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- DAZ 49/1998
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Arzneimittel und Therapie
Pharmazeutische Betreuung von Krebspatienten
Die Pharmazeutische Betreuung von Krebspatienten umfaßt drei Phasen:
- Krebsvorsorge
- Begleitung der Therapie und Unterstützung durch Information und Kommunikation
- Orientierungshilfe bei unkonventionellen Therapieansätzen
Vorsorge
In der Vorsorgephase sollte der Apotheker nur aktiv werden, wenn der Patient von sich aus das Gespräch sucht. Das kann beispielsweise bei einer Krebserkrankung in der Familie sein oder bei einer latenten Krebsangst.
Nach heutigem Wissensstand sind nur 5 bis 10% der Krebserkrankungen auf eine genetische Disposition zurückzuführen, 90 bis 95% auf andere Risikofaktoren. Als Hauptrisikofaktoren gelten falsche Ernährung (zu fett, zu viel rotes Fleisch, zu wenig Ballaststoffe) und Rauchen. Auch chronische Entzündungen können eine Rolle spielen, dagegen sind Strahlen- und Schadstoffexposition eher von untergeordneter Bedeutung.
Im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung kann der Apotheker daher zur Ernährung und zur generellen Lebensweise beraten. Außerdem kann er auf Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung und eventuell auf Möglichkeiten zur Krebsprävention hinweisen.
Zur Prävention von Krebserkrankungen gibt es eine Fülle von mehr oder weniger epidemiologisch abgesicherten und plausiblen Tips aus der Presse, die man kritisch hinterfragen sollte, bevor man sie weitergibt: Vor Krebs sollen beispielsweise verschiedene Naturstoffe schützen, wie antioxidative Polyphenole aus Tee und Rotwein. Andere schwören auf Brokkoli, China- und Rosenkohl oder Kresse, auf Getreideballaststoffe oder auf Omega-3-Fettsäuren aus Seefisch. Sogenannte Raucher-Vitamine (antioxidative Vitamine) können das erhöhte Krebsrisiko durch Rauchen sicher nicht abfangen. Zum Schutz vor Magenkrebs kann der Magenkeim Helicobacter pylori eradiziert werden.
Therapiebegleitung
In der Phase der Therapiebegleitung sucht der Patient nicht Mitgefühl in der Apotheke, sondern Anteilnahme durch fachliche und emotionale Kompetenz. Der Apotheker kann dem Patienten bei der Verarbeitung des Diagnoseschocks helfen. Er kann ihm beispielsweise Informationen zur Krankheit vermitteln und ihn bei der Einholung einer Zweitmeinung unterstützen. Weitere Schwerpunkte der Pharmazeutischen Betreuung in dieser Phase sind:
- Förderung der aktiven Gegenwehr
- Vermittlung von Selbsthilfegruppen
- Information zu technischen Heil- und Hilfsmitteln
- Management therapiebedingter Nebenwirkungen im Zusammenwirken mit dem behandelnden Arzt, parenterale Ernährung
Zwei wichtige Themen im Rahmen der Krebsbehandlung sind das Schmerzmanagement und die Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen. Bis zu 90% der Krebspatienten in fortgeschrittenen Stadien benötigen eine Schmerzbehandlung. Davon können 90% mit dem Drei-Stufen-Schema WHO zufriedenstellend behandelt werden. Der Apotheker kann den Patienten in seinem Recht auf prophylaktische Schmerzbekämpfung unterstützen. Er sollte darauf achten, daß die Dosierungsintervalle der Schmerzmittel an die Halbwertszeit angepaßt sind. Es muß möglich sein, das Schmerzniveau stets unter einer gewissen Grenze zu halten. Das Betteln nach Schmerzmitteln ist für den Krebspatienten entwürdigend.
Erbrechen als Begleiterscheinung der Krebschemotherapie hängt vom emetogenen Potential der eingesetzten Zytostatika ab. Besonders stark emetogen wirkt zum Beispiel Cisplatin oder Dacarbazin, besonders wenig emetogen Mitomycin oder Fluorouracil. Frauen scheinen hier empfindlicher zu sein als Männer, jüngere Personen erbrechen eher als ältere. Mit Antiemetika, insbesondere den 5-HT3-Antagonisten, gelingt es, die Zahl der Brechepisoden zu reduzieren. Völlig ausschalten lassen sie sich aber oft nicht.
Krebspatienten, die zusätzlich aktiv etwas gegen die Erkrankung tun wollen, kann man eine leicht erhöhte Zufuhr antioxidativer Vitamine mit der Nahrung oder durch Supplemente empfehlen.
Unkonventionelle Therapieansätze
Häufig wird der Apotheker auch zu unkonventionellen Ansätzen um Rat gefragt. Hierzu gehören beispielsweise Immunmodulation, Entspannungstechniken, Musik- und Bewegungstherapie. Der Apotheker kann den Patienten zum Führen eines Tagebuchs anregen. Er kann, insbesondere in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien, auch die Angehörigen beraten.
Das kann der Apotheker leisten
Krebs gehört in unserer Gesellschaft zu den Tabuthemen. Die Patienten haben jedoch oft das dringende Bedürfnis, über ihre Erkrankung zu sprechen und sich Rat und Information zu holen. Diesem Gespräch sollte sich der Apotheker stellen.
Im Mittelpunkt der Pharmazeutischen Betreuung steht die Betreuung des Patienten. Der Apotheker kann den Patienten ermutigen, sich aktiv mit
der Erkrankung auseinanderzusetzen. Durch diese aktive Auseinandersetzung verliert die Krankheit einen Teil ihres Schreckens.
Pharmazeutische Betreuung bedeutet aber auch immer die Erfassung der Medikationsdaten, das Erkennen und Lösen arzneimittelbezogener Probleme und die Dokumentation. Diese Arbeit soll in Zukunft dadurch erleichtert werden, daß sie computergestützt durchgeführt werden kann. Hierfür wird zur Zeit ein Basisprogramm erarbeitet, zusätzlich sollen aber auch krankheitsbezogene Module entwickelt werden. Sie enthalten dann jeweils:
- eine Faktenbasis zum Krankheitsbild
- eine Faktenbasis zu den eingesetzten Arzneimitteln
- Betreuungsservice
- Betreuungsprotokolle/Ergebnisbewertung
Eine gute Faktenbasis zum Thema Zytostatika stellt auch das "Lehrbuch der Klinischen Pharmazie" dar, das 1998 in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH erschienen ist. Hier werden Themen wie substanzspezifische Organtoxizität, Dosismodifikationen bei Leber- und Niereninsuffizienz, emetogenes Potential, Äquivalenzdosen von Opioiden ausführlich behandelt.
Zum Schluß drei Beispiele für die Erfassung arzneimittelbezogener Probleme bei Krebspatienten. Sie wurden im Rahmen einer in Bayern und bundesweit durchgeführten Aktion zur Erfassung arzneimittelbezogener Probleme gemeldet:
- In einer Rezeptur mit Carboplatin und Paclitaxel waren sowohl die Stärken als auch die Lösungsmittel vertauscht.
- Eine Patientin legte ein Rezept über Fentanyl-Pflaster vor. Die Anwendungsempfehlung lautete fälschlicherweise auf dreimal ein Pflaster täglich statt ein Pflaster alle drei Tage.
- Eine Patientin mit einer verdächtigen Hautveränderung unter dem Auge fragte in der Apotheke nach einem Abdeckstift. Der Apotheker empfahl ihr einen Arztbesuch. Der Arzt behandelte sie auf "Furunkel". Daraufhin riet der Apotheker ihr, eine Klinik aufzusuchen. Dort wurde sie sofort operiert, wobei sich die Hautveränderung als Melanom entpuppte.
Quelle
Prof. Dr. rer. nat. Marion Schaefer, Berlin, Vortrag "Pharmazeutische Betreuung betroffener Patienten" bei der wissenschaftlichen Vortrags- und Fortbildungsveranstaltung "Kolorektales Karzinom und Mammakarzinom", Münster, 15. November 1998, veranstaltet von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Susanne Wasielewski, Münster
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