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Arzneimittel und Therapie
Chinesische Phytopharmaka: Aristolochiasäure verursacht Krebs
In den frühen 90-er Jahren erhielten Frauen in einer belgischen Abmagerungsklinik eine Mischung aus den Appetitzüglern Fenfluramin und Amfepramon, Cascara, Belladonna-Extrakt, dem Carboanhydrasehemmer Acetazolamid sowie den chinesischen Drogen Stephania tetranda und Magnolia officinalis. Kurz darauf erkrankten außergewöhnlich viele dieser Patientinnen an einer interstitiellen Nephropathie, die durch ein progressives Nierenversagen gekennzeichnet war und in vielen Fällen eine Nierentransplantation erforderlich machte.
Verwechslung der Drogen
Schon früh trat der Verdacht auf, dass das Nierenversagen auf die chinesischen Phytopharmaka zurückzuführen sei, da diese den Schlankheitskapseln erst seit kurzem zugesetzt worden waren. Stephania tetranda und Magnolia officinalis werden in der chinesischen Medizin als ungefährlich angesehen und sind nicht als nierenschädigend bekannt. Eine Untersuchung der vermeintlichen Stephania-Charge zeigte indes das Vorhandensein von Aristolochiasäure, einem Wirkstoff, der nicht in Stephania tetranda enthalten ist. Weitere Nachforschungen ergaben, dass Drogen verwechselt worden waren und den Schlankeitskapseln statt Stephania tetranda Aristolochia fangchi beigemischt worden war.
Toxische Wirkungen von Aristolochiasäure
Aristolochiasäure ist nicht nur nephrotoxisch, sondern wirkt auch mutagen und karzinogen. Die mutagene bzw. karzinogene Wirkung beruht auf der Bildung von Karzinogen-DNA-Addukten (kovalente Produkte aus Karzinogenen und Nukleotiden). Bereits 1994 traten unter den Patientinnen der belgischen Abmagerungsklinik erste Fälle von Blasentumoren auf, und Nierenbiopsien bei der infrage kommenden Patientengruppe wiesen in einem vermehrten Maß auf bösartige Gewebeveränderungen hin. Darüber hinaus konnten im untersuchten Nierengewebe für Aristolochiasäure spezifische DNA-Addukte nachgewiesen werden. Diese Addukte sind spezifische Marker für die Aufnahme aristolochiasäurehaltiger Produkte und außerdem direkt an der Tumorentstehung beteiligt.
43 Patienten mit terminalem Nierenversagen
Eine belgische Arbeitsgruppe hat nun in Zusammenarbeit mit dem deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg die Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit urothelialer Tumoren und der Einnahme Aristolochia-fangchi-haltiger Schlankeitskapseln näher untersucht. Dazu wurden 43 Patienten ausfindig gemacht, die zwischen 1990 und 1992 aristolochiasäurehaltige Kapseln eingenommen und in der Folgezeit ein terminales Nierenversagen entwickelt hatten. Aufgrund des vermuteten hohen Tumorrisikos wurde diesen Patienten eine Zystoskopie und eine prophylaktische Entfernung von Nieren und Harnleiter empfohlen.
Urotheliale Tumore bei knapp der Hälfte aller Patienten
39 Patienten gaben ihre Zustimmung zu dem chirurgischen Eingriff. Bei 18 von ihnen, das heißt in 46% aller Fälle, wurde ein urotheliales Karzinom (17 Tumoren am Urether und/oder am Nierenbecken, ein Tumor an der Blase) festgestellt. Bei weiteren 19 Erkrankten wurden milde bis moderate urotheliale Dysplasien diagnostiziert, und nur zwei Patienten hatten keinen auffälligen Befund. Bei allen untersuchten Gewebeproben konnten aristolochiasäurespezifische DNA-Addukte nachgewiesen werden. Aufgrund der vorliegenden Verschreibungen für das aristolochiasäurehaltige Abmagerungspräparat konnten die aufgenommenen Mengen an Aristolochia fangchi ermittelt und die kumulative Dosis errechnet werden: Bei Mengen von mehr als 200 g stieg das Risiko, an einem urothelialen Tumor zu erkranken, deutlich an.
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