Racecadotril

Racecadotril 

ATC-Code

A: Alimentäres System und Stoffwechsel

A07: Antidiarrhoika und intestinale Antiphlogistika/Antiinfektiva

A07X: Andere Antidiarrhoika

A07XA: Andere Antidiarrhoika

A07XA04: Racecadotril

Wirkungsmechanismus

Racecadotril ist ein Prodrug, das zu Thiorphan als aktivem Metaboliten hydrolysiert wird. Dieser hemmt die Enkephalinase, eine Zellmembran-Peptidase, die in verschiedenen Geweben, insbesondere im Dünndarmepithel, lokalisiert ist. Dieses Enzym trägt zum Abbau exogener und endogener Peptide wie u.a. den Enkephalinen bei. Daher schützt Racecadotril selektiv endogene Enkephaline, die im Verdauungstrakt physiologisch aktiv sind. Dies führt zu einer Verlängerung des antisekretorischen Effekts.

Racecadotril wirkt ausschließlich im Darm antisekretorisch. Es verringert die durch Choleratoxine oder Entzündungen bedingte intestinale Hypersekretion von Wasser und Elektrolyten und hat keinen Effekt auf die basale Sekretion. Es übt eine schnelle antidiarrhoische Wirkung aus, ohne die Verweildauer im Darm zu beeinflussen.

Racecadotril bewirkt kein geblähtes Abdomen mit erhöhter Bauchdeckenspannung. Im Verlauf der klinischen Untersuchungen war das Auftreten einer sekundären Obstipation unter einer Racecadotril-Therapie vergleichbar mit Plazebo. Bei oraler Anwendung ist die Wirkung ausschließlich peripher, ohne Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.

Pharmakokinetik

  • Resorption: Nach oraler Gabe wird Racecadotril schnell resorbiert. Die Zeit bis zur Hemmung der Plasma-Enkephalinase beträgt 30 Minuten.
  • Verteilung: Nur etwa 1% der verabreichten Dosis wird im Gewebe verteilt. 90% des aktiven Metaboliten von Racecadotril, (RS)-N-{1-oxo-2-(mercaptomethyl)-3phenylpropyl}glycin, liegt an Plasmaproteine (hauptsächlich Albumin) gebunden vor. Wiederholte Einnahme oder die Anwendung bei älteren Patienten bewirkt keine Änderung der pharmakokinetischen Eigenschaften von Racecadotril.
  • Wirkung und Ausmaß der Racecadotril-Wirkung sind dosisabhängig. Die maximale Hemmung der Plasma-Enkephalinase wird ca. 2 Stunden nach Einnahme erreicht und entspricht einer Inhibition von 90% bei einer Dosis von 1,5 mg/kg. Die Dauer der Plasma-Enkephalinase-Hemmung beträgt ca. 8 Stunden.
  • Metabolisierung: Die Halbwertszeit, gemessen als Plasma-Enkephalinase-Inhibition, beträgt ca. 3 Stunden. Racecadotril wird schnell zum aktiven Metaboliten (RS)-N-{1-oxo-2-(mercaptomethyl)-3-phenylpropyl}glycin hydrolysiert, der wiederum zu inaktiven Metaboliten biotransformiert wird.
  • Ausscheidung: Die Ausscheidung von Racecadotril erfolgt in Form inaktiver Metaboliten, hauptsächlich renal, zu einem wesentlich geringeren Ausmaß über den Stuhl. Eine signifikante Exkretion über die Lunge findet nicht statt.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Tiorfan® wird oral angewendet bei gleichzeitiger oraler Rehydratation. Die empfohlene Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht: 1,5 mg/kg pro Einnahme, dreimal täglich. Das Granulat kann der Nahrung, einem Glas Wasser oder der Babyflasche zugegeben werden. Nach gründlicher Mischung soll die Einnahme unverzüglich erfolgen.

In klinischen Studien mit Kindern betrug die Behandlungsdauer 5 Tage. Die Behandlung sollte bis zum Auftreten von zwei normalen Stuhlgängen fortgesetzt werden, die Behandlungsdauer 7 Tage nicht überschreiten.

Zur Anwendung bei Säuglingen unter 3 Monaten liegen keine klinischen Studien vor.

Studien an Säuglingen oder Kindern mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion sind bisher ebenfalls nicht bekannt. Bei Kindern mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, unabhängig vom Schweregrad, darf Tiorfan® deshalb nicht angewendet werden

Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der sonstigen Bestandteile.
  • Tiorfan® darf bei Säuglingen unter 3 Monaten nicht angewendet werden, da keine klinischen Studien in dieser Altersgruppe vorliegen.
  • Bei Kindern mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, unabhängig vom Schweregrad, darf Tiorfan®, wie erwähnt, wegen fehlender Studien ebenfalls nicht angewendet werden.
  • Da Tiorfan® Saccharose enthält, ist das Mittel kontraindiziert bei Patienten mit hereditärer Fructoseintoleranz, Glucose-Galactose-Malabsorption oder Saccharase-Isomaltase-Mangel.

Unerwünschte Wirkungen

In klinischen Studien an 231 Säuglingen und Kindern wurden hauptsächlich Erbrechen (5,2%) und Fieber (2,2%) als Nebenwirkungen beschrieben. Diese treten auch üblicherweise bei akutem Durchfall auf.

Gelegentlich kam es zu Hypokaliämie, Ileus und Bronchospasmus. In klinischen Studien an 2001 Erwachsenen traten hauptsächlich Kopfschmerzen (2,1%), Übelkeit (2%), Obstipation (1,6%), Schwindel/Benommenheit (1,1%), Blähungen (1%), abdominale Schmerzen (0,6%), Anorexie (0,5%), Durst (0,3%) und Fieber (0,2%) als Nebenwirkungen auf.

In vereinzelten Pharmakovigilanz-Berichten wurde Hautausschlag bei Kindern beschrieben.

Wechselwirkungen

Beim Menschen wurden bisher keine Interaktionen mit anderen Wirkstoffen beschrieben. Eine kombinierte Behandlung mit Racecadotril und Loperamid oder Nifuroxazid verändert die Kinetik von Racecadotril beim Menschen nicht.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Die Einnahme von Tiorfan® modifiziert die üblichen Rehydratationsmaßnahmen nicht. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für das Kind essenziell. Bei schweren oder länger anhaltenden Durchfällen mit starkem Erbrechen oder Appetitmangel sollte eine intravenöse Rehydratation in Betracht gezogen werden.
  • Das Auftreten von blutigen oder eitrigen Stühlen und Fieber kann auf das Vorliegen invasiver Bakterien als Auslöser der Diarrhö oder auf andere schwere Erkrankungen hinweisen. Bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö wurde Racecadotril nicht geprüft. Daher soll Racecadotril unter diesen Bedingungen nicht angewendet werden. Bei chronischer Diarrhö wurde das Arzneimittel nicht ausreichend geprüft. Bei Patienten mit Diabetes sollte berücksichtigt werden, dass Tiorfan® Saccharose enthält. Wenn mit einer Tagesdosis von Tiorfan® die Menge von 5 g Saccharose (Glucose- und Fructosequelle) überschritten wird, sollte dies bei der täglichen Zuckerzufuhr berücksichtigt werden.
  • Aufgrund einer möglicherweise reduzierten Bioverfügbarkeit darf Tiorfan® im Falle von länger anhaltendem oder unkontrolliertem Erbrechen nicht angewendet werden.

Schwangerschaft und Stillzeit

Tiorfan® ist nicht zur Anwendung bei Frauen im gebärfähigen Alter oder bei Schwangeren bestimmt. Studien zur Reproduktionstoxikologie haben in den untersuchten Spezies (Ratten und Kaninchen) keine toxischen Effekte gezeigt. Da jedoch keine spezifischen klinischen Studien verfügbar sind, sollte Tiorfan® bei Schwangeren nicht angewendet werden.

Tiorfan® ist nicht zur Anwendung bei stillenden Frauen bestimmt. Aufgrund mangelnder Daten zum Übertritt von Racecadotril in die Muttermilch darf es bei stillenden Frauen nicht angewendet werden.

Handelspräparat Tiorfan® 

Hersteller

Einführungsdatum

Zusammensetzung

Ein Beutel enthält 10 bzw. 30 mg Racecadotril.

Sonstige Bestandteile

Saccharose, hochdisperses Siliciumdioxid, Polyacrylat-Dispersion 30%, Aprikosenaroma, Pulver Nr. 6, IFF

Packungsgrößen, Preise, PZN

Tiorfan 10 mg Granulat:
16 Beutel, Euro 18,36, PZN 3706692;
30 Beutel, Euro 19,17, PZN 3323637.
Tiorfan 30 mg Granulat:
30 Beutel, Euro 20,21, PZN 3323689

Indikation

Ergänzende symptomatische Behandlung der akuten Diarrhö bei Säuglingen (älter als 3 Monate) und Kindern, gemeinsam mit oraler Rehydratation und üblichen unterstützenden Maßnahmen, wenn diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, den klinischen Zustand zu kontrollieren.

Dosierung

1,5 mg/kg pro Einnahme, dreimal täglich. Das Granulat kann der Nahrung, einem Glas Wasser oder der Babyflasche zugegeben werden. In klinischen Studien mit Kindern betrug die Behandlungsdauer 5 Tage. Die Behandlung sollte bis zum Auftreten von zwei normalen Stuhlgängen fortgesetzt werden, die Behandlungsdauer 7 Tage nicht überschreiten.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegenüber dem arzneilich wirksamen Bestandteil oder einem der sonstigen Bestandteile. Nicht bei Säuglingen unter 3 Monaten anwenden, da keine klinischen Studien in dieser Altersgruppe vorliegen. Da Tiorfan® Saccharose enthält, ist das Mittel kontraindiziert bei Patienten mit hereditärer Fructoseintoleranz, Glucose-Galactose-Malabsorption oder SaccharaseIsomaltase-Mangel.

Unerwünschte Wirkungen

Erbrechen, Übelkeit, Fieber, Kopfschmerzen, Obstipation, Schwindel/Benommenheit, Blähungen, abdominale Schmerzen, Anorexie, Durst.

Wechselwirkungen

Beim Menschen wurden bisher keine Interaktionen mit anderen Wirkstoffen beschrieben.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Die Einnahme von Tiorfan® modifiziert die üblichen Rehydratationsmaßnahmen nicht, eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist für das Kind essenziell. Bei Antibiotika-assoziierter und chronischer Diarrhö wurde Racecadotril nicht geprüft. Bei Patienten mit Diabetes sollte berücksichtigt werden, dass Tiorfan® Saccharose enthält. Aufgrund einer möglicherweise reduzierten Bioverfügbarkeit darf Tiorfan im Falle von länger anhaltendem oder unkontrolliertem Erbrechen nicht angewendet werden.

 

Literatur

Prado, D.: A multinational comparison of racecadotril and loperamide in the treatment of acute watery diarrhoea in adults. Scand. J. Gastroenterol. 2002, 37(6):656 - 61.

Salazar-Lindo, E., et al.: Racecadotril in the treatment of acute watery diarrhea in children. N. Engl. J. Med. 2000, 343:463 - 67.

 

Kurz zusammengefasst 

Der Enkephalinase-Hemmstoff Racecadotril (Tiorfan®) wird in Deutschland zur ergänzenden symptomatischen Behandlung der akuten Diarrhö bei Säuglingen und Kindern eingeführt. In Frankreich ist Racecadotril unter dem Handelsnamen Tiorfan® auch zur Bekämpfung akuter Diarrhöen bei Erwachsenen zugelassen. Nach der deutschen Zulassung soll Racecadotril bei Säuglingen ab 3 Monaten und Kindern gemeinsam mit oraler Rehydratation und üblichen unterstützenden Maßnahmen eingesetzt werden. Damit bietet es für Kleinkinder eine wirksame Therapiemöglichkeit der Diarrhö. Bei Kindern unter 2 Jahren ist Loperamid aufgrund ihrer unreifen Leberfunktion kontraindiziert.

Die empfohlene Dosis von Racecadotril richtet sich nach dem Körpergewicht: 1,5 mg/kg pro Einnahme, dreimal täglich. Das Granulat kann der Nahrung, einem Glas Wasser oder der Babyflasche zugegeben werden.

Nach der Einnahme wird das Prodrug Racecadotril rasch aufgenommen und zu Thiorphan als aktivem Metaboliten hydrolysiert. Dieser hemmt die Enkephalinase, eine Zellmembran-Peptidase, die in verschiedenen Geweben, insbesondere im Dünndarmepithel, lokalisiert ist. Dieses Enzym trägt zum Abbau exogener und endogener Peptide wie u. a. den Enkephalinen bei. Indem Racecadotril die Inaktivierung endogener Enkephaline verhindert, verlängert es ihre physiologische Wirkung. Enkephaline wirken als Neurotransmitter im Magen-Darm-Trakt. Sie aktivieren Delta-Opiatrezeptoren mit der Folge, dass der cAMP-Spiegel sinkt. Dadurch wird die Sekretion gehemmt und die Reabsorption von Wasser und Elektrolyten im Darm begünstigt. Das Wirkprinzip hat keinen Einfluss auf die Darmmotilität und verursacht weder eine sekundäre Obstipation noch Blähungen. Bei oraler Anwendung wirkt Racecadotril ausschließlich peripher im Darm. Nach der oralen Einnahme wird die Plasma-Enkephalinase nach 30 Minuten gehemmt. Die maximale Hemmung der Plasma-Enkephalinase wird etwa 2 Stunden nach der Einnahme erreicht, das Enzym etwa 8 Stunden lang gehemmt. Die Halbwertszeit beträgt rund 3 Stunden. Racecadotril und seine Metaboliten werden hauptsächlich renal eliminiert.

Die Behandlung sollte bis zum Auftreten von zwei normalen Stuhlgängen fortgesetzt werden, die Behandlungsdauer 7 Tage nicht überschreiten. In zwei klinischen Studien mit Kindern reduzierte Racecadotril die Stuhlgewichte in den ersten 48 Stunden um 40% bzw. 46%. Die Dauer der Durchfallerkrankung und der Bedarf einer Rehydratation wurden ebenfalls signifikant reduziert. Racecadotril beseitigt die Symptome der wässrigen Durchfälle rasch und führt seltener zur Verstopfung als Loperamid. Das zeigte eine Studie mit 945 erwachsenen Patienten aus Entwicklungsländern, in der Racecadotril mit Loperamid verglichen wurde. Die Patienten litten an einer akuten wässrigen Diarrhö, die weniger als 5 Tage bestand. Sie erhielten im Rahmen einer einfach geblindeten Studie entweder Racecadotril (100 mg) oder Loperamid (2 mg) dreimal täglich. Die Diarrhö verschwand in beiden Behandlungsgruppen rasch (nach 55 Stunden in beiden Gruppen). 92% der Patienten der Racecadotril-Gruppe und 93% der Patienten der Loperamid-Gruppe wurden erfolgreich behandelt. Racecadotril führte zu einer signifikant stärkeren Reduktion von Schmerzen im Bauchraum und Blähungen als Loperamid. Abdominalbeschwerden wurden unter der Therapie mit Racecadotril im Vergleich zu Loperamid signifikant verkürzt (5,4 vs. 24,4 Stunden). Obstipation trat unter Racecadotril-Gabe seltener auf als unter Loperamid-Behandlung (16% vs. 25%). Unerwünschte Ereignisse wurden in der Racecadotril-Gruppe bei 67 Patienten (14,2%), in der Loperamid-Gruppe bei 113 Patienten (23,9%) beobachtet.

In klinischen Studien an 231 Säuglingen und Kindern wurden hauptsächlich Erbrechen (5,2%) und Fieber (2,2%) als Nebenwirkungen beschrieben. Gelegentlich kam es zu Hypokaliämie, Ileus und Bronchospasmus.

In klinischen Studien an 2001 Erwachsenen traten hauptsächlich Kopfschmerzen (2,1%), Übelkeit (2%), Obstipation (1,6%), Schwindel/Benommenheit (1,1%), Blähungen (1%), abdominale Schmerzen (0,6%), Anorexie (0,5%), Durst (0,3%) und Fieber (0,2%) als Nebenwirkungen auf. In vereinzelten Pharmakovigilanz-Berichten wurde Hautausschlag bei Kindern beschrieben.

Interaktionen mit anderen Wirkstoffen sind beim Menschen bisher nicht bekannt.

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