einer konsequenten Supportivtherapie (Alkalisierung des Urins, Xanthinoxidasehemmer wie Allantoin und Diuretika) lässt sich das TumorlyseSyndrom nicht sicher verhindern. Bei 10 bis 25% der Patienten schlägt die Therapie fehl, sodass eine Dialyse indiziert ist. Rasburicase ergänzt die bisherigen Therapiemöglichkeiten, da sie bereits gebildete Harnsäure in das gut lösliche Allantoin überführt, das über die Nieren ausgeschieden werden kann.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Uricasen oder einen der sonstigen Bestandteile
- G6PD-Mangel und andere metabolische Störungen im Zellstoffwechsel, von denen bekannt ist, dass sie eine hämolytische Anämie auslösen können
- Wasserstoffperoxid ist ein Nebenprodukt bei der Umwandlung von Harnsäure in Allantoin. Um einer möglichen durch Wasserstoffperoxid hervorgerufenen hämolytischen Anämie vorzubeugen, ist Rasburicase bei Patienten mit diesen Störungen kontraindiziert.
Unerwünschte Wirkungen
Da Rasburicase als unterstützende Behandlung gleichzeitig mit zytoreduktiver Chemotherapie bei fortgeschrittenen Malignomen verabreicht wird, ist eine signifikante Anzahl unerwünschter Ereignisse durch die Grunderkrankung und deren Behandlung zu erwarten.
Über nachstehende Nebenwirkungen, die möglicherweise im Zusammenhang mit Rasburicase stehen, wurde in klinischen Studien mit 347 Patienten berichtet.
- Häufig: Fieber (6,8%), Erbrechen (1,4%), Übelkeit (1,7%)
- Gelegentlich: Durchfall (0,9%), Kopfschmerzen (0,9%), allergische Reaktionen (0,6%) Zusätzlich berichteten 1,4% der Patienten über einen Hautausschlag (jeglicher Art) während der Behandlungszeit, bei dem eine Kausalzusammenhang mit Rasburicase als möglich beurteilt wurde. Da beim enzymatischen Abbau von Harnsäure zu Allantoin durch Rasburicase Wasserstoffperoxid entsteht, wurden bei bestimmten Risikogruppen, wie jenen mit einem G6PD-Mangel, hämolytische Anämien beobachtet. In Studien entwickelten 0,9% der Patienten eine hämolytische Anämie, in einem dieser Fälle war ein G6PD-Mangel dokumentiert.
Wechselwirkungen
Studien zum Metabolismus wurden nicht durchgeführt. Arzneimittelwechselwirkungen sind mit Rasburicase, die selbst ein Enzym ist, nicht zu erwarten.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
- Wie andere Proteine kann auch Rasburicase beim Menschen allergische Reaktionen auslösen. Klinische Erfahrungen haben gezeigt, dass Patienten engmaschig auf das Auftreten allergischer Nebenwirkungen - vor allem allergischer Hautreaktionen oder Bronchospasmus - überwacht werden müssen. Wenn eine schwere allergische oder anaphylaktische Reaktion auftritt, ist die Therapie sofort abzusetzen und eine geeignete Behandlung einzuleiten. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit atopischen Allergien in der Anamnese.
- Da die klinischen Erfahrungen mit einer Wiederaufnahme der Behandlung begrenzt sind, werden weitere Behandlungszyklen mit Rasburicase nicht empfohlen.
- Bei bereits behandelten Patienten und bei gesunden Probanden wurden nach Rasburicase-Gabe Anti-Rasburicase-Antikörper nachgewiesen.
- Eine Tumorlyse kann ferner zu Hyperphosphatämie, Hyperkaliämie und Hypokalzämie führen. Rasburicase hat keine direkte Wirkung auf die Behandlung dieser Anomalitäten. Die Patienten müssen daher engmaschig überwacht werden.
- Rasburicase wurde nicht bei Patienten mit Hyperurikämie im Zusammenhang mit myeloproliferativen Erkrankungen untersucht.
- Derzeit gibt es keine Daten, aufgrund derer der sequenzielle Einsatz von Rasburicase und Allopurinol empfohlen werden könnte.
Schwangerschaft und Stillzeit
Es liegen keine klinischen Daten zu einer Exposition mit Rasburicase während der Schwangerschaft vor. Tierstudien zum Einfluss auf die Schwangerschaft, auf die embryonale/fötale Entwicklung, die Geburt und die postnatale Entwicklung wurden nicht durchgeführt. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist unbekannt. Es ist nicht bekannt, ob Rasburicase in die Muttermilch übergeht. Rasburicase darf daher nicht in der Schwangerschaft oder bei stillenden Müttern eingesetzt werden.
Handelspräparat Fasturtec®
Hersteller
Einführungsdatum
Zusammensetzung
1 Durchstechflasche enthält 1,5 mg Rasburicase. 1 ml Konzentrat enthält 1,5 mg Rasburicase. 1 mg entspricht 18,2 EAU (eine Enzymaktivitätseinheit, enzyme activity unit, EAU) entspricht der Enzymaktivität, die pro Minute unter den angegebenen Reaktionsbedingungen (+ 30 °C, TEA-Puffer pH 8,9) 1 µmol Harnsäure in Allantoin umwandelt.
Hilfsstoffe:
Trockensubstanz: Alanin, Mannit, Dinatriumphosphat, Natriumdihydrogenphosphat. Lösungsmittel: Poloxamer 188, Wasser für Injektionszwecke
Packungsgrößen, Preise, PZN
3 Durchstechflaschen + 3 Ampullen (N1), DM 594,60, PZN 1551110
Indikation
Zur Anwendung bei Patienten mit hämatologischen Malignomen und hoher Tumorlast, bei denen ein behandlungsbedürftiger Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut vorliegt.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt 0,20 mg/kg/Tag, einmal täglich als intravenöse Infusion. Die Dauer der Behandlung liegt zwischen 5 und 7 Tagen.
Kontraindikationen
G6PD-Mangel und andere metabolische Störungen im Zellstoffwechsel, von denen bekannt ist, dass sie eine hämolytische Anämie auslösen können. Patienten mit Störungen der Umwandlung von Harnsäure in Allantoin.
Unerwünschte Wirkungen
Fieber, Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen, allergische Reaktionen.
Wechselwirkungen
Arzneimittelwechselwirkungen sind mit Rasburicase nicht zu erwarten.
Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme
Wie andere Proteine kann auch Rasburicase beim Menschen allergische Reaktionen auslösen. Weitere Behandlungszyklen mit Rasburicase werden nicht empfohlen. Rasburicase wurde nicht bei Patienten mit Hyperurikämie im Zusammenhang mit myeloproliferativen Erkrankungen untersucht.
Literatur
Jakob, A., et al.: Metabolische Störungen als Notfall bei onkologischen Patienten. Onkologe 5, 106 - 1074 (1999).
Pui, C.-H., et al.: Recombinant urate oxidase for the prophylaxis or treatment of hyperuricemia in patients with leukemia or lymphoma. J. Clin. Oncol. 19, 697 - 704 (2001).
Goldman, S. C., et al.: A randomized comparison between rasburicase and allopurinol in children with lymphoma or leukemia at high risk for tumor lysis. Blood 97, 2998 - 3003 (2001).
Kurz zusammengefasst
Rasburicase (Fasturtec®) ist ein rekombinantes Uratoxidase-Enzym, das vor akutem Nierenversagen während einer aggressiven Chemotherapie schützt. Es ist indiziert zur Behandlung und zur Prophylaxe einer akuten Hyperurikämie, zur Verhinderung eines akuten Nierenversagens bei Patienten mit hämatologischen Malignomen mit einer hohen Tumorlast und dem Risiko einer raschen Tumorlyse oder -verringerung nach Beginn der Chemotherapie. Bei einer Chemotherapie sollen möglichst viele der malignen Zellen abgetötet werden. Dabei wird der Organismus jedoch mit einer großen Zahl von zellulären Inhaltsstoffen überschwemmt, was seine Ausscheidungskapazität überfordert; als Folge drohen metabolische Störungen wie Hyperurikämie, Hyperphosphatämie und andere Elektrolytverschiebungen, die in kürzester Zeit lebensbedrohlich werden können. Durch den erhöhten Harnsäurespiegel im Blut droht Nierenversagen. Zur Behandlung der Hyperurikämie wurde bisher unter anderem Allopurinol als Hemmstoff der Xanthinoxidase eingesetzt, um die Umwandlung von Xanthin in Harnsäure zu verhindern. Rasburicase beschleunigt dagegen den Abbau der Harnsäure zum gut löslichen Allantoin und beschleunigt damit deren Ausscheidung. Das Enzym wird von einem genetisch modifizierten Saccharomyces-cerevisiaeStamm gebildet. Durch die rekombinante Technologie ist es gut charakterisiert und von hoher Reinheit. Das tetramere Protein hat identische Untereinheiten mit einer Molekülmasse von etwa 34 kDa. Die rekombinante Uratoxidase katalysiert die Oxidation von Harnsäure, die beim Purinabbau entsteht, zum gut wasserlöslichen Allantoin.
Die empfohlene Dosierung beträgt 0,20 mg/kg/Tag, einmal täglich als intravenöse Infusion. Die Dauer der Behandlung liegt zwischen 5 und 7 Tagen. In einer randomisierten vergleichenden Phase-III-Studie wurde bei Anwendung der empfohlenen Dosierung eine signifikant schnellere Wirkung von Rasburicase im Vergleich zu Allopurinol beobachtet: Die Zeit bis zur ersten nachgewiesenen Normalisierung des Harnsäurespiegels bei einer Hyperurikämie beträgt für Rasburicase vier Stunden und für Allopurinol 24 Stunden. Diese rasche normalisierende Wirkung auf die Harnsäure ist mit der Verbesserung der Nierenfunktion verbunden. Dies wiederum führt zu einer effizienten Ausscheidung der überschießenden Serumphosphatmengen, wodurch eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion aufgrund von Calcium-/Phosphatausfällung vermieden wird. Die wichtigsten, meist leichten Nebenwirkungen von Rasburicase sind Fieber, Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen und, wie bei allen Proteinen, allergische Reaktionen.