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Arzneimittel und Therapie
Neuer Calciumantagonist: Lercanidipin mit hoher Verträglichkeit
Noch ein Antihypertensivum, werden viele stöhnen. Nicht ganz zu Recht. Denn die Behandlung von Hypertonikern ist noch immer unbefriedigend. Vor allem bei den über 65-Jährigen gibt es in Deutschland erhebliche Defizite. Einer der Gründe ist die mangelnde Compliance dieser Patienten, die sich neben einer gründlichen Aufklärung über die Folgen der Hypertonie auch durch die Verordnung besonders gut verträglicher Antihypertensiva verbessern lässt. Der neue Calciumantagonist Lercanidipin (Corifeo, Carmen) kann hier mit außergewöhnlich günstigen Eigenschaften aufwarten. Außergewöhnlich sind aber auch seine pharmakokinetischen Eigenschaften.
Molekül im Membrandepot
Bei Lercanidipin handelt es sich im Vergleich zu anderen Dihydropyridinen um ein extrem lipophiles Molekül mit einem hohen Membranverteilungskoeffizienten. Er findet schnell den Weg vom Plasma in die Zellmembran, zeigt also eine kurze Plasmahalbwertszeit, bindet langanhaltend in der Zellmembran und baut dort sozusagen ein "Membrandepot" auf.
Die protonierte Stickstoffgruppe im Molekül wird als Ursache für das schnelle Verschwinden des Wirkstoffs in der Gefäßwand diskutiert. Von dort wird der Wirkstoff peu à peu freigegeben und blockiert die Calciumkanäle vom L-Typ. Klinisch wird so eine konstante Senkung des Blutdrucks über 24 Stunden erreicht, die der zirkadianen Rhythmik angepasst ist. Dass Lercanidipin den Blutdruck nach Einmalgabe sicher über 24 Stunden senkt und den Hypertoniker vor gefährlichen Blutdruckspitzen in den frühen Morgenstunden bewahrt, zeigt der Blick auf die Trough-to-peak-ratio, die bei 80 liegt. Das bedeutet: 24 Stunden nach Einnahme von Lercanidipin werden noch immer 80 Prozent der maximalen Blutdrucksenkung erreicht. Gezeigt wurde auch eine hohe Vasoselektivität. Lercanidipin ist im Gefäß deutlich wirksamer als am Herz. Damit sinkt das Risiko von negativer Inotropie und Herzrhythmusstörungen.
Blutdrucksenkung: anderen Antihypertensiva adäquat
Die Blutdrucksenkung, die mit Lercanidipin erreicht werden kann, entspricht der üblicher, gut wirksamer Antihypertensiva, wie Atenolol, Hydrochlorothiazid, Captopril oder Amlodipin, ebenfalls ein Calciumantagonist der dritten Generation. Bislang an über 2600 Patienten in 38 klinischen Studien untersucht, geht unter Lercanidipin (Standarddosis 10 mg) der Blutdruck im Mittel von 162,1/96,9 mmHg auf 141,8/83,8 mmHg zurück. Auch die Responderraten sind vergleichbar. So sprachen in einer Dosisfindungsstudie an 132 Hypertonikern innerhalb von vier Wochen 62,9 Prozent der Patienten an (Senkung des diastolischen Blutdruckwerts um mindestens 10 mmHg), eine Normalisierung wurde bei 53,7 Prozent erreicht. Wird die Tagesdosis auf 20 mg gesteigert, bessern sich die Responderraten noch einmal um etwa 20 Prozent: Sie liegen dann bei 85Prozent, eine Normalisierung ist bei 65,9 Prozent der Patienten möglich. Wichtig ist, dass die Dosis dann langsam hochtitriert wird, um eine hohe Verträglichkeit zu garantieren.
Kaum Knöchelödeme
Das Besondere an Lercanidipin ist allerdings nicht seine gute blutdrucksenkende Wirkung, sondern die Verträglichkeit. Die für Calciumantagonisten typischen Nebenwirkungen wie Flush, Palpitationen, Kopfschmerzen und Schwindel sind mit einer Häufigkeit von 0,7 bis 2,7 Prozent äußerst selten. Auffallend ist das mit 0,9 Prozent extrem seltene Auftreten von Knöchelödemen, gerade auch im Vergleich mit Amlodipin. Hier zeigte eine direkte Vergleichsstudie im Cross-over-Design an 125 Patienten mit einer Hypertonie im Stadium 2 und 3, dass die Patienten während der Lercanidipinphase weit seltener unter Nebenwirkungen litten. Auch Knöchelödeme waren unter Amlodipin deutlich häufiger. Entsprechend niedrig sind die Drop-out-Raten unter dem neuen Calciumantagonisten.
In klinischen Studien brachen nur 2,7 Prozent der Patienten, die mit 10 mg behandelt wurden, die Therapie ab (Plazebo: 4 Prozent). Von denjenigen, die initial 20 mg erhielten, stiegen 6,4 Prozent aus. Wurde die Dosis aber langsam hochtitriert, lag die Zahl der Abbrecher lediglich bei 3,5 Prozent. Noch wichtiger für die Sicherheit der Therapie dürfte jedoch sein, dass Lercanidipin die Herzfrequenz nicht verändert und keine reflektorischen Tachykardien auslöst. Zudem kommt es nicht zu einer Stimulierung des Sympathikus - ein weiterer Vorbehalt gegen die Gruppe der Calciumantagonisten -, die gefürchtete neurohumorale Gegenregulation bleibt aus.
Auch für hypertone Diabetiker und Asthmatiker
Günstig ist Lercanidipin auch für Patienten mit Begleiterkrankungen. Da es sich stoffwechselneutral verhält, kann es bei Patienten mit metabolischem Syndrom, Fettstoffwechselstörungen oder einem Diabetes mellitus eingesetzt werden. Auch Asthmatiker und Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung, bei denen beispielsweise Betablocker kontraindiziert sind oder das Risiko eines Reizhustens unter ACE-Hemmer-Therapie zu groß ist, können mit Lercanidipin behandelt werden.
Quelle: Einführungspressekonferenz: "Lercanidipin - der moderne Calciumantagonist der dritten Generation: Pharmakologische und klinische Besonderheiten", München, 14. September 2000, veranstaltet von ucb Pharma und Berlin-Chemie.
Die Wogen um die Calciumantagonisten haben sich nach den Unruhen Mitte der 90er-Jahre wieder geglättet. Immerhin stehen sie weltweit an zweiter Stelle der verordneten Antihypertensiva. Besonders positiv bewertet werden die lang wirksamen Dihydropyridine der dritten Generation. Mit Lercanidipin, das bereits in zahlreichen Ländern zugelassen ist, steht ab 1. Oktober 2000 auch in Deutschland ein neuer Vertreter dieser Substanzklasse zur Verfügung. Seine Besonderheiten: eine außergewöhnliche Pharmakokinetik und eine gute Verträglichkeit.
1 Kommentar
Lercanidipin Nebenwirkung
von Herbert Laabs am 26.09.2019 um 10:08 Uhr
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