Biktarvy®

Bictegravir

15.07.2018


Integrase-Strangtransfer-Inhibitor gegen das HI-Virus
Der Integrase-Strangtransfer-Inhibitor (INSTI) Bictegravir wird bei Erwachsenen zur Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) eingesetzt. Die Substanz ist im Präparat Biktarvy® in fixer Kombination mit den weiteren antiretroviralen Arzneimitteln Emtricitabin und Tenofoviralafenamid enthalten. Die Zubereitung muss nur einmal täglich appliziert werden, eine zusätzliche Anwendung einer Booster-Substanz ist nicht erforderlich.

Bictegravir 

ATC-Code

J: Antiinfektiva zur systemischen Anwendung


J05: Antivirale Mittel zur systemischen Anwendung


J05A: Direkt wirkende antivirale Mittel


J05AR: Antivirale Mittel zur Behandlung von HIV Infektionen, Kombinationen


J05AR20: Emtricitabin, Tenofoviralafenamid und Bictegravir


Wirkungsmechanismus

Bictegravir bindet an das aktive Zentrum der HIV-1-Integrase und hemmt somit den Strangtransfer und den Einbau des retroviralen Erbguts in die DNA der Wirtszelle. Als Folge wird der Replikationszyklus des HI-Virus unterbunden. Die kombiniert eingesetzten antiviralen Wirkstoffe Emtricitabin und Tenofoviralafenamid wirken synergistisch. Emtricitabin ist ein nukleosidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NRTI) und ein Nukleosid-Analogon von 2‘-Desoxycytidin. Tenofoviralafenamid ist ein nukleotidischer Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NtRTI) und Phosphonamidat-Prodrug von Tenofovir, einem 2‘-Desoxyadenosinmonophosphat-Analogon.

Pharmakokinetik

Resorption: Nach peroraler Applikation von Bictegravir werden innerhalb von zwei bis vier Stunden maximale Plasmaspiegel erreicht. Durch die gleichzeitige Applikation einer fettreichen Mahlzeit kommt es zu einer Erhöhung der Bioverfügbarkeit.


Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung liegt bei mehr als 99%, der Blut-/Plasma-Quotient bei 0,64. Das Verteilungsvolumen wurde noch nicht bestimmt. Bictegravir ist ein Substrat der Effluxtransporter P-gp und BCRP.


Metabolismus: Die Biotransformation erfolgt in erster Linie durch CYP3A und UGT1A1. Es entstehen oxidierte Derivate und Glucuronsäure-Konjugate.


Exkretion: Etwa 60% einer Dosis erscheinen in unveränderter Form in den Fäzes. 35% werden im Urin wiedergefunden, praktisch ausschließlich in Form von Metaboliten, insbesondere Konjugaten. Die Eliminationshalbwertszeit wird mit 17,3 Stunden angegeben.

Dosierung, Art und Dauer der Anwendung

Bictegravir wird einmal täglich in einer Dosis von 50 mg in fixer Kombination mit 200 mg Emtricitabin und 25 mg Tenofoviralafenamid eingenommen. Die Applikation der unzerkauten Tablette kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Falls der Patient innerhalb von einer Stunde danach erbricht, sollte eine weitere Tablette eingenommen werden. Versäumte Applikationen können innerhalb von bis zu 18 Stunden nachgeholt werden, danach ist das gewohnte Schema fortzusetzen. Falls die Anwendung um mehr als 18 Stunden verspätet ist, sollte die entsprechende Dosis ausgelassen werden. Für ältere Patienten und bei bestehender Leber- oder Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung erforderlich. Allerdings liegen zur Anwendung bei Patienten mit schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung nur begrenzte Daten vor, sodass der Einsatz des Kombinationspräparats derzeit bei diesen Patienten nicht empfohlen wird. Auch sind Sicherheit und Wirksamkeit von Bictegravir, Emtricitabin und Tenofoviralafenamid für die Behandlung von Kindern unter 18 Jahren noch nicht erwiesen.

Kontraindikationen

Bei Überempfindlichkeit gegen Bictegravir und seine fixen Kombinationspartner Emtricitabin und Tenofoviralafenamid besteht eine Kontraindikation. Ebenso für die gleichzeitige Anwendung mit den Enzyminduktoren Rifampicin und Johanniskraut-Extrakten.

Unerwünschte Wirkungen

Nach Anwendung von Bictegravir in Kombination mit Emtricitabin und Tenofoviralafenamid kommt es häufig zu Depressionen, anormalen Träumen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühlen, Diarrhö, Übelkeit und Müdigkeit. Gelegentlich treten Anämie, suizidales Verhalten, Angst, Schlafstörungen, Erbrechen, Bauchschmerzen, Dyspepsie, Flatulenz, Hyperbilirubinämie, Angioödeme, Hautausschläge, Pruritus und Arthralgien auf.

Wechselwirkungen

Durch CYP3A- und UGT1A1-Induktoren wie Carbamazepin, Phenytoin, Rifampicin und Johanniskraut-Präparate wird die Biotransformation von Bictegravir beschleunigt, und es besteht die Gefahr eines Wirkungsverlusts. Daher sollten entsprechende Kombinationen vermieden werden. Für die gleichzeitige Anwendung von Rifampicin und Johanniskraut-Extrakten besteht eine eindeutige Kontraindikation. Auch der kombinierte Einsatz mit starken CYP3A- und UGT1A1-Inhibitoren wie Atazanavir, Ketoconazol oder Clarithromycin wird nicht empfohlen, da erhöhte Bictegravir-Plasmakonzentrationen und somit verstärkte Nebenwirkungen und Toxizität auftreten können. Beim Einsatz von Bictegravir zusammen mit P-gp- und/oder BCRP-Inhibitoren wie Makrolid-Antibiotika, Ciclosporin, Verapamil, Dronedaron, Glecaprevir und Pibrentasvir ist ebenfalls Vorsicht geboten. Möglicherweise muss auch hier mit einer erhöhten Bioverfügbarkeit von Bictegravir gerechnet werden. Obwohl In-vitro-Untersuchungen eine hemmende Wirkung von Bictegravir auf den organischen Kationentransporter 2 (OCT2) sowie den Multi-drug and Toxin Extrusion Transporter 1 (MATE1) zeigten, sind hier offenbar keine relevant erhöhten Plasmakonzentrationen entsprechender Substrate wie z. B. Metformin zu erwarten. Bei Nüchterneinnahme des Bictegravir-Emtricitabin-Tenofoviralafenamid-Kombinationspräparates ist die zusätzliche Zufuhr von Aluminium-, Eisen- oder Magnesium-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln zu vermeiden. Bei gleichzeitiger Nahrungseinnahme tritt allerdings keine Beeinträchtigung der gastrointestinalen Resorption von Bictegravir durch diese mehrwertigen Kationen auf. Zum Interaktionspotenzial der fixen Kombinationspartner Emtricitabin und Tenofoviralafenamid siehe die entsprechenden Fachinformationen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Obwohl es durch Bictegravir und seine Kombinationspartner zu einer Reduktion der Viruslast kommt, ist dennoch ein Restrisiko einer sexuellen Virusübertragung vorhanden. Bei HIV-Patienten mit zusätzlicher chronischer Hepatitis B oder Hepatitis C besteht unter einer antiretroviralen Therapie wie Bictegravir ein erhöhtes Risiko für schwere, möglicherweise tödlich verlaufende Hepatotoxizität. Ohnehin sind Sicherheit und Wirksamkeit von Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid bei Patienten mit relevanten Leberfunktionsstörungen nicht erwiesen. Die Betroffenen müssen daher regelmäßig überwacht werden. Bei Anzeichen einer verschlechterten Leberfunktion sind eine Therapieunterbrechung oder ein -abbruch zu erwägen. Während der Einnahme von Bictegravir und seinen Kombinationspartnern muss mit Gewichtszunahmen und dem Auftreten oder einer Exazerbation eines bereits bestehenden Diabetes mellitus sowie mit Hyperglykämien bis hin zu Ketoazidosen gerechnet werden. Auch ein Anstieg der Blutlipidwerte (Gesamttriglyceride und Cholesterol) ist möglich. Ebenso kann es unter einer Bictegravir-Therapie zu opportunistischen Infektionen und sonstigen Komplikationen einer HIV-Infektion kommen. Vor allem zu Therapiebeginn treten mitunter schwere Entzündungen, mykobakterielle Infektionen, Cytomegalievirus-Retinitis und Pneumocystis-jirovecii-Pneumonien auf. Eine engmaschige Überwachung ist daher angeraten. Zudem kann es zu Reaktivierungen von Autoimmunerkrankungen wie z. B. Morbus Bechterew oder Morbus Basedow kommen. Insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener HIV-Erkrankung, die weitere Risikofaktoren wie die Anwendung von Corticosteroiden, Alkoholkonsum, schwere Immunsuppression oder einen höheren Body-Mass-Index aufweisen, wurde unter der Langzeitanwendung von antiretroviralen Substanzen wie Bictegravir über Fälle von Osteonekrosen berichtet. Bei Symptomen wie Gelenkbeschwerden und -schmerzen, Gelenksteife oder Schwierigkeiten bei Bewegungen sollte daher ein Arzt konsultiert werden. Warnhinweise bezüglich der fixen Kombinationspartner Emtricitabin und Tenofoviralafenamid sind den entsprechenden Fachinformationen zu entnehmen.

Schwangerschaft und Stillzeit

Die Anwendung von Bictegravir und seinen Kombinationspartnern ist während der Schwangerschaft nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung vertretbar. Tierexperimentelle Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf Fertilität, Schwangerschaft oder fetale Entwicklung. Es ist nicht bekannt, ob Bictegravir in die Muttermilch übergeht. Im Tierexperiment war dies der Fall. Mit dem HI-Virus infizierte Frauen sollten allerdings ohnehin nicht stillen, um eine Virusübertragung auf den Säugling zu vermeiden.

Handelspräparat Biktarvy® 

Hersteller

Gilead Sciences GmbH, München

Einführungsdatum

15. Juli 2018

Zusammensetzung

50 mg Bictegravir als Bictegravir-Natrium in fixer Kombination mit 200 mg Emtricitabin und 25 mg Tenofoviralafenamid, als Tenofoviralafenamidfumarat

Sonstige Bestandteile

mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat, Poly(vinylalkohol), Titandioxid (E171), Macrogol, Talkum, Eisen(III)-oxid (E172), Eisen(II,III)-oxid (E172)

Packungsgrößen, Preise, PZN

30 Filmtabletten, 997,15 Euro, PZN 14050272; 3 × 30 Filmtabletten, 2925,46 Euro, PZN 14050289

Indikation

Behandlung von Erwachsenen, die mit dem humanen Immundefizienzvirus 1 (HIV-1) infiziert sind. Bei dem HI-Virus dürfen weder aktuell noch in der Vergangenheit Resistenzen gegen die Klasse der Integrase-Inhibitoren sowie gegen Emtricitabin oder Tenofovir, den fixen Kombinationspartnern von Bictegravir, nachgewiesen worden sein.

Dosierung

Einmal täglich eine Tablette des Kombinationspräparats, unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen.

Kontraindikationen

Überempfindlichkeit gegen Bictegravir-Natrium und die Kombinationspartner Emtricitabin und Tenofoviralafenamidfumarat; gleichzeitige Anwendung mit Rifampicin und Extrakten aus Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Unerwünschte Wirkungen

In klinischen Studien, in denen nicht vorbehandelte Patienten das Kombinationspräparat über einen Zeitraum von 48 Wochen erhielten, waren die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen Kopfschmerzen (5%), Diarrhö (5%) und Übelkeit (4%).

Wechselwirkungen

Die gleichzeitige Anwendung von Bictegravir und Arzneimitteln, die wie Rifampicin oder Johanniskraut-Extrakte eine starke CYP3A- und UGT1A1-Induktion bewirken, kann zu signifikant herabgesetzten Plasmakonzentrationen von Bictegravir und damit zu einem Verlust der therapeutischen Wirkung und zu Resistenzentwicklungen führen.

Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme

Obwohl es sich gezeigt hat, dass die erfolgreiche Virussuppression durch eine antiretrovirale Therapie das Risiko einer sexuellen Übertragung erheblich reduziert, kann ein Restrisiko bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr nicht ausgeschlossen werden. Für Patienten mit HIV-Infektion und einer Koinfektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) liegen nur begrenzte Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Bictegravir in Kombination mit Emtricitabin und Tenofovir vor.

Literatur

[1] Fachinformation zu Biktarvy®, Stand Juni 2018


[2] Gallant J, Lazzarin A, Mills A, Orkin C et al. Bictegravir, emtricitabine, and tenofovir alafenamide versus dolutegravir, abacavir, and lamivudine for initial treatment of HIV-1 infection (GS-US-380-1489): a double-blind, multicentre, phase 3, randomised controlled non-inferiority trial. Lancet 2017;390(10107):2063-2072


[3] Sax PE, Pozniak A, Montes ML, Koenig E et al. Coformulated bictegravir, emtricitabine, and tenofovir alafenamide versus dolutegravir with emtricitabine and tenofovir alafenamide, for initial treatment of HIV-1 infection (GS-US-380-1490): a randomised, double-blind, multicentre, phase 3, non-inferiority trial. Lancet 2017;390(10107):2073-2082


[4] Molina JM, Ward D, Brar I, Mills A et al. Switching to fixed-dose bictegravir, emtricitabine, and tenofovir alafenamide from dolutegravir plus abacavir and lamivudine in virologically suppressed adults with HIV-1: 48 week results of a randomised, double-blind, multicentre, active-controlled, phase 3, non-inferiority trial. Lancet HIV 2018;5(7):e357-e365


[5] Daar ES, DeJesus E, Ruane P, Crofoot G et al. Efficacy and safety of switching to fixed-dose bictegravir, emtricitabine, and tenofovir alafenamide from boosted protease inhibitor-based regimens in virologically suppressed adults with HIV-1: 48 week results of a randomised, open-label, multicentre, phase 3, non-inferiority trial. Lancet HIV 2018;5(7):e347-e356


[6] EPAR summary for the public. Biktarvy® Bictegravir/Emtricitabine/Tenofoviralafenamide. EMA/ /277223/2018; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

Copyright

©2018-2022 Deutscher Apotheker Verlag, Neue Arzneimittel, Beilage der Deutschen Apotheker Zeitung

Datenstand

10/2018

Apothekerin Dr. Monika Neubeck