Feuilleton

Zum 200. Todestag von Friedrich Albrecht Carl Gren


Am 27. Dezember 1775 wurde Gren von dem Besitzer der Grünen Apotheke in Bernburg, Ludwig Bernhard Schulze, als Lehrling angenommen. Aus der reichhaltigen Bibliothek seines Lehrherrn entlieh er sich Linnés Werke, die "Flora Halensis" (1761) von F. W. von Leysser (1731-1815) und die "Anfangsgründe der Chemie" (1775) von J. Chr. P. Erxleben (1744-1777). Nebenbei erteilte er auch noch einigen seiner Kollegen Unterricht in der lateinischen Sprache. Bereits nach 31/2 Jahren beendete er die Lehre.
Mit guten Zeugnissen versehen ging Gren im Oktober 1779 nach Offenbach in die Schwanen-Apotheke des Heinrich Karl Wunderlich. Ein Jahr später wurde er an der Schwanen-Ring-Apotheke des Arzt-Apothekers und Professors an der Universität Erfurt, Wilhelm Bernhard Trommsdorff (1738-1782), angestellt. Trommsdorff erkannte die Begabung seines neuen Mitarbeiters, ließ ihn seine Vorlesungen über Medizin besuchen und überließ ihm sein Laboratorium zu eigenen Forschungen. Nebenbei unterrichtete Gren den jungen Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770-1837) in der Botanik und schrieb für die von Lorenz von Crell (1744-1816) herausgegebene Zeitschrift "Neueste Entdeckungen in der Chemie" einige Beiträge (Mineralsystem, Indigo, Verwandtschaftslehre, Sedlitzer Salz u. a.).
Ostern 1782 machte Gren einen kurzen Abstecher in seine Vaterstadt, wo er eine chemische Fabrik einrichten wollte, siedelte aber im September desselben Jahres nach Helmstedt über. Dort fand er im Haus des Lorenz von Crell freie Unterkunft und erhielt durch dessen Vermittlung das "Convictorium" (ein Stipendium der Familie von Veltheim) sowie freien Zutritt zu den Vorlesungen des damals berühmten Physik-, Chemie- und Medizinprofessors G. C. Beireis (1730-1809).
Im Oktober 1783 erhielt Gren auf Vermittlung von Crells eine Anstellung in Halle bei dem Professor der Mathematik und Physik, W. J. G. Karsten (1732 bis 1787), seinem späteren Schwiegervater. Nebenbei setzte er sein Medizinstudium fort. 1785 gestattete die Universität Halle ihm die Tätigkeit als Privatdozent, 1786 legte er sein Medizinexamen ab und wurde mit der Dissertation "Observationes et experimenta circa genesin aĎris fixi et phlogisticati" zum Dr. med. promoviert. Am 29. Januar 1788 ernannte man Gren zum ordentlichen Professor der Naturgeschichte an der Philosophischen Fakultät; am 30. Oktober wechselte er als Ordinarius an die Medizinische Fakultät. Zunächst las er über Medizin und Naturgeschichte, später nur noch über Chemie, Physik und Pharmakologie (der Begriff Pharmakologie soll von Gren geprägt worden sein). Seine fließende Darstellung, verbunden mit Unbefangenheit und Gründlichkeit im Vortrag, sowie seine große experimentelle Geschicklichkeit wurden allgemein gelobt.
Bereits in Helmstedt hatte Gren, der von Jugend an ein schwächliche Konstitution besaß, an Schwindsucht (Lungentuberkulose) gelitten. Auch eine Verletzung, die er sich 1780 bei einem Duell zugezogen hatte, die allgemeine Überarbeitung und möglicherweise eine Opiumsucht schwächten seine Gesundheit. So starb Gren, der seit 1788 mit Johanna Sophie Karsten (1762-1800) verheiratet war, im Alter von nur 38 Jahren am 26. November 1798 in Halle.
In seinem kurzen Leben hat Gren als Hochschullehrer, als Chemiker und als wissenschaftlicher Publizist Großes geleistet. Er gab die Zeitschriften "Journal der Physik" (8 Bände, Leipzig 1790-1794), "Neues Journal der Physik" (4 Bände, Leipzig 1795-1798) und "Annalen der Physik" heraus. Von letzteren stammt nur das erste Heft von Gren; L. W. Gilbert (1769-1824) setzte sie ab 1799 unter seinem Namen fort. In seinen Fachperiodika machte Gren u. a. die grundlegenden ausländischen Arbeiten über den Galvanismus und die Verbrennungslehre Lavoisiers der deutschen Leserschaft zugänglich. Ab 1793 wurde er selbst ein bedingter Anhänger der Lehre von Lavoisier, ohne jedoch die Vorstellung vom "Brennstoff" Phlogiston aufzugeben. Er meinte, daß das Phlogiston mit dem "Lichtstoff" identisch sei und zusammen mit dem "Wärmestoff" sowohl das Licht als auch das Feuer verursache.
Den Schlußfolgerungen Luigi Galvanis (1737 - 1798), der die "tierische Elektrizität" (die Bezeichnung "Galvanismus" hatte erstmals Volta 1796 in einem Brief an Gren benutzt) entdeckt zu haben meinte, konnten sich Gren und der Hallenser Medizinprofessor Joh. Chr. Reil (1758-1813) nicht anschließen. Sie waren der richtigen Meinung, daß die bereits bekannte Elektrizität die Ursache für das Zucken der Muskel bei Galvanis Versuchen am Froschschenkel sei.
Erstaunlich groß ist die Anzahl der von Gren publizierten Arbeiten: etwa 80 Aufsätze und vier Lehrbücher, die mehrere Auflagen erlebten: "Grundriß der Naturlehre" (1788), "Systematisches Handbuch der gesammten Chemie" (1787-1790), "Handbuch der Pharmacologie oder der Lehre von
den Arzneimitteln" (1790-1792) und "Grundriß der Chemie" (1796-1797). Gren unterschied zwischen "unorganischen" und tierischen- bzw. pflanzlichen Stoffen und meinte, daß letztere nur mit Hilfe einer "Lebenskraft" (vis vitalis) entstehen, so daß sie im Laboratorium aus anorganischem Material niemals synthetisch dargestellt werden können.
1794/95 beteiligte sich Gren an einem kaiserlichen Preisausschreiben über die Verbesserung der Arzneiversorgung der österreichischen Armee und erhielt den 2. Preis. 1795 schuf er eine neue chemische Nomenklatur, die im wesentlichen auf der neuen französischen Nomenklatur beruhte, aber sowohl auf Lavoisiers Verbrennungstheorie als auch auf andere chemische Theorien anwendbar war ("Entwurf einer chemischen Nomenclatur, die auf keine Hypothesen gegründet ist"). Sie wurde 1799 von der Pharmacopoea Borussica übernommen und fand später in ganz Deutschland Eingang.
Gren wird manchmal als Entdecker des Cholesterols genannt, doch haben vor ihm schon andere Chemiker diesen Stoff aus Gallensteinen isoliert und untersucht.
Grens Aufnahme in mehrere wissenschaftliche Akademien und Gesellschaften (z. B. 1784 Naturforschende Gesellschaft Halle; 1792 Kgl. Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin; 1796 Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin) zeugen von der Anerkennung, die man seinen Leistungen zollte.
Literatur
H. Schimank, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 7, S. 45f. Berlin 1966.
A. H. Schlichtegroll: Nekrolog der Deutschen auf das Jahr 1798, Bd. 2, S. 321-329. Gotha 1803.
W. Piechocki, W. Kaiser: Der Pharmazeut Friedrich Albert Carl Gren (1760-1798) als Hallescher Ordinarius. Veröff. Intern. Ges. Gesch. Pharm., N. F. Bd. 38, S. 209-212. Stuttgart 1972.
K. Ganzinger: Zur Geschichte der chemischen Nomenklatur in den amtlichen Arzneibüchern. Beitr. Gesch. Pharm. (Beilage der Dtsch. Apoth. Ztg.), 31, 33-37 (1980).
M. Seils: Friedrich Albrecht Carl Gren in seiner Zeit, 1760-1798 - Spekulant oder Selbstdenker? Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1996.
Holm-Dietmar Schwarz
Bruchstraße 9b, 59939 Olsberg

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