Arzneimittel und Therapie

Früherkennung verbessert die Lebensqualität

Ab Anfang April dieses Jahres startet die Deutsche Parkinson Vereinigung e.V., Neuss, zusammen mit dem Förderkreis der pharmazeutischen Industrie die Aktion "Hinsehen - handeln - helfen". Ein Informationsmobil mit Ärzten und Apothekern wird in 10 deutschen Städten haltmachen und die Öffentlichkeit über das Thema Parkinson informieren. Der Schwerpunkt der Aktion ist die Früherkennung der Parkinson-Krankheit.

Hohe Dunkelziffer


Das Parkinson-Syndrom ist eine langsam voranschreitende Krankheit. Es wird häufig erst dann diagnostiziert, wenn bereits ein Großteil der dopaminergen Neuronen untergegangen ist. Aus diesem Grund kommt der Früherkennung der Parkinson-Krankheit eine große Bedeutung zu, denn nur durch eine frühzeitige und adäquate Therapie kann die Lebensqualität der Patienten möglichst lange erhalten bleiben. Die Realität sieht jedoch anders aus: Man geht davon aus, dass in Deutschland schätzungsweise 80000 der insgesamt 240000 bis 280000 Parkinson-Patienten noch nichts von ihrer Krankheit wissen.

Bewusstsein schärfen


Die Parkinson-Krankheit könnte früher und besser als bisher diagnostiziert werden, wenn in der Öffentlichkeit und bei den Ärzten ein ausgeprägteres Bewusstsein für diese neurologische Krankheit vorhanden wäre. Heute kommt es aber nicht selten vor, dass ein Parkinson-Patient von Arzt zu Arzt weitergereicht wird. Im Durchschnitt vergehen dabei zwei wertvolle Jahre, bis meist vom Facharzt eine korrekte Diagnose gestellt wird. Bei der Parkinson-Krankheit unterscheidet man das unspezifische Parkinson-Syndrom vom idiopathischen Parkinson-Syndrom, dem eigentlichen Morbus Parkinson. Während letzterer selten auftritt - die Prävalenz in der Gruppe der über 65jährigen beträgt beispielsweise nur 1 bis 2 Prozent - ist das unspezifische Parkinson-Syndrom weit verbreitet. Vom unspezifischen Parkinson-Syndrom spricht man, wenn der Patient an Akinese und mindestens einem weiteren Kardinalsymptom der Parkinson-Krankheit (Tremor, Rigor, gestörte posturale Reflexe, das sind Reflexe, die Körperhaltung und Gleichgewicht aufrecht erhalten) leidet. Nach dieser Definition sind in Deutschland etwa 15 Prozent der 65- bis 74jährigen Parkinson-Patienten. Die Prävalenz steigt in der Gruppe der über 80jährigen sogar auf über 50 Prozent an.

Hauptsymptom Bewegungsstörungen


In der Praxis sind Bewegungsstörungen das wichtigste Symptom der Parkinson-Krankheit. Dies sind vor allem Bradykinese, Hypokinese und Akinese. Von Bradykinese spricht man, wenn der Patient in allen seinen Bewegungen verlangsamt ist. Bei einem Patienten mit Hypokinese werden die Bewegungen weniger und verarmen mit der Zeit. Unter Akinese versteht man den Zustand, dass der Patient Schwierigkeiten hat, mit einer Bewegung zu beginnen. So kann es Patienten zum Beispiel Schwierigkeiten bereiten, sich von einem Stuhl zu erheben. Diese deutlichen Hinweise auf die Krankheit treten jedoch erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium auf. Auch Bewegungsstörungen wie die Verlangsamung und die verminderte Spontanmotorik verlaufen anfangs diskret und nehmen erst allmählich an Intensität zu. Dann erst kommt es zum typischen kleinschrittigen Gang, zur Verkleinerung der Handschrift (Mikrographie) und zu häufigen motorischen Blockaden. Manchmal ist es schwierig, diese krankhaften Veränderungen von natürlichen Veränderungen im Alter abzugrenzen.

Tremor führt oft zu Fehldiagnosen


Der Tremor, das Zittern eines Patienten, führt häufig zu Fehldiagnosen, denn man kann ihn leicht mit dem essentiellen Tremor verwechseln, bei dem es sich um einen Aktionstremor handelt. Typisch für den essentiellen Tremor ist es zum Beispiel, wenn ein Patient infolge seines Zitterns nicht in der Lage ist, einhändig eine Tasse zum Mund zu führen. Im Gegensatz zum essentiellen Tremor handelt es sich bei der Parkinson-Krankheit um einen Ruhetremor mit deutlich niedrigerer Frequenz. Der Ruhetremor ist zwar ein charakteristisches Zeichen für die Parkinson-Krankheit, denn beinahe jeder Parkinson-Patient entwickelt ihn zu irgendeinem Zeitpunkt der Krankheit. In der Anfangsphase der Krankheit tritt aber bei über 50 Prozent der Parkinson-Patienten kein Ruhetremor auf. Aus diesem Grund ist auch die deutsche Bezeichnung der Parkinson-Krankheit, die Schüttellähmung, missverständlich. Damit würde man nämlich alle Parkinson-Patienten ohne Tremor ausklammern und zugleich fälschlicherweise Patienten einbeziehen, die an einem essentiellen Tremor leiden.

Rigor ist schwierig zu diagnostizieren


Rigor bedeutet eine gleichmäßige Erhöhung des Muskeltonus. Man spricht auch von der "lead pipe resistance", wobei man den Muskelzustand eines Parkinson-Patienten mit einem Bleirohr vergleicht, das sich nicht verbiegen läßt. Das bei der Parkinson-Krankheit typische "Zahnradphänomen" hängt mit dem Rigor zusammen. Man versteht darunter das "ruckartige Nachgeben einer passiv bewegten Gliedmaße" und erklärt sich dieses Phänomen mit dem Ruhetremor, der den Rigor durchbricht. Die durch den Rigor bedingte Beugehaltung kann zu unspezifischen Symptomen wie Schmerzen und Veränderungen der Skelettmuskulatur führen. Es ist oftmals schwierig, den Rigor zu beurteilen, denn es gibt zahlreiche Ursachen für eine Muskeltonuserhöhung, zum Beispiel psychische Angespanntheit.

Erweiterung der Parkinson-Trias


Zu der klassischen Parkinson-Trias Akinese, Rigor und Tremor sind die gestörten posturalen Reflexe als viertes Hauptsymptom hinzugekommen. Bereits im letzten Jahrhundert hat der französische Neurologe Jean-Martin Charcot auf dieses Problem bei Parkinson-Patienten hingewiesen. Die gestörten posturalen Reflexe, die zu vermehrten Stürzen führen, sind besonders wichtig für die Krankheitsprognose. Denn Parkinson-Patienten werden häufig infolge von Stürzen in ein Pflegeheim eingewiesen. Die Krankheit nimmt durch den Sturz einen ungünstigen Verlauf; die Lebenserwartung nimmt ab. Zu den gestörten posturalen Reflexen gehören auch die Begriffe Anteropulsion und Retropulsion. Werden Parkinson-Patienten "angerempelt", was zum Beispiel im Gedränge eines Kaufhauses leicht passieren kann, so rennen sie los, ohne anhalten zu können. Geht die Bewegung nach vorne, spricht man von Anteropulsion, geht sie nach hinten, von Retropulsion.

Fehldiagnosen häufig


Gerade in der Anfangsphase der Parkinson-Krankheit treten häufig Symptome auf, die falsch gedeutet werden. An erster Stelle stehen hier die Schulter-Arm-Syndrome, die oft als orthopädische oder rheumatische Störungen fehlgedeutet werden. Gangstörungen und Bandscheibenbeschwerden sind weitere Beispiele. Letztere werden häufig als therapieresistente "Wurzelirritationen" gedeutet. Nicht selten kommen Patienten nur durch Zufall zu einem Neurologen, der dann zur Überraschung des Patienten die Diagnose Parkinson stellt. Weitere unspezifische Symptome, die zu Fehldiagnosen führen, sind Körperschwäche, Ungeschicklichkeit und das Kleinerwerden der Handschrift (Mikrographie). Dazu kommen depressive Verstimmungen und vegetative Symptome.

Anstatt "High-Tech-Medizin" gute Beobachtungsgabe und kleine Tests


Zur Diagnose der Parkinson-Krankheit braucht man keine "High-Tech-Medizin", sondern eine gute Beobachtungsgabe. Anhand einfacher Tests, die sich auch in der Allgemeinarztpraxis durchführen lassen, kann ein erfahrener Arzt wertvolle Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Krankheit ziehen. Das Gangbild liefert viele wichtige Informationen. Ermüdet der Patient sehr schnell, wenn er rasche alternierende Bewegungen wie das Öffnen und Schließen der Faust ausführt, so ist das ein Hinweis auf eine Parkinson-Krankheit.
Eine etwaige Akinese lässt sich überprüfen, wenn man den Patienten leicht "anschubst". Eine Schreibprobe kann eine Verkleinerung der Schrift zu Tage bringen und damit auf einen Parkinson hinweisen. Einen Ruhetremor kann man am ehesten zum Vorschein bringen, wenn man den Patienten mental belastet, zum Beispiel durch Kopfrechnen. Der Rigor lässt sich mit dem Schulter-Schüttel-Test ermitteln. Der Patient wird an der Schulter gefasst und gerüttelt. Wackeln die Arme nicht, deutet das auf eine eingeschränkte Schulterbeweglichkeit infolge eines Rigors hin. Mit dem Zugtest wiederum kann man eine posturale Instabilität feststellen. Der Arzt stellt sich hinter den Patienten und zieht ihn an den Schultern ruckartig nach hinten. Ein gesunder Mensch kann diese plötzliche Gewichtsverlagerung durch eine entsprechende Vorwärtsbewegung ausgleichen. Ein Parkinson-Patient mit posturalen Störungen würde nach hinten in die Arme des Arztes fallen.

Check zur Früherkennung der Parkinson-Krankheit


1.Kommt es vor, dass Ihre Hand zittert, obwohl sie entspannt aufliegt?
2.Ist ein Arm angewinkelt und schlenkert beim Gehen nicht mit?
3.Haben Sie eine vornüber gebeugte Körperhaltung?
4.Haben Sie einen leicht schlurfenden Gang oder ziehen Sie ein Bein nach? 5.Haben Sie einen kleinschrittigen Gang und kommt es häufig vor, dass Sie stolpern oder stürzen?
6.Leiden Sie an Antriebs- und Initiativmangel?
7.Haben Sie häufig Schmerzen im Nacken-Schultergürtel-Bereich?
8.Haben Sie bemerkt, dass Sie sich von Ihren Freunden und Angehörigen zurück-
ziehen, dass Sie Kontakte meiden und zu nichts Lust haben?
9.Haben Sie Veränderungen in Ihrer Stimme bemerkt? Ist sie monotoner und leiser
als früher oder hört sich heiser an?
10.Haben Sie eine Verkleinerung Ihrer Schrift bemerkt?
Die zehn aufgeführten Fragen wurden vom ärztlichen Beirat der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V. zur Früherkennung der Parkinson-Krankheit entwickelt. Wenn mehr als drei Fragen mit ja beantwortet werden, kann das ein Hinweis auf erste Symptome von Parkinson sein.

Parkinson-Krankheit: aufklären und sensibilisieren


Die Aktion "Hinsehen - handeln - helfen" möchte möglichst viele Menschen dazu anregen, Angehörige, Freunde und Nachbarn aufmerksam zu beobachten, um Frühsymptome der Parkinson-Krankheit zu entdecken. Ein Parkinson-Informationsmobil wird ab April dieses Jahres in Dresden, Essen, Flensburg, Frankfurt, Gera, Hannover, Karlsruhe, Köln, Nürnberg und Potsdam Station machen. Im Bus werden Ärzte und Apotheker die Bevölkerung vor Ort informieren und Fragen beantworten. Dabei soll auch eine Checkliste mit 10 Fragen verteilt werden, die für das Thema Parkinson-Krankheit sensibilisieren soll. Quelle
Dr. Wolfgang Götz, Neuss, Dr. Gudrun Ulm, Kassel, Dr. Andres Otto Ceballos-Baumann, München, Fachpressegespräch "Früherkennung Parkinson: Hinsehen - handeln - helfen", München, 24. Februar 1999, veranstaltet von der Deutschen Parkinson Vereinigung e.V., Neuss.
Michael Stein, München

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