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Die Seite 3
Das herkömmliche autoritäre Medizinsystem, in dem der Patient die Anweisungen seiner Ärzte widerspruchslos entgegennahm, hat ausgedient. Moderne Patienten informieren sich in verschiedenen Medien, vor allem aber dem Internet, über ihre Krankheit und besitzen häufig mehr detaillierte Informationen zu ihrem Krankheitsbild und zu Therapiemöglichkeiten als der Arzt. Doch die Informationsvielfalt hat auch Nachteile: Viele Patienten können nicht zwischen seriösen und unseriösen Informationen unterscheiden und benötigen daher Fachleute zur Orientierung.
Hier können wir Apotheker wertvolle Hilfe leisten. Der Gang in die Apotheke ist unkomplizierter als ein Arztbesuch, und wenn der Patient der Fachkompetenz des Apothekers vertraut, kann sich daraus vor allem bei chronisch Kranken eine langjährige vertrauensvolle Beziehung entwickeln. Dabei leisten Apotheker vor allem einen Beitrag zur "Salutogenese", also zum Gesundwerden. Das bedeutet, dass wir den Patienten in seinem Wunsch unterstützen, selbst aktiv zur Heilung beizutragen. Durch diese Hilfe zur Selbsthilfe wird der Heilungsprozess entscheidend beeinflusst.
Der diesjährige Baden-Württembergische Apothekertag hat den kompetenten Patienten und die Kommunikation mit der Bevölkerung in den Mittelpunkt gestellt. Dazu gehören Themen wie Pharmazeutische Betreuung, aber auch die intensive Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen. Professor Nagel von der Klinik für Tumorbiologie in Freiburg rief die Patienten dazu auf "sich zusammenzurotten", um ihre Forderungen nach einer adäquaten Therapie durchzusetzen, auch wenn diese teuer ist. Gerade vor dem Hintergrund von Gesundheitsreform und Budgetdruck können Apotheker dabei Hilfestellung leisten und sich zum Anwalt der Patienten machen, damit eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln auch in Zukunft gewährleistet bleibt. Anregungen zur Umsetzung einer patientengerechten Beratung lieferte der Apothekertag ausreichend. Zum Beispiel kann ein Apotheker sich mit regionalen Selbsthilfegruppen in Verbindung setzen, Adressen von Selbsthilfegruppen und anderen Einrichtungen weitergeben und Kontakte vermitteln.
Aber auch die besten Ideen nützen nichts, wenn das Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar ist. Auf der einen Seite steht die Frage der Einnahmen. Das Gesundheitssystem wird zwar durch den Faktor Arbeit finanziert, dessen Anteil am Bruttosozialprodukt sinkt jedoch seit Jahrzehnten. Deshalb muss heute über eine veränderte Zusammensetzung von staatlicher Finanzierung durch Steuergelder und Versicherungen nachgedacht werden. Auf der anderen Seite zwingt die demographische Entwicklung in Deutschland zu tiefgreifenden Änderungen des Systems, denn mehr ältere Menschen stehen weniger Beitragszahlern gegenüber und benötigen außerdem mehr Leistungen.
In Zukunft wird in zunehmendem Maß Eigenverantwortung gefordert werden, eine "Vollkaskomentalität" gefährdet die dauerhafte Finanzierbarkeit des Systems, wie Baden-Württembergs Sozialminister Dr. Friedhelm Repnik sagte. Wie das System allerdings umgestellt werden soll, wird heiß diskutiert. Zentrale Fragen der Gesundheitspolitik bleiben weiterhin ungelöst. Der Streit um stationäre Kuren, Positiv- und Negativlisten für Arzneimittel, Reduktion der Krankenhaustage und neue Formen der Budgetierung trifft nicht die Kernprobleme. Auch mit der umstrittenen Forderung nach Einsparungen durch Qualitätsverbesserungen werden keine grundlegenden Probleme angegangen, zumal eine bessere Qualität ja nicht unbedingt preisgünstiger sein muss.
Über all den Kostendiskussionen sollte man aber nicht vergessen, dass der Gesundheitsmarkt mit seinem bundesweiten Finanzvolumen von über 500 Milliarden Mark ein wichtiger Wirtschaftszweig in Deutschland ist. Zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden hier erwirtschaftet, und dieser Markt wird mit der zunehmenden Zahl älterer Menschen immer wichtiger werden. Es gibt also viele Gründe, trotz der Kostendiskussion optimistisch in die Zukunft zu schauen!
Bettina Hellwig
Apotheker als Partner des kompetenten Patienten
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