Biologie

Eisenkraut - Verbena officinalis L.

Für die Qualitätskontrolle von Verbenae herba bzw. daraus hergestellten Extrakten oder Arzneimitteln fehlen bisher verbindliche Kriterien, weil noch kaum quantitative Angaben zu Inhaltsstoffen vorliegen, obwohl die Droge seit langem Bestandteil eines sehr häufig verwendeten Phytopharmakons ist. Im Rahmen einer neuerlichen phytochemischen Untersuchung konnten neben den bereits bekannten Iridoiden, Flavonoiden und Kaffeesäurederivaten sechs weitere, bisher in Verbena officinalis nicht bekannte Inhaltsstoffe nachgewiesen werden, nämlich das zu den Iridoiden gehörende Dihydrocornin, die Kaffeesäurederivate Isoverbascosid und Martynosid sowie die Flavonoide Luteolin-, Apigenin- und Acacetindiglucuronid. Des weiteren wurden qualitative und quantitative Analysenverfahren entwickelt, von denen sich die HPLC als besonders geeignet erwies. Damit lassen sich alle isolierten Inhaltsstoffe in einem einzigen Trennungsgang auch quantitativ bestimmen und erstmals Gehaltsangaben über einzelne Substanzen machen. Die Untersuchung verschiedener Drogenchargen von Verbenae herba zeigt eine gewisse Schwankungsbreite auf und erlaubt es, einen mittleren Gehalt anzugeben und Richtwerte für eine Qualitätsanforderung vorzuschlagen. Lippia citriodora, bei uns Verbenenkraut oder echte Verbene genannt, enthält nur Spuren an Iridoiden, aber relativ viel Verbascosid sowie ätherisches Öl. Ob sie als Ersatz für Verbena officinalis dienen kann, läßt sich derzeit wegen noch zu geringer Kenntnisse der biologischen Effekte einzelner Inhaltsstoffe nicht feststellen.

Beiträge zur Analytik, zu Inhaltsstoffen und zu biologischen Wirkungen

Von Rita Mende und Max Wichtl, Marburg


zur Wirksamkeit für denkbar erachtet. Immerhin spielt Verbenae herba heute als Komponente eines Kombinationsarzneimittels (Sinupret®), das zugleich eines der meistgebrauchten Phytopharmaka ist, eine Rolle.
Für die Qualitätskontrolle von Verbenae herba gibt es bisher noch keine verbindlichen Kriterien. Dies erklärt sich vor allem aus der Tatsache, daß bis vor wenigen Jahren kaum etwas über die Inhaltsstoffe bekannt war.

Bisher bekannte Inhaltsstoffe


Das neuerliche Interesse an den Inhaltsstoffen von Verbena officinalis erklärt sich aus den in jüngster Zeit gefundenen biologischen Effekten von Extrakten und einzelnen Substanzen wie z.B. Verbascosid (s.u.). Wir haben deshalb eine neue phytochemische Untersuchung der oberirdischen Organe (Verbenae herba) vorgenommen und dabei der Möglichkeit einer analytischen Kontrolle besondere Aufmerksamkeit geschenkt. In diese Untersuchungen wurde auch Lippia citriodora H.B.K. einbezogen. Diese Pflanze bzw. ihre Blätter werden besonders in Frankreich, aber auch in Deutschland unter der Bezeichnung Verbenenkraut (oder auch Eisenkraut) als Digestivum eingesetzt; das in Mengen bis 1% vorkommende ätherische Öl wird als -echtes Verbenenöl in der sog. Aromatherapie zur Behandlung von Durchblutungs- und Laktationsstörungen angewendet [14].

Eigene Untersuchungen


Unter den Iridoiden wurde neben Verbenalin und Hastatosid durch präparative HPLC in Kombination
mit präparativer DC auch ein drittes Iridoid isoliert, nämlich Dihydrocornin (Abb.2); alle drei Verbindungen wurden durch ihre UV-, 1H-NMR- und 13C-NMR-Spektren eindeutig identifiziert. Dihydrocornin war im Zuge von Biosynthesestudien an Verbena officinalis, nach -Verfüttern von Desoxyloganin, gefunden worden [15]. Unsere Analysen an unbehandeltem Pflanzenmaterial zeigen nun, daß Dihydrocornin als genuiner Inhaltsstoff, auch ohne Verfüttern von Vorstufen, vorkommt.
Die Kaffeesäurederivate ließen sich durch einfache präparative HPLC gewinnen. Neben der bereits bekannten Verbindung Verbascosid konnten als bisher in Verbena officinalis nicht nachgewiesene Substanzen Isoverbascosid und Martynosid (Abb.3) isoliert werden. Alle drei Inhaltsstoffe wurden mittels spektroskopischer Methoden identifiziert (UV, 1H-NMR, 13C-NMR). Isoverbascosid war bisher nur als Reaktionsprodukt von Verbascosid nach Behandeln mit Alkalien bekannt [16]. Martynosid ist erstmals aus Rehmannia glutinosa Libosek var. purpurea (Fam. Scrophulariaceae) isoliert worden [17] und konnte später auch in Premna corymbosa. Rottl. et Willd. (Fam. Verbenaceae) nachgewiesen werden [18].
Bis zum Beginn unserer Untersuchungen waren aus Verbena officinalis acht Flavonoide bekannt, neben den zuckerfreien methoxylierten Flavonen Artemetin [11], Sorbifolin, Pedalitin und Nepetin [12] waren auch die 7-O-Glucoside des Luteolins und Pedalitins sowie Apigenin-7-O-glucuronid und Apigenin-7-O-galaktosid bekannt [13]. Aus dem Heißwasserextrakt konnten wir nun weitere Flavonglykoside isolieren, die offenbar für Verbena officinalis als charakteristisch gelten können, nämlich Luteolin-7-O-diglucuronid (zeitgleich von Carnat und Mitarb. nachgewiesen [19]), Apigenin-7-O-diglucuronid und Acacetin-7-O- diglucuronid. Auch die letztgenannten drei Flavondiglucuronide wurden mittels spektroskopischer Methoden (UV, 1H-NMR und 13C-NMR) in ihrer Struktur bestimmt und identifiziert (Abb.4).

Analytik


Die HPLC eignet sich darüber hinaus auch zur quantitativen Bestimmung einzelner Inhaltsstoffe. Hierzu gibt es bisher nur eine Untersuchung zum Verbascosidgehalt, wobei ebenfalls mittels HPLC (Rosmarinsäure als Interner Standard) gearbeitet wurde [10]. Wir haben mit den im Experimentellen Teil genannten Bedingungen neun typische Inhaltsstoffe quantitativ bestimmt (Einzelheiten zur Optimierung der Methode und zur Validierung siehe [20]). Tabelle1 gibt die erhaltenen Werte für eine aus eigenem Anbau gewonnene Droge an. Untersuchungen des Gehaltes an verschiedenen Inhaltsstoffen zu verschiedenen Zeitpunkten einer Vegetationsperiode zeigen, daß der höchste Gehalt im ersten Drittel derselben erreicht wird; dabei steigt der Gehalt an Kaffeesäurederivaten rascher als jener der Iridoide, die erst zu Blühbeginn ihren Höchstwert zeigen.
Die Wurzeln von Verbena officinalis enthalten die gleichen Iridoide und Kaffeesäurederivate wie die oberirdischen Teile der Pflanze, der Gehalt beträgt allerdings nur etwa die Hälfte des im Kraut gefundenen Wertes (bezogen auf die getrockneten Pflanzenteile). Verbenalin ist auch in der Wurzel der Hauptinhaltsstoff; Flavonoide fehlen, dafür sind Spuren an Cumarinen enthalten.

Untersuchungen an Lippia citriodora


Auffälligster Unterschied zwischen beiden Arten ist der äußerst geringe Gehalt an Iridoiden in Lippia citriodora (Hastatosid und Dihydrocornin sind gar nicht nachweisbar, der Gehalt an Verbenalin ist sehr niedrig) und der überraschend hohe Gehalt an Verbascosid und Luteolin-7-O-diglucuronid in der gleichen Spezies. Tabelle2 zeigt eine Gegenüberstellung der mit den verschiedenen Proben erhaltenen Werte. Der niedrige Gehalt der aus dem Anbau in Marburg stammenden Droge von Lippia citriodora erklärt sich dabei möglicherweise aus den ungünstigen klimatischen Bedingungen.
Die HPLC ermöglicht es, Extrakte aus -Verbenentee darauf hin zu prüfen, ob sie aus Verbena officinalis oder Lippia citriodora gewonnen wurden; in erstem Falle sind die Iridoide im RT-Bereich 2 bis 10 min deutlich zu erkennen, in letztem Falle fehlen sie. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, daß Lippia citriodora bedingt durch den hohen Gehalt an Verbascosid ebenfalls eine interessante Arzneipflanze darstellen dürfte (s.u.).

Biologische Wirkungen von Extrakten und einzelnen Inhaltsstoffen


Eigene Untersuchungen (über die gesondert berichtet wurde) lassen biologische Aktivitäten von Extrakten aus Verbena officinalis auf die Phagozytoseaktivität humaner Granulozyten erkennen [26]. Die gleichen Extrakte hemmen die Vermehrung von Influenza-, Parainfluenza- und Rhino-Syncytialviren, die für das Entstehen von Infekten der Atemwege von Bedeutung sind. Die Ergebnisse der Versuche zur antiviralen Wirkung von Extrakten aus Verbena und anderen Drogen werden separat publiziert [27].

Zusammenfassung


Lippia citriodora (-Verbenenkraut) weicht im Inhaltsstoffspektrum deutlich von Verbena officinalis ab.

Experimenteller Teil


Verbenae herba wurde im Sommer 1991, Lippiae citriodorae folium im Sommer 1994 aus Pflanzenmaterial gewonnen, welches im alten Botanischen Garten der Philipps-Universität Marburg kultiviert wurde.
Extraktherstellung zur Isolierung
einzelner Inhaltsstoffe
500g Verbenae herba werden mit 6000 ml kochendem Wasser übergossen und 4h unter Rückfluß extrahiert, nach dem Abkühlen filtriert und auf 1000 ml Wasser eingeengt. Dieser konzentrierte Extrakt wird sukzessive mit Petroläther, Ethylacetat und n-Butanol ausgeschüttelt.
Aus der Ethylacetatphase werden mittels präp. HPLC an LiChrosorb-RP 18 (7mm) die Kaffeesäurederivate Verbascosid, Isoverbascosid und Martynosid isoliert, dabei wird zuerst ein Stufengradient mit 30%, 40%, 50% und 100% Methanol und jeweils einem Anteil von 1,5% Ameisensäure verwendet, bevor die Fraktionen über semipräparative RP-8-Säulen (7mm) gereinigt werden.
Die wäßrige Phase wird zur Anreicherung der Flavonoide über eine Polyamidsäule gegeben und nacheinander mit Wasser, Methanol und 1% Trifluoressigsäure in Methanol eluiert. Anschließend erfolgt die Isolierung der Methanol-Trifluoressigsäurephase durch präparative HPLC (LiChrosorb-RP 18, 7mm), mit Hilfe eines Stufengradienten (35%, 50% und 70% Methanol mit jeweils einem Anteil von 1,5% Ameisensäure). Zur Entfernung von Salzen werden die erhaltenen Fraktionen über eine Mitteldrucksäule geschickt (Einzelheiten siehe [20]).
Die Identifizierung erfolgt über DC, UV und NMR [20]).
Qualitative und quantitative HPLC
Extraktherstellung:
2,0g pulverisierte Droge (Siebgröße 710, genau gewogen) werden mit 50,00 ml 60%igem Ethanol versetzt und 4h unter Rühren extrahiert; anschließend wird zentrifugiert. Ein 5-ml-Meßkolben, in den zuvor 2,00 mg Ferulasäure eingewogen wurden, wird bis zur Marke mit der klaren Extraktlösung aufgefüllt und zur vollständigen Lösung des internen Standards 5min ins Ultraschallbad gestellt. Von der so erhaltenen Untersuchungslösung werden 20ml ins HPLC-System injiziert.
Chromatographische Bedingungen:
Vorsäule: LiChroChart 4x4, Säule: Lichrochart 250x4, beide mit LiChrospher RP 18,5mm (Fa. Merck)
Eluent: A = Acetonitril, B = Wasser mit 0,5% Phosphorsäure
Gradient: 9min mit 15% A, anschließend in 7min auf 17% A, in 17min auf 23% A, in 3min auf 25% A, in 2min auf 30% A, in 2min auf 40% A, 4min mit 40% A, in 6min auf 15% A, die Säule ist nach 15min wieder equilibriert
Fluß: 1 ml/min
Temperatur: 20,0 °C
Detektion: 250 nm (200 nm - 500 nm)
Geräte: Millipore Waters 600E Hochdrucksystem und 990 Photodiodenarray-Detektor
Validierung: [20]
Interner Standard: Ferulasäure (Fa. Roth, Karlsruhe) Literatur [1]C. Plinius Secundus, Naturalis historia; Ed.: L.Ian und G.Mayhoff, Verlag B.G. Teubner, Stuttgart 1967. [2]G.Marzell, Der Naturforscher 3, 419 (1926/27). [3]L.Bourdier, Compt. Rend. Soc. Biol. 63, 63 (1908); J. Pharm. Chim. 6, 27 (1908). [4]G.Büchi und R.E. Manning, Tetrahedron Lett. 26, 5 (1960). [5]S.Damtoft und Mitarb., Taxon 28, 525 (1979). [6]S.Milz und H.Rimpler, Z. Naturforsch. 34c, 319 (1979). [7]H.Rimpler und B.Schäfer, Tetrahedron Lett. 17, 1463 (1973). [8]A.Bianco und Mitarb., J. Nat. Prod. 47, 900 (1984). [9]G.A. Gross und Mitarb., Phytochemistry 27, 1459 (1988). [10]R.Hänsel und S.Kallmann, Arch. Pharm. (Weinheim) 319, 227 (1986). [11]A.M. Makboul, Fitoterapia 57, 50 (1986). [12]J.Reynaud, A.Couble und J.Raynaud, J. Plant Physiol. 135, 380 (1989). [13]J.Reynaud, A.Couble und J.Raynaud, Pharm. Acta Helv. 67, 216 (1992). [14]S.Pignol, ThŹse de Pharmacie, Université Louis Pasteur, Strasbourg 1990. [15]S.Damtoft und Mitarb., Phytochemistry 22, 695 (1983). [16]L.Birkhofer, C.M. Kaiser und U.Thomas, Z. Naturforsch. 23b, 1051 (1968). [17]H.Sasaki und Mitarb., Phytochemistry 28, 875 (1989). [18]K.Yuasa, T.Ide und H.Tsuka, J. Nat. Prod. 56, 1695 (1993). [19]A.Carnat und Mitarb., Planta Med. 61, 490 (1995). [20]R.Weber (jetzt Mende), Dissertationes Botanicae, Band 252, Verlag Gebr. Borntraeger, Berlin/Stuttgart 1995. [21]A.Holste, Z. Exp. Pathol. Ther. 19, 482 (1918). [22]G.Chibanguza, R.März und W.Sterner, Arzneim.-Forsch. 34, 32 (1984). [23]L.Debrauwer und Mitarb., Pharm. Acta Helv. 64, 183 (1989). [24]C.Andary, Caffeic acid glycoside esters und pharmacology, in: A.Scalbert (Ed.), Polyphenolic phenomena, INRA Editions, Paris 1993. [25]J.M. Herbert und J.P. Maffrand, J. Nat. Prod. 54, 1595 (1991). [26]R.Mende-Weber, M.Schmolz, V.Christoffel und M.Wichtl, Phytomedicine 3, Suppl. 1, 147 (1996). [27]B.Glatthaar und V.Christoffel, Publikation in Vorbereitung (1998).


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